Schlüssel für Synagoge überreicht

Zentralwohlfahrtsstelle der Juden übernimmt Neubau in Potsdam vom Land Brandenburg

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit ihrer hellen Ziegelsteinfassade fügt sich die neue Synagoge an der Potsdamer Schlossstraße harmonisch in die Umgebung ein und sticht doch heraus. Glindower Ziegel waren eigentlich mit der Ausschreibung gewünscht. Doch die entsprechende Ziegelei im Umland von Potsdam existiere leider nicht mehr, bedauert Architekt Jost Haberland. Deswegen seien die zu Brandenburg passenden Ziegelsteine aus Westfalen geliefert worden.

Die lange herbeigesehnte Synagoge ist so gut wie fertig. Es müssen nur noch einige Elektroarbeiten erledigt werden, berichtet am Dienstag Aaron Schuster, Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Die Wohlfahrtsstelle wird die Synagoge voraussichtlich bis 2027 betreiben und will sie dann an die jüdischen Gemeinden der Stadt übergeben. Vielleicht sei das auch schon früher möglich. Das will Schuster nicht ausschließen. Doch obwohl es eine schriftliche Vereinbarung zur gemeinsamen Nutzung des Tempels gibt, die auf dem Papier gut klinge, müsse sich doch erst zeigen, wie es praktisch funktioniert.

Die Jüdische Gemeinde Potsdam, die Synagogengemeinde und zwei weitere Gemeinden sollen sich abwechseln bei der Ausrichtung der Gottesdienste zum Shabbat. Ihre zusammen 750 bis 800 Mitglieder sollen nicht getrennt, sondern gemeinsam den Shabbat feiern. Ob dies auf eine spätere Vereinigung der teils lange untereinander regelrecht verfeindeten jüdischen Gemeinden von Potsdam hinauslaufen könnte? Aaron Schuster wehrt freundlich lächelnd ab: »Das wäre ein deutlich zu früh geäußerter Wunsch.«

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Dass die fünfte jüdische Gemeinde in Potsdam, die ultraorthodoxe Jüdische Landesgemeinde, nicht mit im Boot sitzt, ist keine Überraschung. Damit war nie zu rechnen. Dass es überhaupt eine Einigung der vier anderen Gemeinden über eine gemeinsame Nutzung der Synagoge gibt, ist schon ein großer Erfolg. Genau darum ist es auch verfrüht, jetzt schon darüber nachzudenken, ob die Zentralwohlfahrtsstelle die Synagoge früher als 2027 abgeben könnte. Zunächst einmal hat sie am Dienstag selbst erst symbolisch den Schlüssel vom Land Brandenburg übergeben bekommen und damit die Verantwortung im Haus übernommen. Nach Abschluss der Restarbeiten soll die Synagoge Mitte Juli eingeweiht werden. »Es wird in diesem Sommer definitiv stattfinden«, verspricht Schuster.

Nachdem seit den 90er Jahren um diesen Neubau gerungen worden war, wurde er dann ziemlich zügig hochgezogen. Der Bau begann im August 2021. Richtfest wurde 2023 gefeiert – damals bei strömendem Regen, wie sich Finanzministerin Katrin Lange (SPD) erinnert. Auch am Dienstag regnet es wieder, aber nicht so stark. Außerdem konnte die Schlüsselübergabe, die eigentlich draußen vor der Tür stattfinden sollte, in den Eingangsbereich verlegt werden.

Kulturministerin Manja Schüle (SPD) nimmt es von der positiven Seite: »Regen bringt Segen.« Sie weist darauf hin, dass eine Synagoge ein Haus des Gebets, aber auch des Lernens und der Gemeinschaft sei. Nun gebe es in Potsdam wieder diesen Tempel und Sozialtreff, wie es ihn seit der Nazizeit nicht mehr gegeben hatte. »Ja, es war ein langer Weg und auch ein schwieriger Weg«, bestätigt Schüle. Aber nun sei der Schlüssel übergeben und das sei ein glücklicher Tag.

Auch wenn die Schlussrechnung noch nicht vorliegt, kann Finanzministerin Lange ungefähr sagen, wie viel die vom Brandenburgischen Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen errichtete und komplett vom Staat bezahlte Synagoge gekostet hat: rund 16,5 Millionen Euro. Veranschlagt waren vorher 16 529 600 Euro.

»Die lange Vorgeschichte will ich hier nicht rekapitulieren«, sagt Lange. »Heute biegen wir auf die Zielgerade ein.« Der Bau sei eine »besondere Herausforderung, besondere Ehre und eine Herzensangelegenheit« gewesen. »Das jüdische Leben hat jetzt endlich wieder seinen Platz im Zentrum unserer Landeshauptstadt.«

Laut Aaron Schuster gibt dieser Ort den Juden »in Zeiten großer Unsicherheit Rückhalt«. Wenn Schuster von Unsicherheit spricht, nennt er auch den 7. Oktober 2023 – den Tag, an dem beim Terrorangriff der palästinensischen Hamas 1200 Israelis ums Leben kamen. Schuster bedankt sich für die aus seiner Sicht jederzeit reibungslose und konstruktive Zusammenarbeit mit dem Finanz- und dem Kulturministerium, mit dem Architekturbüro Haberland und den beteiligten Baufirmen. Dass man im Zeitplan blieb, sei in diesen Jahren keine Selbstverständlichkeit gewesen. Schließlich gab es bei anderen Bauprojekten Verzögerungen, weil wegen der Corona-Pandemie Lieferketten unterbrochen waren.

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