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Schottlands Fußballer mit ganz neuen Qualitäten
Technisch sind die schottischen EM-Fußballer gereift. Nun wollen sie Deutschland zum Auftakt ärgern
Am Dienstag kehrte im Quartier von Deutschlands EM-Auftaktgegner Schottland in Garmisch-Partenkirchen endlich etwas Ruhe ein. Mal abgesehen vom Ständchen für Mittelfeldspieler Billy Gilmour zum 23. Geburtstag, ebbten Trubel und Folklore der ersten Tage merklich ab. Statt sich als Schuhplattler zu versuchen wie Gilmours Teamkollege John McGinn beim Empfang am Sonntag oder tags darauf öffentlich vor rund 500 Menschen zu trainieren, übte die Mannschaft von Trainer Steve Clarke am Dienstag in aller Stille vor dem imposanten, aber meist wolkenverhangenen Alpenpanorama am Fuße der Zugspitze.
Die letzten Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-Europameisterschaft am Freitag in München wollen die Schotten im kleinen Stadion des Landesligisten 1. FC Garmisch-Partenkirchen nutzen, um sich konzentriert vorzubereiten. Gastgeber Deutschland sei zwar ein schwerer Gegner, sagte Clarke, er verlieh aber seiner Hoffnung Ausdruck, »dass uns die Deutschen als ebenso schweren Gegner erleben werden«. Sein Assistent John Carver bezeichnete den Auftakt gegen die Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann als große Herausforderung, »aber die fürchten wir nicht«. Vielmehr wolle man den vielen schottischen Fans am Freitag Grund zur Freude geben. »Ich bin sicher, dass wir bereit sein werden«, sagte Carver.
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Ein bisschen zu trommeln, gehört offensichtlich auch in Schottland zum Geschäft. Doch zugleich ist ein neues Selbstvertrauen zu vernehmen, und das hat gute Gründe. Allen voran die erfolgreiche EM-Qualifikation, in der die Schotten souverän Zweiter wurden, hinter Spanien, aber klar vor den Norwegern um Superstar Erling Haaland. Seither ist die Form zwar etwas abgefallen, was wohl auch mit verletzungsbedingten Ausfällen einiger Stammkräfte zu tun hat; in dieses nicht mehr ganz so überzeugende Bild fügten sich die jüngsten Testspiele gegen Gibraltar (2:0) und Finnland (2:2). Dennoch überwiegt die Zuversicht, wie bei Sportjournalist Robert Grieve von der schottischen »Sun«: »Natürlich ist Deutschland der große Favorit, aber man weiß nie. Schottland hat 2:0 gegen Spanien gewonnen«, sagte der Nationalmannschaftsreporter in Garmisch-Partenkirchen.
Dieser Überraschungserfolg stand exemplarisch für den markanten Aufschwung der schottischen Auswahl. Ein neues Niveau hat Deutschlands Auftaktgegner erreicht, weil die Mannschaft einen Stilwechsel vollzogen hat und vom schlichten »kick and rush« der früheren Jahrzehnte abgekommen ist. Dieser neue spielerische Ansatz hat auch viel damit zu tun, dass viele Schotten mittlerweile in hochklassigen Klubs ihr Geld verdienen. »Wir haben jetzt viele Spieler, die auf einem hohen Level spielen, anders als vor 20 Jahren, als die meisten in zweitklassigen Vereinen waren«, so Grieve, der mit Blick aufs Eröffnungsspiel vor 66 000 Menschen hinzufügte: »Viele Schotten spielen in der englischen Premier League. Sie werden also in der Münchner Arena nicht in Ehrfurcht erstarren.«
Auf den Kultur- und Stilwandel, den Schottlands Nationalmannschaft durchlaufen hat, verwies auch Julian Nagelsmann. »Es ist nicht mehr die klassische schottische Mannschaft«, stellte der deutsche Bundestrainer jüngst fest, »fußballerisch sind sie sehr, sehr gut.« Im März gegen die Niederlande hätten die Schotten »keinen einzigen langen Ball über die Mittelfeldlinie gespielt«. Statt wie jahrzehntelang die Klischees von raubeinigen Kämpfern zu erfüllen, fielen die Schotten spielerisch auf. Vor einer deutlichen 0:4-Niederlage bewahrte sie der gepflegtere Stil allerdings nicht. Und zuweilen greifen sie durchaus noch auf lange Bälle zurück. Doch das ist nun nicht mehr ihr Spielprinzip, sondern nur noch ein situatives Mittel.
Zuletzt mussten die Schotten einige personelle Rückschläge verkraften. Die drei verletzten Stammkräfte Lewis Ferguson, Aaron Hickey und Nathan Patterson hatten es gar nicht erst in den EM-Kader geschafft. Angreifer Jacob Brown musste sich dann auch noch abmelden. Wegen einer Knieverletzung fällt nun auch noch Mittelstürmer Lyndon Dykes aus, der in der EM-Qualifikation in allen acht Partien zum Einsatz gekommen war und wichtige Tore erzielt hatte. Umso mehr wird es nun auf die Torjägerqualitäten von Ché Adams vom FC Southampton und Lawrence Shankland von Heart of Midlothian ankommen. Wichtige Säulen sind zudem Linksverteidiger und Kapitän Andrew Robertson vom FC Liverpool sowie Mittelfeldspieler Scott McTominay von Manchester United. Der flexible McTominay war mit sieben Toren der treffsicherste Schotte in der EM-Qualifikation.
Mit 17 Toren in 57 Länderspielen ist allerdings der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler John McGinn von Aston Villa weiterhin der erfolgreichste Torschütze in der gesamten schottischen Belegschaft. Als ungeübter Schuhplattler mit einem Trachtenhut auf dem Kopf war er beim Empfang in Garmisch-Partenkirchen nicht ganz so erfolgreich gewesen. Bei einem Erfolg gegen Deutschland am Freitag wird er es verkraften können.
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