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Der Fluch des Rohstoffreichtums
Warum Bodenschätze einer demokratischen Entwicklung im Wege stehen können
Was ist dran am Phänomen des »Ressourcenfluchs«? Die wirtschaftswissenschaftliche These, dass ressourcenreiche Staaten langsamer wachsen als rohstoffarme, beschäftigt selbst die staatliche Förderbank KfW, denn dies könnte für die deutsche Entwicklungspolitik relevant sein. Empirisch bildet sich laut KfW ein gemischtes Bild. Es brauche eine Evaluierung am Einzelfall.
Rohstoffreichtum erhöht auch die Gefahr, dass es zu einem Bürgerkrieg kommt.
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Dabei ist das Thema altbekannt: »Es wird allgemein beobachtet, dass in den Ländern mit dem größten Überfluss das ärmste Leben herrscht«, hieß es in der englischen Publikation »The Spectator« bereits 1711. Mehr als 200 Jahre später kam der ehemalige Ölminister von Venezuela, Juan Pablo Pérez Alfonzo, zu einer ähnlichen Einsicht: »In zehn oder zwanzig Jahren werden Sie sehen, dass das Öl uns ins Verderben stürzen wird. Es ist der Kot des Teufels.« Obwohl der negative Zusammenhang zwischen Rohstoffreichtum und geringer wirtschaftlicher Entwicklung schon sehr lange bekannt war, bekam das scheinbar paradoxe Phänomen erst 1993 einen Namen: Damals prägte der Wirtschaftsgeograf Richard Auty von der britischen Universität Lancaster den noch heute gängigen Begriff »Ressourcenfluch«.
Doch Rohstoffe müssen kein wirtschaftlicher Nachteil sein. Die Industrialisierung begann zuerst in Ländern, in denen Kohle und Eisenerz in großen Mengen vorhanden waren, wie Großbritannien und Deutschland. Heute zeigt Norwegen, dass selbst Öl und Gas ein Segen sein können. Der Ölfonds des skandinavischen Landes, seines Zeichens größter Staatsfonds der Welt, verfügt über 1620 Milliarden Dollar oder 300 000 Dollar pro Norweger. Und auch Länder wie Kanada und Australien scheinen nicht unter ihren vielen Rohstoffen zu leiden. Oder vielleicht doch?
Das Beispiel der Niederlande legt nahe, dass diese beiden Länder möglicherweise wohlhabender wären, wenn sie keine Bodenschätze hätten. 1959 wurde in der nördlichsten Provinz des Landes, Groningen, ein riesiges Gasfeld entdeckt. Seine Erschließung hatte jedoch einen unerwarteten Nebeneffekt: die partielle Deindustrialisierung der Niederlande, sodass die britische Zeitung »The Economist« im Jahr 1977 von der »holländischen Krankheit« sprach.
Diese Krankheit ist den Wechselkursen geschuldet: Dank der Gasexporte wurde der Gulden aufgewertet, und alle Nicht-Gasexporte der Niederlande verloren so an Konkurrenzfähigkeit. Norwegen, wo erst in den 1970er Jahren Öl gefunden wurde, vermied das, indem es den größten Teil der Einnahmen gar nicht erst ins Land ließ, sondern in Fremdwährungen in seinem Staatsfonds parkt. Damit macht sich das Land auch unabhängiger von den starken Schwankungen des Ölpreises – ein weiterer Grund für den Ressourcenfluch.
Viele Länder mit Rohstoffen wollen ihre Bewohner an diesem Reichtum beteiligen und legen in Zeiten hoher Preise Sozialprogramme auf, um diese bei niedrigen Preisen dann wieder einzudampfen, wie eine aktuelle Studie der Weltbank zeigt. Durch dieses prozyklische Verhalten werden die normalen Konjunkturschwankungen verstärkt, was der Wirtschaft auf Dauer schadet. Die Finanzinstitution schreibt: »Die Volatilität der Fiskalpolitik fungiert als Übertragungskanal für den ›Ressourcenfluch‹.«
Ein weiterer solcher »Übertragungskanal« ist das Verhältnis zwischen den Regierungen und ihren Bürgern. In rohstoffarmen Volkswirtschaften wie Deutschland oder Südkorea finanziert sich der Staat über Steuern. Das führt zumindest in der Theorie dazu, dass Bürger darauf achten, dass ihr Geld allen zugutekommt, was wiederum einer diversifizierten Wirtschaft Vorschub leistet. Da rohstoffarme Länder ihre Bürger und damit ihre Steuerzahler bei Laune halten müssen, sind sie zudem tendenziell demokratischer.
Anders in rohstoffreichen Ländern, wie der unabhängige US-Thinktank Natural Resource Governance Institute (NRGI) in einer Analyse schreibt: »Wenn Länder hohe Einnahmen aus natürlichen Ressourcen erzielen, sind sie weniger darauf angewiesen, von den Bürgern Steuern zu erheben, und Politiker sind weniger direkt an die Wünsche der Bürger gebunden.«
Rohstoffreichtum erhöht auch die Gefahr, dass es zu einem Bürgerkrieg kommt. Wenn ein Land nur sehr wenige Einkommensquellen hat, entwickeln verschiedene Bevölkerungsgruppen eher eine Alles-oder-nichts-Mentalität: Wer die wenigen Quellen kontrolliert, hat alles, und die anderen haben nichts. In den letzten 30 Jahren war »die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs in ölproduzierenden Ländern doppelt so hoch wie die in nicht ölproduzierenden Ländern«, schreibt NRGI. Das trifft etwa auf die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, den Irak, Libyen und Angola zu.
Ölreichtum könnte auch zu mehr Kriegen zwischen Staaten führen. Das Paradebeispiel einer »Petro-Aggression« ist der Irak, der erst den Iran und dann Kuwait überfiel. Umgekehrt wird auch die US-Invasion in den Irak mit Ölinteressen in Zusammenhang gebracht. Selbst Russlands Überfall auf die Ukraine passt in dieses Schema. Wegen der geringen Fallzahl ist ein Zusammenhang von Ölreichtum und der Neigung zu Angriffskriegen aber nicht gesichert.
Auch die Biologie liefert einen Hinweis darauf, dass die Hypothese stimmen könnte: Wenn in einer Bakterienkultur viele Nährstoffe vorhanden sind, werden verschiedene Bakterienarten aggressiv. In einem nährstoffarmen Umfeld tendieren sie eher zu symbiotischem Verhalten. Was bei Bakterien ein schicksalhafter Automatismus zwischen Ressourcenreichtum und aggressivem Verhalten sein könnte, sollte sich in menschlichen Gesellschaften vermeiden lassen. Auch dafür gibt es Beispiele: Botswana (Diamanten), Malaysia (Öl) und Chile (Kupfer) haben gezeigt, dass sich Rohstoffreichtum zur wirtschaftlichen Entwicklung durchaus nutzen lässt.
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