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Radfahren in Berlin: Und wieder ein weiteres Geisterrad
Die Initiative Changing Cities fordert eine konsequente Umsetzung des Mobilitätsgesetzes
Berlin bekommt ein weiteres Geisterrad dazu. Am Montagabend stellt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) an der Kreuzung Karl-Liebknecht-Straße/Ecke Mollstraße in Berlin-Mitte ein weiß gestrichenes Fahrrad auf. Es soll an eine 26-jährige Fahrradfahrerin erinnern, die am 27. Juli von einem Betonmischer überrollt wurde und zwölf Tage später verstarb.
»Es ist kaum zu ertragen, wenn so eine junge Person stirbt«, erklärt Ragnhild Sørensen von Changing Cities in einer aktuellen Mitteilung der Initiative. Der Verein Changing Cities hat sich zum Ziel gesetzt, die Berliner Verkehrswende voranzutreiben. Das Unglück, so Sørensen, sei auch auf eine sogenannte Fahrradweiche auf der Unfallstraße zurückzuführen – einen Radstreifen zwischen der abbiegenden und geradeaus führenden Autospur. »Fahrradweichen sind für Radfahrende extrem gefährlich, weil der Abbiegekonflikt in der Kreuzung nicht gelöst, sondern einfach vorverlagert wird.«
Autos und Radfahrende, führt Sørensen aus, hätten eine höhere Geschwindigkeit, zudem hätten die Fahrräder auf beiden Seiten motorisierten Verkehr mit zu geringem Abstand. Aus diesem Grund weise Changing Cities seit Jahren auf die von Fahrradweichen ausgehenden Gefahren hin, auch der Senat habe die Problematik erkannt und die Einrichtung gestoppt. Doch die alte Infrastruktur werde nicht umgebaut, kritisiert Sørensen. »Der Radwegestopp im letzten Sommer und der diesjährige Planungsstopp der Radschnellverbindungen zeigen wieder mal, dass die Sicherheit des Radverkehrs keine Priorität bei dieser Senatsverwaltung hat.«
»Es hätten 100 Kilometer Radwege ausgebaut werdensollen in diesem Jahr. Stattdessen plant die Senatsverwaltung nur 16,7 Kilometer.«
Ragnhild Sørensen
Pressesprecherin Changing Cities
Insgesamt plant der schwarz-rote Senat für dieses Jahr 23 Radwege-Projekte mit einer Gesamtlänge von 16,7 Kilometern, bislang wurden 4,17 Kilometer umgesetzt. Diese beinhalten unter anderem 1,2 Kilometer Fahrradstraßen, einen Kilometer geschützten Radfahrstreifen sowie 1,7 Kilometer ungeschützten Radfahrstreifen. Auf nd-Anfrage erklärt die Pressesprecherin der Verkehrsverwaltung Petra Nelken, dass es durchaus das Ziel gebe, eine flächendeckende Radinfrastruktur in Berlin zu schaffen. »Dabei ist es aber auch wichtig, bereits bestehende Radwege zu sanieren, damit diese wieder gut und sicher befahrbar sind«, teilt Nelken mit.
Die paar Kilometer reichen der Initiative Changing Cities aber nicht. In diesem Jahr »hätten 100 Kilometer Radwege allein im Vorrangnetz ausgebaut werden sollen«, sagt Sørensen zu »nd«. »Stattdessen plant die Senatsverwaltung nur 16,7 Kilometer.«
Zudem kritisiert Sørensen den Vorwand der amtierenden Regierung, dass die Planung der sogenannten Radschnellverbindungen aufgrund von Haushaltseinsparungen nicht priorisiert werden könnte. »Dabei wird der Ausbau durch die Bundesförderung und das Sondervermögen ›Infrastruktur der wachsenden Stadt‹ größtenteils finanziert«, sagt Sørensen. »Das heißt, der Ausbau belastet den Haushalt kaum.« Stattdessen stecke die Koalition Millionen in Autoprojekte wie den Marzahner Verkehrsknoten oder den Schlangenbader Tunnel.
Diese Aussage kann Verkehrssprecherin Petra Nelken so nicht stehen lassen. Sie bejaht, dass Bundesgelder in Anspruch genommen werden können. Dafür müsse aber erstmal ein Antrag auf Planfeststellung eingereicht werden. Erst dann sei es möglich, einen Antrag auf Fördergelder zu stellen. Ein solcher Planungsprozess, ob für Radschnellverbindungen oder einfachere Fahrradwege, sei sehr langwierig. »Die Umsetzung hängt von vielen Faktoren ab, die nicht immer nur in unserer Hand liegen.« Es stelle sich die Frage, unter welchen Umständen der Ausbau mit möglichst geringem Eingriff ermöglicht werden kann. Darüber hinaus müsse der Landeshaushalt immer mit aufstocken, gibt sie an. Wie viel genau Berlin draufzahle, komme auf einzelne Maßnahmen an.
Sørensen geht hart mit Schwarz-Rot ins Gericht. »Wenn die CDU wirklich etwas für die Autofahrenden tun wollte, würde sie mehr auf den ÖPNV und Radverkehr setzen«, sagt die Sprecherin. Dann würden mehr Autofahrende umsteigen und verbliebene Autos hätten es im Verkehr einfacher. Das entlaste jene, die tatsächlich auf den Autoverkehr angewiesen sind.
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