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Türkische Nationalisten bei EM auf Nachwuchssuche
Die türkischen Rechtsextremisten der Grauen Wölfe nutzen die Europameisterschaft in Deutschland als eigene Bühne
Im Juli 2023 sorgte ein Foto des ehemaligen deutschen Nationalspielers Mesut Özil für Aufregung. Er lächelte und gab den Blick auf eine Tätowierung frei: drei Halbmonde und ein heulender Wolf auf seiner Brust, ein Symbol der ultranationalistischen türkischen Bewegung Graue Wölfe. Mit 18 000 Mitgliedern gilt sie als größte rechtsextreme Bewegung in Deutschland.
Bei der Fußball-Europameisterschaft bestritt das türkische Team am Dienstag in Dortmund gegen Georgien (3:1) ihr erstes Spiel. Im Ruhrgebiet sind die Grauen Wölfe gut vernetzt, und so waren rund ums Stadion viele ihrer Symbole zu sehen: auf T-Shirts und Flaggen. Etliche Fans erhoben zudem die Hände zum »Wolfsgruß«. An diesem Samstag spielt die Türkei abermals in Dortmund, dieses Mal gegen Portugal. Und Pädagoge Burak Yilmaz befürchtet: »Die Grauen Wölfe könnten im Stadionumfeld auf Jugendliche zugehen.«
In seiner Heimat Duisburg war Yilmaz lange Schiedsrichter. Bei Jugendspielen sah er Trikots und Banner der Wölfe. Zudem hörte er völkische Marschlieder, die die türkische Nation über alle anderen stellen. »Trainer und Eltern stachelten die jungen Spieler auf und sprachen von Türkentum – als ginge es um eine Schlacht«, berichtet er. Schon hier wurde der Fußball als politische Bühne missbraucht.
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Die Grauen Wölfe haben ihren Ursprung in der Türkei der 60er Jahre. Sie propagieren eine historische, ethnische und moralische Überlegenheit der Turkvölker. Tausende Auswanderer brachten die Ideologie dann nach Westeuropa. Auch nach Deutschland.
Seit den 70er Jahren bemühten sich diverse türkische Arbeiter um Einlass in Fußballvereine, doch die Regionalverbände lehnten sie oft ab. Integrationskonzepte? Gab es damals kaum. Also gründeten die Migranten eigene Klubs. Dem Vorwurf sich abzuschotten begegneten sie mit dem Hinweis, dass ihre Vereine nur eine Reaktion auf den Rassismus der Deutschen seien.
Die Grauen Wölfe machten sich diese Spannungen zunutze und engagierten sich im Fußball als Betreuer, Trainer, Sponsoren. In der Freizeitstimmung der Vereine erreichen sie türkischstämmige Kinder, Jugendliche und deren Eltern. Viele Familien leben seit Jahrzehnten in Deutschland, beziehen ihre Nachrichten aber weiterhin aus türkischen Medien. An diese politische Orientierungslosigkeit können die Wölfe anknüpfen, erläutert Politikwissenschaftler Mahir Tokatli, der an der RWTH Aachen forscht. Den Ausgrenzungserfahrungen wird eine Alternative entgegengesetzt: türkischer Nationalismus.
Der Sozialpädagoge Mehmet Tanli spürt als Alevit, wie die Ultranationalisten ihre Wut an türkischstämmigen Menschen auslassen, die das Türkentum nicht unterstützen. So wurden 2016 nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei auch in deutschen Städten kurdische Einrichtungen attackiert. Tanli sagt: »Die deutschen Behörden haben die Grauen Wölfe lange nicht ernst genommen.«
Mittlerweile verortet der Verfassungsschutz Fußballvereine in ihrem Spektrum, etwa wenn sie Nationalismus schon im Namen tragen wie bei »Turanspor«. Turan gilt als Synonym für ein großtürkisches Reich. Andere nutzen die alttürkische Schrift oder Symbole der osmanischen Kultur, darunter die Zahl »1453«. In jenem Jahr wurde das christliche Konstantinopel von den Osmanen erobert. Burak Yilmaz plädiert für ein Verbot der Grauen Wölfe wie in Frankreich. Juristisch ist das schwierig, da sie keine Partei mit festen Mitgliedern sind, sondern eine verzweigte Bewegung.
Nichtsdestotrotz wirkt Mesut Özil für sie wie eine Werbefigur. Jahrelang hatte der Weltmeister von 2014 als Hoffnungsträger einer multikulturellen deutschen Gesellschaft gegolten, doch nach einem Foto 2018 mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan war er bei vielen deutschen Amateurkickern unten durch. Ein Fußballer, der alles für Deutschland gibt und trotzdem von der Mehrheit abgelehnt wird? In dieser Biografie finden sich viele türkischstämmige Jugendliche wieder. Die Wölfe greifen diesen Frust auf und lenken den Blick in Richtung Türkei.
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