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Für Bayer Leverkusen werden Titel zum neuen Anspruch
Leverkusens Fußballer sollen nach dem Gewinn von Meisterschaft und Pokal nun auf Dauer ganz oben mitspielen
Welten trafen aufeinander beim Pokalfinale im Olympiastadion, nicht nur weil mit Bayer Leverkusen die mit Abstand beste Mannschaft Deutschlands gegen den Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern gespielt und ziemlich mühevoll mit 1:0 gewonnen hatte. Der junge Trainer Xabi Alonso, 42, hatte sich mit seinem eigentlich schon im Ruhestand abgetauchten 70-jährigen Kollegen Friedhelm Funkel gemessen, der später von beiden Fanfraktionen mit Sprechchören gefeiert wurde. Vor allen Dingen jedoch begegneten sich an diesem Samstagabend in Berlin zwei Versionen von Bayer Leverkusen.
Oben auf der Tribüne flossen Tränen über das Gesicht der Klubikone Rudi Völler, der sich vor zwei Jahren ohne Titel aus der Geschäftsführung zurückgezogen hatte und dessen Leverkusener Mission nun auf wundersame Art und Weise doch noch zu einem Ende mit Goldpokal und Meisterschale gekommen war – zumindest indirekt. Unten schwebte Fernando Carro über den Rasen, der Geschäftsführer der Gegenwart, der eine Art Gegenentwurf zu Völler darstellt. Carros offen zum Ausdruck gebrachte Gier nach Titeln und Erfolg, seine Furchtlosigkeit auch gegenüber scheinbar übermächtigen Gegnern wie dem FC Bayern München ist definitiv ein Aspekt der Metamorphose der Vizekusen-Verlierer zum erstmaligen Doublesieger.
Spät am Abend warf Carro am Rande der Feier des Teams im »Club Theater Berlin« am Potsdamer Platz auch schon einen Blick in die Zukunft, für die der Klub bereits neue Großtaten plant. »Man ist sehr glücklich, muss aber auf dem Niveau bleiben«, sagte der Geschäftsführer des Deutschen Meisters und Pokalsiegers. »Die Bayern sind natürlich von der Geschichte her das stärkste Team in Deutschland, wir wollen ihnen zumindest Paroli bieten können. Das Ziel ist immer, ganz oben zu stehen.« Das klang in den Ohren mancher Beobachter wie eine Kampfansage, selbst wenn sie vom derzeit besten deutschen Verein kam.
So etwas wäre Völler in solch einem Moment wohl nie über die Lippen gekommen, aber Bayer Leverkusen hat sich verändert. Wobei es interessant gewesen wäre, dieses Team im Pokalfinale gegen eine stärkere Mannschaft zu sehen als im Duell mit den fußballerisch limitierten Zweitligakickern aus der Pfalz. Eine Niederlage hätte dieser fabelhaften Saison im Kontext des verlorenen Endspiels in der Europa League gegen Bergamo ja noch ernsthafte Schäden zufügen können.
Von der Brillanz, mit der Bayer Leverkusen die meisten Gegner der vergangenen Monate bespielt und in aller Regel auch besiegt hatte, war in diesem Finale tatsächlich nicht mehr viel übriggeblieben. Dafür gelang es dem Team mit einem letzten Kraftakt als erstem Klub überhaupt vom ersten bis zum letzten Spiel in allen nationalen Wettbewerben ungeschlagen zu bleiben. »Wir waren die ganze Saison eine große Mannschaft mit großer Energie, das haben wir heute auch wieder gezeigt. Es war eine Traumsaison«, sagte Trainer Xabi Alonso.
Das Tor des Tages war nach einer Viertelstunde Granit Xhaka gelungen, als Bayer noch seinen üblichen Ballbesitzfußball zelebrierte und zu einigen Chancen kam. Als Odilon Kossonou jedoch kurz vor der Pause mit einer gelb-roten Karte vom Platz gestellt wurde, ging es endgültig nicht mehr um Schönheit und Dominanz, sondern um Klugheit und Einsatzbereitschaft. »Das Wichtigste war der Glaube der Mannschaft. Sie waren bereit, mit zehn Spielern zu kämpfen«, lobte Alonso.
Teams wie der VfB Stuttgart, Borussia Dortmund oder Eintracht Frankfurt hätten als Gegner vermutlich mehr mit dieser Ausgangslage anfangen können als Kaiserslautern, aber in Meisterschaft und Pokal haben sich irgendwie alle Umstände zu einem makellosen Erfolgspuzzle für Leverkusen zusammengesetzt. An diesem Abend half eben auch die fehlende Qualität des Gegners. »Ich bin stolz auf meine Mannschaft, wie sie aufgetreten ist«, sagte dessen Trainer Funkel, obgleich der FCK auch in Überzahl nie wirklich gefährlich geworden war.
Dieses letzte Spiel der Saison war nicht repräsentativ für das Spieljahr der Werkself, in den allermeisten Phasen der Saison spielte Leverkusen einen atemberaubenden Fußball, und in schwierigen Momenten erhielten sie auch ein wenig Unterstützung jener Kräfte, die sie nicht selbst kontrollieren können. So wies Jonas Hofmann darauf hin, dass »auch viel Spielglück« und »ein paar Schiedsrichterentscheidungen« seinem Team auf dem Weg hinauf zum Double-Gipfel geholfen hätten.
Erfahrungsgemäß wird das nicht ewig so bleiben, in der kommenden Saison muss eine neue Geschichte geschrieben werden – als Fortsetzung dieser unvergesslichen Saison. Schon oft sind auf dem Gipfel die größten Fehler begangen worden. In jedem Fall ist Bayer Leverkusen jetzt aber ein anderer Verein als noch vor einem Jahr. Die Spieler haben einen anderen Ruf, genau wie Trainer Alonso. Auch das wird eine Herausforderung darstellen. Und nicht zuletzt darf sich diese brillante Mannschaft in der Champions League endlich mit den Giganten des europäischen Fußballs messen.
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