Streiks und Linke: Offensiv im Osten?

Arbeitskämpfe und Perspektivwechsel gegen neoliberalen Autoritarismus

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Nicht die Angleichung an das kapitalistische Zentrum in Westdeutschland darf das Ziel sein, sondern transnationale Werte wie Würde, Respekt und demokratisch gestaltbare Arbeitsbedingungen«, sagte die Soziologieprofessorin Stefanie Hürtgen am Wochenende auf der Ostdeutschland-Konferenz der Initiative Sozialkombinat Ost in Magdeburg. Mit ihrem Beitrag plädierte Hürtgen für einen grundsätzlichen Perspektivwechsel in Diskussionen über Ostdeutschland. Denn die Region sei mit anderen »kapitalistischen Peripherien« vergleichbar, etwa mit Nordfrankreich, Griechenland oder Teilen des Globalen Südens, die alle mit schlechten Arbeitsbedingungen und geringen Löhnen um internationales Kapital werben. Man müsse sich mit den Menschen in diesen Regionen solidarisieren. »Ich habe Sorge, dass die Ostdebatte sonst in dünkelhafter Abgrenzung und Borniertheit endet«, mahnte die Soziologin. Sie forderte ostdeutsche Linke auf, sich in eine rebellische DDR-Tradition zu stellen und diese Haltung gegen einen »autoritären Neoliberalismus« zu behaupten.

Unter anderem um diese Frage und darüber zu diskutieren, worin die Aufgabe einer gesamtgesellschaftlichen Linken in Ostdeutschland besteht, kamen am Samstag etwa 130 Teilnehmer*innen in Magdeburg zusammen. Mathias Grabow vom Veranstalter*innenkreis sagte »nd«: »Unser Fokus liegt auf den ökonomischen Verhältnissen in Ostdeutschland, da diese sonst weniger in der Debatte vorkommen.« Neben Hürtgen sprachen etwa der Journalist Ole Nymoen über Möglichkeiten und Grenzen genossenschaftlichen Wirtschaftens und der Soziologieprofessor Klaus Dörre über eine linke Utopie in Ostdeutschland. »Diese Konferenz ist keineswegs ein Abschluss, sondern Bestandteil eines kontinuierlichen Prozesses, dem Klassenkampf von oben etwas entgegenzusetzen«, hieß es von den Veranstalter*innen am Samstag.

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Wie die Bedingungen dafür konkret aussehen, berichtete Verdi-Sekretär Stefan Bornost. Er ist für die Abfallwirtschaft im Landesbezirk Berlin-Brandenburg zuständig und begleitet die Arbeitskämpfe dort seit einigen Jahren. Lange Zeit habe die Gewerkschaft bei den Beschäftigten in der brandenburgischen Abfallwirtschaft einen schweren Stand gehabt, schilderte er. Doch die Stimmung in den Betrieben habe sich zuletzt radikal verändert: »Die Arbeitsmarktsituation lässt das Selbstbewusstsein der Beschäftigten ansteigen und die Inflation ihre Militanz«, sagte Bornost. Zahlreiche Neumitglieder, kämpferische Kampagnen unter Einbeziehung der Mitglieder und erfolgreiche Tarifabschlüsse zeugten davon. Dennoch sind die Herausforderungen groß. Ein erheblicher Teil der überwiegend männlichen Müllwerker vertritt rechte Positionen. »Die Teilnahme an Arbeitskämpfen sorgt nicht automatisch für weniger AfD-Stimmen. Aber wenn man uns als Gewerkschaft vertraut, können wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und Erfahrungen neu interpretieren.« Diskussionen über solidarische Grundsätze benötigten jedoch Zeit, unterstrich der Gewerkschaftssekretär.

Neben den Vorträgen wurde auch die Ausstellung »Schicksal Treuhand – Treuhand-Schicksale« über die Privatisierung und Liquidierung der rund 9000 volkseigenen Betriebe nach der Wende gezeigt.

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