EU-Erweiterung: Neue Wege im Beitrittsprozess wagen

Ende Juni wurden die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und Moldau eröffnet. Nachholbedarf gibt es auf allen Seiten

  • Helmut Scholz
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Ukraine und Moldau – EU-Erweiterung: Neue Wege im Beitrittsprozess wagen

Es war praktisch die letzte Amtshandlung der belgischen EU-Ratspräsidentschaft, bevor der »Staffelstab« Anfang Juli an Budapest weitergegeben wurde: Am 25. Juni wurden die Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit der Ukraine und Moldau offiziell eröffnet. Bereits im vergangenen Dezember hatten die EU-Staats- und Regierungsspitzen ihrem künftigen Beitritt und der Intensivierung der Beitrittsverhandlungen mit den Westbalkan-Staaten grünes Licht gegeben.

Zuvor hatte die EU-Kommission beiden Staaten »Anstrengungen« bei der Erfüllung der sogenannten Kopenhagener Kriterien bescheinigt. Dazu gehören staatliche und wirtschaftliche Stabilität, Bereitschaft zur Übernahme der Regeln und Werte der EU, Demokratie und Einhaltung von Grundrechten. Gerade in der Ukraine gab es bei allen Punkten bereits vor dem russischen Überfall große Mängel. Auch die belgische Außenministerin Hadja Lahbib hatte deshalb zum Auftakt der Beitrittsgespräche erneut bekräftigt: Die EU erwarte von der Ukraine, dass sie die Glaubwürdigkeit ihrer Zusagen und ihres politischen Willens durch die Umsetzung notwendiger Reformen zeige.

Helmut Scholz

Helmut Scholz ist Europaabgeordneter der Linken. Heute scheidet er nach 15 Jahren aus dem EU-Parlament aus.

Und bis zur Stunde warten die Menschen in der Ukraine auf echte Fortschritte bei der Überwindung der oligarchischen Strukturen des Landes. Dabei stand diese Forderung doch im Zentrum der folgenreichen Maidan-Proteste 2014. Das nun geltende Kriegsrecht beeinträchtigt zudem die notwendige Demokratisierung des gesellschaftlichen Zusammenlebens – wenn auch die russische Aggression die gesellschaftlichen Risse der multinationalen Gesellschaft beiseite drängt. Das gilt in ähnlicher Weise für die Republik Moldau, wo ganz gegensätzliche Wünsche für die Zukunft des Landes aufeinanderprallen.

Es wäre fahrlässig, diese Gegensätze im Rahmen der Beitrittsgespräche unter den Teppich zu kehren. Sollen die neuen Beitritte auf lange Sicht eine Erfolgsgeschichte werden, braucht es eine breite Zustimmung in der Bevölkerung und die Bereitschaft zu maximaler Transparenz und Offenheit – aufseiten der EU-Institutionen wie der politischen Führungen der Kandidatenländer. Die künftigen EU-Bürgerinnen und -Bürger müssen wissen, wie sich ihr Alltag, ihr Leben in der Europäischen Union verändert. Die selbsternannte »geopolitische EU-Kommission« irrt, wenn sie die Rückendeckung zu einem EU-Beitritt in den Beitrittsländern für gesichert hält. Gerade das Beispiel Serbien aber auch jüngere Entwicklungen in der Republik Moldau zeigen, dass die Verhandlungen nicht an den Menschen vorbeigeführt werden dürfen und vage Zukunftsversprechen den Menschen nicht reichen.

Die EU-Kommission sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und zugleich neue Fehler wie eine einseitige Ausrichtung an geopolitischen Interessen und militärischer Sicherheit vermeiden. Stattdessen braucht es neue, transparente Formate in den Beitrittsverhandlungen. Die Einrichtung nationaler und EU-weiter Bürgerforen könnte ein Schritt sein, in den Kandidatenländern aber auch in der EU selbst das nötige Gehör für Erwartungen zu schaffen und zugleich Ideen und Forderungen an den Beitrittsprozess konsequent einzubeziehen.

Aus linker Sicht ist klar: Die Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union sind eine einmalige Gelegenheit, den Menschen in der Ukraine und Moldau ein Leben in Frieden, Demokratie und Wohlstand näherzubringen. Aber sicher ist auch: Der Beitrittsprozess wird eine Herkules-Anstrengung. Für die Kandidatenländer – aber auch für die Union, die sich für jeden einzelnen Beitritt fit machen muss. Zielsetzung und Strukturierung des EU-Haushalts, die gemeinsame Agrar-, Kohäsions- und Regionalpolitik, die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und nicht zuletzt die Verstetigung von Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Beteiligung sind deshalb grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.

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