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Italien oder Frankreich: Tadej Pogačar siegt überall

Ein dominierender Auftritt in den Alpen macht das Double aus Giro und Tour für den Slowenen immer wahrscheinlicher

  • Tom Mustroph, Valloire
  • Lesedauer: 4 Min.
Tadej Pogačar baute seinen Vorsprung in der Abfahrt vom Galibier nach Valloire noch aus.
Tadej Pogačar baute seinen Vorsprung in der Abfahrt vom Galibier nach Valloire noch aus.

Dänemarks Fußballer sind bei der EM ausgeschieden. Ein anderer Däne erlitt nun auch bei der Tour de France einen Rückschlag. Als ein »1:0 für Pogačar« klassifizierte Jonas Vingegaard den Ausgang der ersten Bergetappe über den Col du Galibier am Dienstag. Tadej Pogačar war ihm inmitten der durch Restschnee weiß gefleckten Hänge der Alpen enteilt und hatte eine halbe Minute auf alle Konkurrenten herausgefahren. »Das 1:0 geht in Ordnung. Es hätte auch ein 3:0 sein können. Und das hätte ich auch akzeptiert«, gab der Däne, der in seiner Kindheit auch Fußball gespielt hatte, weiter im Kicker-Slang zum Besten. Tatsächlich war Pogačar wieder einmal eindeutig der Beste im freien Gelände.

Dass sein Vorsprung letztlich nur 37 Sekunden auf Vingegaard – und 35 auf die anderen Favoriten Remco Evenepoel und Primož Roglič – betrug, hatte vor allem mit dem starken Gegenwind auf der Etappe zu tun. Der allein hielt Pogačar in Schach. »Ich konnte nicht früher ausreißen. Es hätte keinen Sinn ergeben, denn der Wind war zu stark«, sagte der Slowene. Je stärker der Gegenwind, desto mehr Kraft muss ein Angreifer im Radsport aufwenden, um eine Lücke zu den Konkurrenten zu reißen, die sich in der Führungsarbeit abwechseln können.

Tom auf Tour

Tom Mustroph, Radsportautor und Dopingexperte, begleitet diesen Sport weltweit seit mehr als 20 Jahren für »nd«.

So musste Pogačar, der im selben Jahr die Italien-Rundfahrt und die in Frankreich gewinnen will, lange warten. Doch es war kein Zaudern, sondern ein Lauern. Als er kurz vor der Passhöhe befürchten musste, seinen Angriffsplan aufgrund des Wetters gar nicht umsetzen zu können, trat er schließlich an und riss schnell eine Lücke. Roglič und Evenepoel fielen sofort zurück. Vingegaard konnte noch am längsten Pogačars Hinterrad halten. Die Szenen der 2. Etappe schienen sich zu wiederholen. Damals konnte nur Vingegaard dem ersten Angriff des Slowenen folgen. Auf den letzten Metern hinauf zum Galibier ließ diesmal aber auch der Däne nach.

Pogačar, Tour-Sieger 2020 und 2021, ging mit etwas Vorsprung in die Abfahrt zum Zielort Valloire. Vingegaard, Gewinner in den beiden Jahren danach, verlor bergab weitere Sekunden. »Ich trainiere oft hier. Diese Streckenkenntnis hat mir bei der Abfahrt geholfen. Es war wie ein Heimspiel«, sagte Pogačar, der sich am Abend restlos zufrieden zeigte: »Ich wollte heute hart zuschlagen. Und ich denke, das ist mir geglückt.«

Die Tour de France hat er damit noch lange nicht gewonnen. »Am Ende entscheiden Minuten, nicht Sekunden«, befand Landsmann Primož Roglič. Das Tableau – Roglič liegt 1:14 Minuten zurück, Vingegaard 50 Sekunden, Evenepoel 45 – spiegelt aber die Kräfteverhältnisse perfekt wider. Pogačar ist aktuell eine Klasse für sich. Er hat auch die stärksten Helfer, die ihn zur neuen Rekordzeit von 20:48 Minuten fast ganz hinauf auf den Galibier »zogen«: Juan Ayuso und Joao Almeida gehören nun sogar selbst zu den besten Zehn in der Gesamtwertung.

Unter den anderen Favoriten muss Vingegaard nach den bisher gezeigten Leistungen noch etwas besser als Evenepoel und Roglič eingeordnet werden. Doch auch er befindet sich eben nicht mehr auf dem Level Pogačars. Ob dies an den Spätfolgen seines Sturzes bei der Baskenland-Rundfahrt liegt oder der Slowene dank seines speziellen Double-Trainings für die Belastungen zweier großer Rundfahrten noch mal besser geworden ist, werden erst die kommenden zwei Wochen zeigen.

Vingegaard ist erst mal froh, dass es nicht schlimmer gekommen ist. »Ich habe mit einem Rückstand von zwei Minuten in der ersten Woche gerechnet«, sagte er und hofft, bis zum Ende der Tour noch besser in Form zu kommen. Das allerdings wäre ungewöhnlich. Die Zeit für den Wiederaufbau seines verletzten Körpers sollte eher nicht ausgereicht haben, um die Basis für eine dreiwöchige Höchstbelastung zu legen. »Wenn Vingegaard diese Tour gewinnt, verstehe ich meinen Sport nicht mehr«, lehnte sich angesichts dieser Umstände auch der fünffache Toursieger Bernard Hinault weit aus dem Fenster.

Nach ein paar Flachetappen bietet das Zeitfahren am Freitag Vingegaard, Evenepoel und Roglič die erste Gelegenheit zum Ausgleich. Der Mann in Gelb könnte da aber auch auf 2:0 erhöhen.

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