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Widerstand gegen AfD: »Wir brauchen kollektives Prepping«
Autor und Aktivist Arne Semsrott zu Widerstandsformen gegen eine mögliche AfD-Regierung
Sie nehmen für Ihr Buch »Machtübernahme« das fiktive Szenario einer AfD-Regierungsbeteiligung als Ausgangspunkt, um über Widerstandsmöglichkeiten nachzudenken. Warum?
Ich gehe davon aus, dass solch eine Regierungsbeteiligung der AfD früher oder später kommen wird. Schon 2019 veröffentlichten CDU-Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt eine »Denkschrift«, in der sie forderten, das »Soziale mit dem Nationalen« zu »versöhnen«. Es gibt auf kommunaler Ebene teils enge Zusammenarbeit mit der AfD, in Landtagen gemeinsame Abstimmungen. Sollte es etwa bei einer Landtagswahl zu einer Situation kommen, in der es schwer wird, demokratische Koalitionen zu bilden, könnte die CDU mit Verweis auf ihre »staatspolitische Verantwortung« eine Koalition mit der AfD eingehen. Wenn das letztlich doch nicht passiert, ist das umso besser – die Planung des Widerstandes hilft aber in jedem Fall. So können bereits jetzt demokratische Strukturen und Kräfte in der Gesellschaft gestärkt werden.
Arne Semsrott ist Politikwissenschaftler und Aktivist. Er arbeitet als Projektleiter beim Recherche- und Transparenzportal »Frag den Staat«, mit dem er unter anderem für die Veröffentlichung der »NSU-Akten« sorgte. Zudem gründete er die Initiative Freiheitsfonds, die Personen unterstützt, die wegen Schwarzfahrens eine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen. Soeben erschien sein Buch »Machtübernahme. Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren. Eine Anleitung zum Widerstand« im Droemer-Knaur-Verlag, 22 Euro.
Für die gesellschaftlichen Bereiche Medien, Justiz, Gewerkschaften, Beamtentum, Zivilgesellschaft und Unternehmen zeigen Sie in Ihrem Buch jeweils mögliche Widerstandsformen auf. Was wäre besonders effektiv, um eine AfD-Politik zu verhindern?
Vorbereitung ist essentiell. Die vorderste Linie des Widerstands wären dann – so seltsam es klingt – die Beamt*innen. Sie würden sich im besten Fall unter einer AfD-Regierung weigern, entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Dazu haben sie vielfältige Mittel: Bummelstreik, Remonstrationen, also formelle Einwände gegen Weisungen von Vorgesetzten, Krankschreibungen und Whistleblowing, das Veröffentlichen von geschützten Informationen. Auf die Beamt*innen allein sollten wir uns aber nicht verlassen. Gewerkschaften etwa haben ebenfalls viel Macht. Sie müssten sich für eine widerständige Rolle aber zum politischen Streik trauen – und auch ein Generalstreik sollte enttabuisiert werden. Und natürlich hängt vieles an der Zivilgesellschaft: Unzählige Initiativen machen schon jetzt das Richtige, aber sie erhalten kaum Rückhalt. Es ist wichtig, dass sie vom Staat finanziell unterstützt werden, gleichzeitig braucht es unabhängige Finanzierungsalternativen.
Sie haben linke Organisationen nicht explizit im Buch erwähnt. Welche Aufgaben würden Sie für diese in einem solchen Szenario sehen?
Viele linke Organisationen vernetzen sich lokal, schaffen alternative Räume und bieten der Öffentlichkeit sichtbare Alternativen zur etablierten und auch rechten Politik. Das ist wahnsinnig wichtig und auch keineswegs neu. Aber Rechtsruck bleibt Rechtsruck – und linke Organisationen sind nicht nur durch die AfD in der Defensive. Mir erscheint es derzeit am wichtigsten, sich gegenseitig Mut zuzusprechen und kompromisslos weiter für Menschenrechte und Solidarität einzustehen. Dazu gehört auch, groß zu denken: Es ist zentral, dass Linke anschlussfähige Visionen einer gerechten Welt formulieren und damit das derzeitige »Visionsmonopol« der AfD brechen können.
Es scheint für viele Menschen derzeit leichter, sich das Ende der Welt als eine gerechte Welt vorzustellen. In Ihrem Buch stellen Sie das Konzept eines »Prepping for Future« vor. Was ist damit gemeint?
Prepping ist die Vorbereitung auf einen Systemsturz. Das ist grundsätzlich sinnvoll, schließlich befinden wir uns nicht nur in einer Demokratiekrise, sondern in multiplen Krisen. Aber gängige Formen des Prepping sind egoistisch oder rechts motiviert und damit kein Vorbild. Wir brauchen stattdessen ein kollektives Prepping als Selbstermächtigung der Zivilgesellschaft, bei dem wir nicht nur Vorräte an Lebensmitteln und Medikamenten sammeln, sondern Vorräte an Liebe und Verbindungen. Die »Initiative 19. Februar« in Hanau zeigt, wie das geht: Um ein gemeinsames Bedürfnis herum – hier Trauerarbeit und gegenseitiger Rückhalt – formiert sich eine lokale Gruppe. Sie sammelt gemeinsam Stärke und Widerstandskraft. Das macht sie, um in die Gesellschaft hineinzuwirken, um für Aufklärung und Selbstermächtigung zu kämpfen.
Die Angehörigen der Opfer des Hanau-Anschlags kritisierten wiederholt, dass die Behörden die Aufklärungsarbeit blockiert haben. Was droht bei einer AfD-Regierung in den Bereichen staatliche Transparenz, Datenschutz und Informationsfreiheit?
Wenn die AfD an die Macht kommt, ist es mit der staatlichen Transparenz ganz vorbei. Umso wichtiger ist es, jetzt für eine stärkere Demokratie zu sorgen. Das bedeutet mehr Transparenz von Behörden, stärkerer Datenschutz und mehr öffentliche Kontrolle von Regierungen und Verwaltungen. Gleichzeitig lohnt sich auch hier, mögliche Veränderungen zum Schlechten vorauszusehen und sich darauf vorzubereiten: Es wäre beispielsweise sinnvoll, bessere Systeme für Whistleblowing zu etablieren. Das bedeutet, sich mit den Möglichkeiten auseinanderzusetzen, wie Menschen aus Parteien, der Verwaltung und Unternehmen sensible Informationen an Medien und Nichtregierungsorganisationen durchstechen können, ohne selbst Nachteile dafür zu erfahren.
Sie rufen dazu auf, bereits jetzt Widerstand gegen die AfD zu leisten und für eine solidarische Gesellschaft zu streiten. Was ist der beste Weg?
Angesichts der politischen Zustände finde ich es absolut nachvollziehbar, sich ohnmächtig zu fühlen und zu verzweifeln. Wir müssen die schlimme Situation anerkennen. Aber diese Anerkennung kann dann eine gemeinsame Trauerarbeit entstehen lassen, die Kraft und Rückhalt gibt. Wir sehen dadurch, wie vielen anderen Menschen es auch so geht. Darüber hinaus gibt es als Antwort auf den Rechtsruck oft den Impuls, sich neue kreative Initiativen auszudenken. Tatsächlich gibt es die an vielen Orten aber schon – wir sollten daher vor allem auch den bestehenden Projekten den Rücken stärken. Das Netzwerk Polylux beispielsweise unterstützt kleine Initiativen im ländlichen Raum Ostdeutschlands. Dafür braucht es Zuspruch, tatkräftige Mithilfe, aber vor allem eben auch: Geld. Von jedem verkauften Buch spende ich einen Euro an das Projekt.
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