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Europa tanzt: Rumänien feiert seine neuen Fußball-Helden
»United by Football« – nach der Niederlage gegen Belgien wird das Motto der EM in Köln mit Leben gefüllt
Eine Klarinette, ein Saxophon und eine mobile Soundanlage, mehr braucht es nicht, um das Motto dieser Europameisterschaft mit Leben zu füllen. »United by Football« – am Kölner Domplatz strahlt der Slogan von einer riesigen Videowand. Samstagnacht sangen und tanzten dort Hunderte Menschen, zwei rumänische Musiker hatten sie allesamt vereint. Die Trikots und Fahnen 14 europäischer Nationen waren in der Masse auszumachen. Blau-Gelb-Rot aber waren die Farben dieser Nacht: Rumänien feierte seine neuen Fußball-Helden.
Der Schlussjubel im Kölner Stadion gehörte dem Gegner. Mit einem letztlich verdienten 2:0 gegen die »Tricolorii« rehabilitierte sich das belgische Team für die unerwartete Auftaktniederlage gegen die Slowakei. Der rumänische Moment der Enttäuschung nach dem Abpfiff aber währte nur kurz – dann schallte wieder das leidenschaftliche »România« durch die Arena, auf deren Tribünen nur Gelb und Rot zu sehen war. Ein Stadion, in dem fast ausschließlich Zuschauer in den Farben der jeweiligen Nationalteams sitzen, gab es bei dieser EM bislang noch nicht. Und weil zwei Drittel der 43 000 Sitze im Gelb der rumänischen Spielkleidung leuchteten, wurden die Verlierer wie Sieger verabschiedet.
Erster Sieg seit 24 Jahren
»Ich spüre die Freude und Hoffnung aller Rumänen«, hatte Nationaltrainer Edward Iordanescu vor dem Anpfiff gesagt. Die Euphorie nach dem 3:0 im Auftaktspiel gegen die Ukraine war in Köln wirklich überall zu erleben. Es war ja auch der erste Sieg bei einem großen Turnier nach 24 Jahren. Bei einer WM war Rumänien seit 1998 nicht mehr dabei; gelang mal die Qualifikation für eine EM, dann endete diese enttäuschend in der Vorrunde.
Die große Zeit des rumänischen Fußballs ist zwar lange her, aber immer noch präsent. Laut hallte der Name »Hagi« mehrmals durchs Kölner Stadion. Vor jedem Spiel wird bei dieser EM eine Botschaft ehemaliger Fußballgrößen an Fans und Team ihres Landes über die Videowände des Stadions eingespielt. Am Samstagabend übermittelte Gheorghe Hagi die besten Wünsche, zu verstehen waren sie im Lärm der Fans nicht. Die lebende Legende überstrahlt noch immer alles: Der heute 59-Jährige lief 125 Mal im Nationatrikot auf, spielte für Real Madrid und den FC Barcelona und wurde danach in Rumänien dreimal zum Trainer des Jahres gewählt.
Neues Idol
Hagis Sohn Ianis sitzt gegen Belgien zunächst nur auf der Bank. Er galt zusammen mit George Pușcaș als Anführer einer neuen goldenen Fußball-Generation. 2019 schafften sie es bei der U21-EM bis ins Halbfinale. Es blieb beim großen Versprechen. Auch Pușcaș sitzt am Samstag nur auf der Bank. Neben mir sitzt ein rumänischer Kollege, der voller Leidenschaft zum Anpfiff nochmal beide Daumen drückt, ganz fest. Während der Partie springt er mehrmals von seinem Sitz. Radu Drăgușin sei das neue Idol der Fans, erzählt er mir. Klar, der 22-jährige Verteidiger spielt als einziger für einen europäischen Topklub, in England bei Tottenham Hotspur. Sehr beliebt sei auch noch der 31-jährige Kapitän Nicolae Stanciu, erfahre ich.
Der Aufschwung der Nationalmannschaft begann im Januar 2022 – mit der Verpflichtung von Nationaltrainer Iordanescu. Er baute das Team ohne Rücksicht auf große Namen wie Hagi um, und so haben nur wenige seiner Fußballer mehr Länderspiele absolviert als ihr Coach. Wie stark das Gefüge ist, beweist sich auch am Samstagabend. Nach zwei Minuten geht der große Favorit durch Youri Tielemans in Führung. Nur zwei Minuten später verpasst Drăgușin den Ausgleich knapp, seinen Kopfball kann Belgiens Torwart Koen Casteels nur mit Mühe abwehren.
Neue Helden
Neue rumänische Fußball-Helden sind beispielsweise Valentin Mihaila und Dennis Man vom italienischen Zweitligameister Parma. Kurz nach Wiederanpfiff läuft Mihaila allein auf Casteels zu, 20 Minuten später taucht Man freistehend vor dem belgischen Keeper auf. Beide Male wird es nichts mit einem Treffer, etwas zu zögerlich ist der Abschluss. Die beiden Offensivspieler bringen die belgische Abwehr an diesem Abend mehrmals in Verlegenheit. Das rumänische Team ließ sich weder vom schnellen Rückstand, noch durch die druckvolle erste Halbzeit des Weltranglistendritten Belgien nachhaltig beeindrucken. Stolz sagte Trainer Iordanescu später: »Wir haben nie aufgegeben, in der zweiten Halbzeit waren wir besser.« Daran änderte auch der zweite Gegentreffer zehn Minuten vor dem Ende durch Kevin de Bruyne nichts.
Es gibt also keinen Grund, weniger optimistisch ins letzte Vorrundenspiel gegen die Slowakei zu gehen. Zumal die Rumänen die Gruppe E mit als Spitzenreiter anführen. Und das kann bei der spannendsten und bei einer EM bisher einzigartigen Konstellation, dass auch Belgien, die Slowakei und die Ukraine drei Punkte auf dem Konto haben, noch hilfreich werden. Mit Sicherheit helfen wird am kommenden Mittwoch wieder die Unterstützung der Fans, wenn dann Blau-Gelb-Rot die Farben des Tages in Frankfurt sind.
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