Prinz Reuß: Wer verteidigt die Möchtegern-Putschisten?

Im Prozess gegen Prinz Reuß und andere mutmaßliche Umsturzplaner engagieren sich einige illustre Anwälte

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.

Damit niemand die Übersicht verliert, hat die Pressesprecherin eigens einen Merkzettel mit bunten Balken gebastelt. Jeder Balken in Gelb, Grün, Rot oder Pink trägt den Namen eines der Angeklagten, die sich seit Dienstag im Terrorprozess gegen die Führungsriege der mutmaßlichen »Reichsbürger«-Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verantworten müssen. Und die Namen der jeweiligen Verteidiger*innen.

Der einmalige und viel gelobte Service tut not: Neben den neun Angeklagten sind immerhin 26 Anwält*innen auseinanderzuhalten. Wer aber sind diese 20 Juristen und sechs Juristinnen, die es sich aufgehalst haben, wohl mehrere Jahre lang immer wieder nach Frankfurt in den provisorisch errichteten Leichtbaugerichtssaal am Rande der Stadt zu kommen, um über die mutmaßlichen Putschpläne der »Patriotischen Union«, über Waffen, Heimatschutzkompanien und allerhand ideologischen Irrwitz zu verhandeln?

Das deutlichste Zeichen durch die Wahl seiner Verteidiger hat Peter Wörner gesetzt. Der ehemalige Soldat der umstrittenen Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) und spätere Überlebenstrainer hat mit Andreas Wölfel und Frank Miksch zwei rechtsextreme Szene-Anwälte an seiner Seite, beide einst der Neonazipartei NPD verbunden, die sich heute »Die Heimat« nennt. Die Beiordnung eines dritten Pflichtverteidigers, ideologisch mindestens genauso einschlägig, ist beantragt.

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In seinem Eröffnungsstatement hatte Wölfel wenig zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten zu sagen. Aber er beklagte ein vermeintlich überzogenes Vorgehen der Justiz und raunte: »Es besteht der Verdacht, dass das Strafverfahren auf dem Rücken der Angeklagten missbraucht wird, um von anderweitigem Versagen abzulenken.« Was er damit meint, sagte er nicht.

Einer der vier Verteidiger des als Rädelsführer angeklagten Immobilienunternehmers Reuß ist Thomas Tschammer. Er war bis 2022 im Vorstand der rechtslibertären Atlas-Initiative von Markus Krall, jenem »Crash-Propheten«, der Bezieher*innen von Sozialleistungen gern das Wahlrecht entziehen würde. Laut Anklage sollen Reuß und die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann mehrfach vergeblich versucht haben, Krall als Mitglied ihrer Putschregierung anzuwerben.

Das große Wort bei der Verteidigung des Hauptangeklagten aber führen andere. Sie machten bereits deutlich, dass mit einem reuigen Geständnis nicht zu rechnen ist. »Mein Mandant steht auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Rechtsordnung«, behauptete Rechtsanwalt Roman von Alvensleben. Nie habe Prinz Reuß Gewalttaten gegen den Staat geplant. Von »Märchen« sprach der Anwalt. Und überhaupt, befand er, verhöhne es die Opfer der Rote Armee Fraktion (RAF), wenn das Verfahren gegen Reuß & Co. als »größter Terrorprozess der Nachkriegszeit« bezeichnet werde: »Es gab hier bis zur Festnahme nicht einmal eine Sachbeschädigung.«

Sein Co-Verteidiger Hans-Otto Sieg, der wie etliche der Anwält*innen im Prozes auf die eine oder andere Erfahrung bei der Vertretung von Rechtsradikalen zurückblicken kann, forderte sogar die Aufhebung des Haftbefehls gegen den 72-Jährigen. Seine Begründung: Ideologischer Antrieb der Angeklagten sei auch der Glaube an die antisemitische QAnon-Verschwörungserzählung gewesen: dass pädophile Eliten in unterirdischen Tunneln Kinder missbrauchen. Und dass bald ein mächtiger internationaler Geheimbund, die »Allianz«, einmarschieren und die Kinder befreien werde.

Die »Patriotische Union«, erklärte Sieg, habe erst mit dem Einmarsch dieser Geheimarmee aktiv werden wollen. »Da es die ›Allianz‹ nie gab, war von Anfang an objektiv klar, dass es zu einem Umsturz nie kommen würde.« Also: alles ganz ungefährlich.

Dass es sich bei QAnon um herbeihalluzinierten Quatsch handelt, ist unter den Verteidiger*innen indes nicht unumstritten. Martin Schwab, Juraprofessor aus Bielefeld und Verteidiger seiner Parteifreundin Johanna Findeisen-Juskowiak aus der Coronaleugner*innen-Organisation »Die Basis«, warf der Bundesanwaltschaft allen Ernstes einseitige Ermittlungen vor – weil sie nicht nach den Tunneln mit den gequälten Kindern gesucht habe. Man dürfe, erregte sich der Hochschullehrer, das nicht einfach als Verschwörungserzählung abtun.

Und das ist nicht die einzige Uneinigkeit. Bei Vitalia B., der Lebensgefährtin von Reuß, haben sich Pflichtverteidigerinnen und Wahlverteidiger schon so zerstritten, dass sie offenbar nicht einmal mehr miteinander reden. Wahlverteidiger Thomas Nirk, ein Rechtsprofessor aus Wien, nutzte selbst sein Eröffnungsstatement für Angriffe auf die Kolleginnen. Seiner programmatischen Ansage aber widersprachen sie nicht: »Die Verteidigung ist angetreten, die Unschuld der Mandantin zu beweisen.«

Mehrere Angeklagte, darunter Prinz Reuß und die AfDlerin Birgit Malsack-Winkemann, wollen sich auch persönlich einlassen. Wann sie das tun werden, ist allerdings offen. Weil zu den ohnehin bereits mehr als 800 Ordnern mit Akten gerade sechs weitere hinzukamen, wurde die Aussetzung des Verfahrens beantragt – oder zumindest eine längere Unterbrechung. Bis zur kommenden Woche muss das Gericht darüber entscheiden.

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