Blödsinn Bezahlkarte

Die Bezahlkarte bringt nichts als eine Menge Ärger, Kosten und Arbeit im Alltag, meint Andrea Kothen

  • Andrea Kothen
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Bezahlkarte für Asylsuchende im Landkreis Märkisch-Oderland.
Eine Bezahlkarte für Asylsuchende im Landkreis Märkisch-Oderland.

Wer den Ministerpräsidenten der Bundesländer zuhört, gewinnt den Eindruck, die bundesweite Einführung einer Bezahlkarte für geflüchtete Menschen wäre ein zentraler Baustein von Flüchtlingspolitik. Tatsächlich aber ist die Karte vor allem ein sinnloses und teures Instrument, das den von ihr betroffenen Menschen Schaden zufügt und sie diskriminiert.

Eine Bezahlkarte erhalten Menschen, die in Deutschland Sicherheit suchen vor Krieg, Verfolgung und existenziellen Nöten. Künftig sollen ihnen nur noch 50 Euro Bargeld im Monat zur Verfügung stehen. Mit der Bezahlkarte können sie im Supermarkt einkaufen, aber oft nicht in kleineren Geschäften, beim lokalen Gemüsehändler oder Imbiss. Wer die Eltern in einem anderen Landkreis besucht, kann dort möglicherweise gar nichts mit der Karte kaufen. Der private Erwerb etwa eines gebrauchten Fahrrades oder der kostengünstige Einkauf im Internet sind mit der Bezahlkarte nicht möglich. Überweisungen und Lastschriften sind generell ausgeschlossen oder werden von den Behörden nur in Einzelfällen zugelassen. Das kann bedeuten: Der Handyvertrag platzt, der Mitgliedsbeitrag für den Sportverein kann ebenso wenig beglichen werden wie die monatlichen Raten an die Anwältin für Asylrecht. In Sachsen häufen sich derzeit Mahnbescheide, weil Menschen mit Bezahlkarte plötzlich ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.

Andrea Kothen

Andrea Kothen ist Referentin für sozial- und frauenpolitische Fragen bei Pro Asyl.

Weil diese Problematik fehlender Überweisungen inzwischen bekannt ist, schalten manche Behörden nach individueller Prüfung (!) einzelne (!) Iban-Nummern für die Karte frei. Das ist nicht nur ein absurder Aufwand, sondern auch datenschutzrechtlich hochgradig problematisch. Einige Kommunen, beispielsweise Münster, haben inzwischen generelle Bedenken geäußert wegen des geringen Nutzens der Bezahlkarte und des höheren Aufwandes, den sie verursacht.

Hinzu kommt, dass die Funktionalität der bislang ausgegebenen Karten alles andere als überzeugend ist: Mancherorts bleiben die Menschen tagelang mittellos, weil es dauert, bis das Geld auf der neuen Karte angekommen ist. Immer wieder wird berichtet, dass die Karte an der Supermarktkasse fehlerhaft nicht funktioniert. »Meine Frau musste dann alles wieder zurückbringen«, hört man nicht selten. Solche Erlebnisse sind peinlich und stigmatisieren die Betroffenen.

Lesen Sie auch: Das Münchner Bündnis »Offen!« möchte der Bezahlkarte für Asylsuchende etwas entgegensetzen: In Wechselstuben können sie Einkaufsgutscheine in Bargeld umtauschen.

Weil die Betroffenen bei einer Vielzahl von Problemen das Lebensnotwendige oft nicht erhalten, steigt die Zahl der Klagen, und eine wachsende Zahl von engagierten Ehrenamtlichen bemüht sich, Geflüchteten durch Tausch und Bargeld zum Notwendigsten zu verhelfen. In einer Zeit um sich greifender politischer Polemik, von Angriffen auf Demokratie und Verfassung hätten wir wahrlich Besseres zu tun. Eine beherzte Integrationspolitik und Investitionen in eine bessere Infrastruktur etwa im Bereich der Schule wären lohnende Zukunftsprojekte.

Die Bezahlkarte dagegen bringt nichts als eine Menge Ärger, Kosten und Arbeit im Alltag. Profitieren werden am Ende nur die privaten Konzerne: Kartenanbieter, Visa- und Mastercard. Rein gar nichts bringt die Karte dagegen für Integration und ein friedliches Zusammenleben. Es bleibt zu hoffen, dass die Länder und Kommunen mit wachsender Einsicht doch noch auf die Bezahlkarte verzichten oder sie wenigstens beschränkungsfrei ausgestalten.

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