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Atemlos in die Tiefe
Auf der italienischen Insel Elba können Tauchfreunde erleben, was den Reiz des Apnoe- oder Freitauchens ausmacht
Es ist die älteste, ursprünglichste und natürlichste Form des Tauchens: Beim Apnoe- oder Freitauchen verzichtet der Taucher auf Geräte und muss ausschließlich mit seiner eigenen Atemluft auskommen. Wurden früher mit dieser Methode vor allem Muscheln und Perlen gesammelt oder Fische gejagt, wird Freitauchen heute als Freizeitbeschäftigung bis hin zum Extremsport betrieben. Durch gezieltes Atemtraining und Meditationsübungen erwerben die Apnoeaspiranten die Fähigkeit, die Luft sehr lange anzuhalten und in Tiefen von zehn Metern und mehr zu tauchen, ohne Druck in den Ohren zu verspüren. Taucherbrille und Flossen sind bei dem Unterwasserausflug die einzigen Ausrüstungsgegenstände.
Aquanautic Elba ist eine deutschsprachige Tauchschule auf der italienischen Insel, die neben Gerätetauchkursen auch Kurse für Apnoetauchen anbietet. Schon nach wenigen Tagen können die meisten Kursteilnehmer die Luft mehr als zwei Minuten anhalten und in eine Tiefe von über zehn Meter abtauchen.
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Apnoetauchen kann als Einstieg ins Gerätetauchen dienen oder umgekehrt als Erweiterung des Tauchhorizonts für geübte Gerätetaucher. Es wird als Training und Verbesserung der mentalen und physischen Kondition betrieben. Zudem ist Apnoetauchen – im Gegensatz zum Gerätetauchen – völlig geräuschlos und ermöglicht so eine sehr symbiotische Erfahrung unter Wasser. »Menschen jeden Alters interessieren sich für das Freitauchen, aufgrund verschiedener Aspekte«, versichert Björn Brand, der bei Aquanautic Elba das Freitauchprogramm leitet. »Viele sind durch Filme und Dokumentationen auf diesen Sport aufmerksam geworden und wollen selbst diese ungewöhnliche Erfahrung machen.«
Gezielte Atemübungen
Unter Anleitung eines erfahrenen Tauchlehrers lernen die Schüler die richtigen Atemtechniken. Neben theoretischen Grundlagen – Was geschieht mit meinem Körper unter Wasser? Wie reagiert er unter Druck? – steht Sicherheit an erster Stelle: Nie allein, sondern nur mit Partner tauchen und auf diesen achten. Bei jedem Tauchgang wird eine Leine zur Sicherheit mitgeführt. Mit gezielten Übungen wird das Bewusstsein für die eigene Atmung gestärkt und die Atempausen werden peu à peu verlängert.
Wie das möglich ist? Beim normalen Atmen wird das verbrauchte Kohlendioxid (CO2) nicht vollständig abgeatmet. So wird das Lungenvolumen, das bei einem durchschnittlichen Menschen rund fünf Liter beträgt, nicht vollends für frischen Sauerstoff ausgenutzt. Mit angeleiteten Atemübungen wird das verbliebene CO2 bewusst abgeatmet und mehr Platz für Frischluft freigemacht. Durch gezielte Voratmung lässt sich der Punkt, an dem die eingeatmete Luft verbraucht ist, immer weiter hinauszögern. Dadurch wird wertvolle Zeit unter Wasser gewonnen. Aus 40 Sekunden Luftanhalten werden zwei Minuten und die Tauchtiefe, die ohne heftigen Druck auf den Ohren erreicht werden kann, nähert sich der Zehn-Meter-Grenze.
Bei den Tauchschülern macht sich ein euphorisches Gefühl breit: Macht über den eigenen Körper zu haben. Leicht zu sein und frei von schweren Pressluftflaschen und Atemgeräten. Eins mit der Unterwasserwelt zu werden. Das Herz schlägt langsamer (oft nur zehn Mal pro Minute), es fließt weniger Blut in Arme und Beine, der Körper fährt auf Sparflamme herunter, um weniger Sauerstoff zu verbrauchen. Der sogenannte Tauchreflex hat eingesetzt.
Der Nimbus des Mystischen
Der Begriff »Apnoe« kommt aus dem Griechischen und bedeutet Nicht-Atmen, Atemstillstand. Ohne Luft tauchen die Meister ihres Fachs in Tiefen von mehr als 200 Metern. Eine unvorstellbare Leistung, für die selbst Mediziner keine schlüssige Erklärung haben. Denn ohne Hilfsmittel ist der Mensch in solchen Tiefen normalerweise nicht überlebensfähig. Und auch die Fähigkeit, mehrere Minuten ohne Sauerstoff auszukommen, grenzt an Hexerei. Dieses spezielle Können der Freitaucher hat dem Apnoetauchen den Nimbus des Mystischen verliehen. Leider begeben sich immer wieder Menschen in große Gefahr, indem sie ihre individuellen Grenzen überschreiten oder ohne ausreichende Kenntnisse der physikalischen Vorgänge im Körper beim Tauchen Rekordversuche wagen.
Dieses Risiko geht man bei den Apnoetauchkursen auf Elba nicht ein. Die Tauchschüler stoßen auch nicht in rekordverdächtige Tiefen vor. Doch erleben sie auch bei kürzeren Freitauchgängen dieses magische Gefühl und fühlen sich als Teil von Elbas Unterwasserwelt. »Für unsere Schüler ist das Apnoetauchen eine rundum faszinierende Erfahrung«, weiß Björn Brand, »es hinterlässt ein Gefühl von Ruhe, positiver Erschöpfung und vor allem tiefer Entspannung. Darum geht es hauptsächlich.«
- Aquanautic-Elba in Capoliveri bietet unter deutschsprachiger Leitung Apnoetauchkurse für 69 Euro pro Einheit an. www.aquanautic-elba.de
Abgesehen von diesem Erlebnis zählt Elba zu Europas besten Tauchrevieren. Durch vulkanische Aktivitäten haben sich hier etliche kleine Grotten und Felsnischen gebildet, die mit ihrer atemberaubenden Artenvielfalt entdeckt werden möchten. Neben großen, bunten Fischschwärmen sind häufig Barrakudas, Muränen und Barsche anzutreffen, manchmal Mondfische oder Delfine. Durch viele kleine Grotten, Tunnel und Steilwände ist die Unterwasserlandschaft sehr abwechslungsreich und bietet jeden Tag etwas Neues.
Taucherparadies Elba
Um die abwechslungsreiche Meeresflora und -fauna vor Elba in vollem Ausmaß zu genießen, satteln selbst begeisterte Apnoetaucher für solche Unterwasserausflüge auf das Gerätetauchen um. Dann können auch die Schiffswracks erforscht werden, die vor der Insel auf Grund liegen. Das 1972 vor Pomonte gesunkene Schiff »Elviscott« ist ein richtiger Abenteuerspielplatz. Man gleitet über die verlassene Kommandobrücke oder gelangt durch den Schornstein in den Maschinenraum. Vor Port Azzuro liegt in 16 Meter Tiefe das gut erhaltene Wrack einer Cessna, das ebenfalls für Tauchanfänger geeignet ist.
Dem Apnoetaucher aber genügt oft schon das meditative Erlebnis unter Wasser, von dem er gar nicht genug bekommen kann und nach dem er sich von nun an immer sehnen wird. Übrigens: Der erste Mensch, der in Apnoe auf 100 Meter getaucht ist, war 1976 Jacques Mayol. Wo? Auf Elba, dem seiner Meinung nach besten Freitauchrevier der Welt.
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