BVG will neue Züge bei der Tram testen

Bald soll der erste 50-Meter-Wagen durch die Hauptstadt rollen – eine Premiere für die Tram

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.

Bald ist es so weit. Der erste neue Zug für die Berliner Tram steht kurz vor der Fertigstellung. Mit über anderthalb Jahren Verspätung sollen noch im Sommer die Testfahrten bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) beginnen.

Die neue Tram mit ihrer Extralänge soll dann das Gleisnetz der Berliner Straßenbahn erreichen – so die Aussage des BVG-Vorstandes Rolf Erfurt in einer Meldung auf dem sozialen Netzwerk Linkedin. Am Freitag besuchte Erfurt das Herstellerwerk in Bautzen, um den fast fertiggestellten ersten Zug zusammen mit einem Team der BVG in Augenschein zu nehmen.

Damit geht eine zähe Hängepartie zu Ende. Bei der Auftragserteilung Ende 2020, damals noch beim Schienenfahrzeughersteller Bombardier, war eine Lieferung des ersten Zuges für Ende 2022 angekündigt worden. »Hauptgründe dafür sind die Spätfolgen der Corona-Pandemie sowie die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs«, ließ der Bahntechnik-Anbieter Alstom im Mai 2023 wissen. Der französische Schienenhersteller übernimmt seit Januar 2021 die Eisenbahnsparte des kanadischen Mischkonzerns Bombardier.

Mit seinen 50 Metern wird der neue Wagentyp zum bisher längsten Fahrzeug in der Geschichte des Berliner Straßenbahnnetzes. Er ist eine Weiterentwicklung des aktuellen Typs »Flexity Berlin«, der bislang den Großteil der Berliner Trams stellt. 13 Jahre nach der Lieferung des ersten Prototypen des »Flexity Berlin« stellten die Hersteller, auch hier erst Bombardier, später Alstom, Ende 2022 der BVG den letzten Wagen bereit – insgesamt 231 Fahrzeuge. Diese gibt es jeweils in einer 30 und 40 Meter langen Variante.

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Schnell sahen der Senat und BVG ein, dass die kurzen Wagen nicht ausreichen. »Wir brauchen Fahrzeuge mit viel Kapazität«, teilt BVG-Betriebsvorstand Rolf Erfurt dem »nd« mit. Entsprechend gab die BVG 17 Fahrzeuge in 50-Meter-Ausführung in Auftrag. Ursprünglich war von 35 Neuanschaffungen ausgegangen worden. Wahrscheinlich scheint nun, dass die BVG noch mehr Fahrzeuge bestellen wird.

Die 50-Meter-Trams sollen das bisher auf der Linie M4 eingesetzte Rollmaterial ersetzen, auf der derzeit noch der gekuppelte Fahrzeugtyp der ersten Berliner Niederflurbaureihe »GT6« in Betrieb ist. Nach 30 Jahren Bewegung erreichen diese Züge nun das planmäßige Ende ihrer Lebensdauer.

Der Berliner Fahrgastverband IGEB kritisiert, dass der Generationenwechsel bei den Bahnen für die M4 nicht für den Ausbau der Fahrgastkapazität genutzt wird. So hätten die bisherigen Wagons eine Kapazität von 300 Personen gehabt, bei der neuen 50-Meter-Tram steigt sie auf 310 Plätze. Demgegenüber hat der Großteil der modernisierten Haltestellen eine Länge von 60 Meter.

Die BVG sieht sich mit einem weiteren Vorwurf konfrontiert: Neben den 50-Meter-Trams bestellte sie auch drei 30-Meter-Fahrzeuge. Aufgrund der Kritik bezüglich der Kapazitäten ist es jedoch fraglich, ob kürzere Bahnen überhaupt gebaut werden. Immerhin erklärt die BVG, dass die neuen 30-Meter-Züge kuppelbar seien. In Fachkreisen gibt es allerdings von Anfang an Zweifel, ob dieser Aussage auch Taten folgen würden. Denn technisch bedeutet die Kuppelbarkeit einen erheblichen Eingriff in die Fahrzeugkonstruktion. Sollte die Lieferung der kurzen Züge ausfallen, entfällt dieser Aufwand.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die BVG auf die 30-Meter-Züge verzichten will, von denen ursprünglich bis zu 82 Stück hätten bestellt werden sollen: Sie hätten vor allem die GT6-Züge im Berliner Südosten ersetzen sollen, wofür allerdings noch Umbauten an verschiedenen Stellen des Streckennetzes nötig wären. Denn die Züge sind mit 2,40 Metern zehn Zentimeter breiter als jene, die derzeit dort in Betrieb sind. Der Umbau hinkt aber dem alten Zeitplan hinterher. Gut möglich also, dass ein Teil der derzeit noch 150 GT6-Züge länger im Einsatz bleiben wird, als ursprünglich vorgesehen.

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