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Lebenswichtig auch im Wasser

Sauerstoffarme Zonen in Meeren und Binnengewässern breiten sich aus

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 4 Min.
Sauerstoffmangel in Seen führt immer wieder zu Fischsterben.
Sauerstoffmangel in Seen führt immer wieder zu Fischsterben.

Weltweit nimmt der Sauerstoffgehalt von Meeren, Seen und Flüssen rapide ab. Darauf weist eine Gemeinschaftsstudie diverser Institute aus den USA, Kanada, Frankreich, Belgien und Deutschland hin, die Mitte Juli im Fachjournal »Nature Ecology & Evolution« erschienen ist. Die Erkenntnis ist nicht unbedingt neu, aber den Autorinnen und Autoren ging es vor allem um die Bedeutung dieser Entwicklung für das Erdsystem und für die menschliche Gesellschaft.

Für den Sauerstoffgehalt in den Gewässern und Ozeanen, so die These ihrer Studie, gibt es einen kritischen Wert, unterhalb dessen auch diverse andere Subsysteme in Mitleidenschaft gezogen werden. Er stelle weltweit die größte Bedrohung für aquatische Ökosysteme dar. Die Autorinnen und Autoren setzen sich dafür ein, dass der Sauerstoffgehalt der marinen und Süßwasser-Ökosysteme auf die Liste der planetaren Grenzen gesetzt wird. »Dies wird helfen, globale Überwachungs-, Forschungs- und Politikbemühungen zu unterstützen und zu fokussieren, um unsere aquatischen Ökosysteme und damit auch die Gesellschaft insgesamt zu schützen«, meint Kevin Rose, der am Rensselaer Polytechnic Institute im US-amerikanischen Troy lehrt und Erstautor der Studie war.

Belastbarkeitsgrenzen der Erde

2009 waren in einer Studie erstmals Belastbarkeitsgrenzen für neun zentrale biophysikalische Systeme und Prozesse der Erde vorgestellt worden, die mittlerweile allgemein anerkannt sind. Planetare Grenzen gibt es demnach unter anderen für den Klimawandel, den Abbau der Ozonschicht, die Veränderung von Landnutzung oder für den Eintrag neuartiger Substanzen in die Umwelt. Sechs der neun planetaren Grenzen gelten mittlerweile als überschritten.

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Hinsichtlich der möglichen zehnten Grenze – der Sauerstoffgehalt im Wasser – sprechen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einem Kipppunkt, der dringend beobachtet und weiter untersucht werden sollte. Der Sauerstoffgehalt ist nämlich nicht nur wichtig für die Tiere, für deren Existenz und Wachstum das Element unerlässlich ist, sondern auch für verschiedene biogeochemische Prozesse. Unter anderem hat er Einfluss auf die Speicherung von Kohlenstoff im Wasser und in den Sedimenten und somit indirekt auch auf die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre.

Sauerstoffgehalt des Wassers variiert

Dort ist derweil der Sauerstoff aufgrund guter Durchmischung sehr gleichmäßig verteilt. Nachdem in der Frühgeschichte unseres Planeten die Photosynthese der frühen Pflanzen für mehr und mehr dieses chemisch aggressiven, aber für das Leben unverzichtbaren Elements in der Luft sorgte, beträgt seine Konzentration inzwischen knapp 21 Prozent.

Im Wasser variiert die Konzentration hingegen räumlich und zeitlich sehr stark. Zum einen wird Sauerstoff durch Gasaustausch an der Oberfläche aufgenommen und im Wasser gelöst, zum anderen wird er von den Algen per Photosynthese erzeugt. Das geschieht allerdings nur in den oberen Schichten, in die das Sonnenlicht eindringen kann. In tiefere Lagen gelangt er nur, wenn das Wasser auf die eine oder andere Weise durchmischt wird.

Abnahme bereits vor 1900 beobachtet

Doch anders als die Atmosphäre sind Gewässer gewöhnlich sehr stabil geschichtet. Warmes Wasser bleibt zunächst in den oberen Schichten, weil es weniger dicht als das darunterliegende ist. Strömungen, Stürme oder auch große Meerestiere müssen erst diese stabile Schichtung durcheinanderbringen. Insofern sind in Seen und Meeren anoxische Zonen, also solche ohne Sauerstoff, oder auch Gebiete mit gefährlich niedriger Konzentration nichts Ungewöhnliches.

Allerdings wurde in den letzten Jahrzehnten weltweit sowohl in Seen und Flüssen als auch in den Meeren ein rapider Rückgang des im Wasser gelösten Sauerstoffs beobachtet. In Seen wurde der Prozess nach Angaben der Autorinnen und Autoren bereits vor 1900 registriert, und in den Küstengewässern habe er vor allem ab der Mitte des 20. Jahrhunderts begonnen. Ein breiteres wissenschaftliches Bewusstsein für den Sauerstoffverlust im offenen Meer habe sich erst in diesem Jahrhundert entwickelt. Dort habe sich das Volumen anoxischen Wassers seit 1960 vervierfacht.

Schuld an dem Sauerstoffrückgang im Meer sind positive Wechselwirkungen, weil zum einen mit zunehmender Wassertemperatur die Aufnahmefähigkeit für Sauerstoff und Kohlendioxid sinkt. Zum anderen bedeutet die Ausdehnung
sauerstofffreier Zonen am Meeresboden, dass Mikroorganismen vermehrt die Treibhausgase Methan und Lachgas produzieren.

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