Sächsische Brandmauern geraten unter Druck

Wahlerfolge von AfD und Freien Sachsen erschweren Mehrheitsfindung ohne Rechtsextreme

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

In Schwarzenberg wird es künftig sehr schwer, Mehrheiten zu finden, ohne mit Vertretern der extremen Rechten zu reden. Die AfD gewann bei der Wahl am Sonntag in der Stadt im Erzgebirge sechs Sitze im Rat, der örtliche Ableger der Freien Sachsen vier. Den zehn Mandaten stehen nur zwölf Sitze für Demokraten gegenüber, die indes aus sechs Parteien und Vereinigungen kommen. »Da darf keiner fehlen, und es müssen alle an einem Strang ziehen«, sagt Ex-Stadträtin Lydia Schönberg. »Das wird nicht einfach.«

Auch anderswo gestaltet sich die Mehrheitsfindung künftig schwieriger, wenn Abstand zu Nazis gehalten werden soll. In Heidenau kamen AfD und Freie Sachsen zusammen auf knapp 40 Prozent. Im Kreistag Görlitz errang die AfD mit einem Stimmanteil von 36,1 Prozent allein 31 der 86 Sitze. Im Kreistag Bautzen stellt sie 32 der 92 Abgeordneten. Die Freien Sachsen, die viele Positionen der AfD teilen, stellen in Görlitz zwei und in Bautzen drei Mitglieder des Kreistags. Insgesamt haben sie landesweit nach eigenen Angaben 100 kommunale Mandate errungen, sind in allen Kreistagen vertreten und haben örtlich zweistellige Ergebnisse erzielt. Eine ernsthafte Konkurrenz für die AfD sind sie aber nicht.

Dennoch verleihen sie wie die starken Zuwächse für die AfD dem extrem rechten Lager mehr Gewicht in den Lokalparlamenten. Das lässt die Debatte über eine »Brandmauer« wieder aufflammen. Mit dem Begriff wird beschrieben, dass es keine politische Zusammenarbeit demokratischer Kräfte mit der AfD geben soll. Deren Landeschef Jörg Urban drängt indes auf einen Kurswechsel. Er hoffe, dass Vertreter vor allem der CDU darüber nachdenken, »ob eine Brandmauer noch sinnvoll ist«. Man könne »die Partei mit den meisten Wählerstimmen nicht auf Dauer ignorieren«.

Zumindest auf Landesebene halten die Christdemokraten dem Buhlen stand. Ihr Generalsekretär Alexander Dierks betonte, man habe »klare inhaltliche Gründe, warum es keine Zusammenarbeit mit dieser Partei geben kann«. Bundeschef Friedrich Merz hatte einst gar mit Parteiausschluss gedroht, sollte »irgendjemand von uns die Hand heben, um mit der AfD zusammenzuarbeiten«. Später hatte er zwar relativiert, Kommunalpolitik sei »etwas anderes als Landes- und Bundespolitik«. Nach Kritik stellte er aber klar, es werde »auch auf kommunaler Ebene keine Zusammenarbeit« mit der AfD geben. Dierks sagte jetzt, man »erwarte« von örtlichen Fraktionen, dass diese zu wesentlichen Themen eigene Anträge einbringen.

Allerdings wurde diese Linie schon bisher nicht überall mitgetragen. Udo Witschas, CDU-Kreischef und Landrat in Bautzen, bezeichnete die Brandmauer als »Tod der Demokratie, denn sie negiert den Volkswillen«. Der bisherige CDU-Fraktionschef im Kreistag Bautzen, Matthias Grahl, bezeichnete die Ausgrenzung der AfD als »Kindergarten«. Bautzen sorgte 2022 bundesweit für Aufsehen, als die CDU im Kreistag einem Antrag der AfD zur Mehrheit verhalf, der vorsah, dass ausreisepflichtige Flüchtlinge bestimmte Integrationsleistungen nicht mehr beziehen dürfen. Auch Witschas stimmte zu. Nach der Wahl vom Sonntag erklärte er, er sei zur Zusammenarbeit mit allen Parteien verpflichtet, die demokratisch gewählt seien, einschließlich AfD und Freie Sachsen.

Auch eine andere, in den Kommunen einflussreiche Kraft lehnt eine Brandmauer ab. Die Freien Wähler hielten den entsprechenden Kurs für »katastrophal gescheitert«, sagte ihr Landeschef Thomas Weidinger mit Blick auf den Wahlerfolg der AfD. Diese sei »hinter der Brandmauer stärker geworden«. Für seine eigene Partei, die sich Hoffnung auf einen Einzug in den Landtag bei der Wahl am 1. September macht, betonte er zwar, man grenze sich von extremistischen Positionen ab: »Aber Abgrenzung heißt nicht Ausgrenzung.« Man werde keine strategischen Bündnisse eingehen, aber »miteinander reden«. Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz, Fraktionschef der Freien Wähler im Kreistag Bautzen, sieht diese als »verlässlichen Partner« für andere Parteien einschließlich der AfD.

Dagegen warnt Anne Mehrer vom Kulturbüro Sachsen nachdrücklich davor, die Brandmauer zu schleifen. Ziel der AfD sei es, durch eine Kooperation anderer Parteien mit ihr auf kommunaler Ebene eine Normalisierung der eigenen demokratiefeindlichen Positionen zu bewirken: »In diese Falle dürfen wir nicht tappen, nur weil die Zahlen der extremen Rechten steigen«, sagte sie dem »nd«. Auch das häufig angeführte Argument, in den Kommunen gehe es vordergründig um Sachpolitik und nicht um Ideologie, wies sie zurück: »Auch die Frage, welche Feste wir feiern oder woran wie im Dorf erinnern, wurzelt ja in einer bestimmten Weltanschauung.«

Mehrer räumt allerdings ein, dass die schmaler gewordenen demokratischen Mehrheiten den betroffenen Kommunalvertretern noch mehr Disziplin abverlangt. Sie müssten nun umso mehr »auch von den demokratisch gesinnten Einwohnern und Einwohnerinnen und den Parteiverbänden gestärkt und unterstützt« werden. Ein CDU-Politiker aus dem Harz hatte kürzlich formuliert, für viele Landräte und Bürgermeister seiner Partei gebe es künftig »nur noch zwei Wege zu Mehrheiten: einen mühsamen und einen falschen«.

Mancherorts in Sachsen gibt es freilich auch den nicht mehr. In Bautzen kam die AfD bei der Wahl des Stadtrats auf 25,8 Prozent. Das Bündnis Bürger für Bautzen (BBBz), dessen Kopf der Bauunternehmer Jörg Drews ist und zu dessen Wahl die Freien Sachsen aufriefen, kam auf 20,1 Prozent. Eine Gruppierung der Freien Wähler, deren Chef die FDP verließ, weil sie teils »grüner als die Grünen« sei und sich nur für »Minderheiten und Exoten« einsetze, erzielte 5,7 Prozent. Bei einer solchen rechten Mehrheit erübrigt sich die Brandmauer.

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