Macron sabotiert die Wahlsieger

Der französische Präsident will unter allen Umständen eine von der Linken geführte Regierung verhindern

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Vertreter der Parteien der linken Volksfront verlassen nach Gesprächen mit Präsident Macron den Élysée-Palast.
Vertreter der Parteien der linken Volksfront verlassen nach Gesprächen mit Präsident Macron den Élysée-Palast.

Präsident Emmanuel Macron lehnt es ab, eine Regierung einzusetzen, die von der linken Volksfront geführt wird und deren Programm umsetzen will. Eine solche Reduzierung auf einen Parteienblock und sein Programm sei eine »Gefahr für die Stabilität der demokratischen Institutionen«. So könne keine regierungsfähige Koalition zustande kommen. Seine Verantwortung bestehe darin, dafür zu sorgen, »dass das Land weder blockiert noch geschwächt wird«. Das betonte Macron in einem Kommuniqué, veröffentlicht am Montagabend nach der ersten Runde von Konsultationen mit den Chefs der im Parlament vertretenen Parteien, die er am vergangenen Freitag und am Montag mit dem Ziel einer »möglichst breiten und stabilen Regierung« geführt hatte.

Dabei beruft er sich nicht zuletzt auf die Boykottdrohung aller rechten und rechtsextremen Parteien gegen eine Linksregierung. Anfangs wurde von diesen ein gemeinsamer Misstrauensantrag für den Fall angedroht, dass eine solche linke Regierung von La France insoumise (LFI) angeführt wird, doch als Jean-Luc Mélenchon anbot, LFI könne auf eine Beteiligung an der Regierung verzichten und diese nur unterstützen, so wie es die FKP 1936 bei der durch den sozialistischen Premier Léon Blum geführten Voksfront tat, erweiterten die Rechten ihre Boykottdrohung auf jegliche linke Regierung.

Zweite Konsultationsrunde angesetzt

Laurent Wauquiez, der Fraktionsvorsitzende der rechtsbürgerlichen Oppositionspartei der Republikaner, ging sogar so weit, zu einem »republikanischen Damm gegen LFI« aufzurufen und diese kämpferisch-linke Bewegung als »zweifellos größte politische Bedrohung des Landes« zu bezeichnen.

Für Dienstag hat Macron die Parteichefs und Fraktionsvorsitzenden, an deren »Verantwortungsgefühl« er appelliert, zu einer zweiten Konsultationsrunde ins Elysée eingeladen. Dabei schloss er allerdings die linke Bewegung La France insoumise (LFI) und den rechtsextremen Rassemblement national (RN) aus. Aufgrund der Ausgrenzung von LFI haben die Parteien der Neuen Volksfront vereinbart, dieser Einladung nicht Folge zu leisten. Wenn sie ins Elysée zurückkehren, dann nur, um über die Modalitäten einer »Cohabitation«, also eines pragmatischen Nebeneinanders einer von ihrer Kandidatin Lucie Castets geführten Regierung mit dem Präsidenten zu diskutieren.

»Wir lassen uns nicht von Macron zu Komplizen seiner Intrigen machen.«

Olivier Faure
Vorsitzender der sozialistischen Partei

Das »anmaßende Diktat« des Präsidenten hat der Vorsitzende der sozialistischen Partei (PS), Olivier Faure, scharf verurteilt. Er erklärte, dass es »jeglichen demokratischen Spielregeln widerspricht, dass diejenigen, die die Wahl verloren haben, über die künftige Regierung und deren Programm entscheiden wollen«. Der LFI-Koordinator Manuel Bompart hat den Alleingang von Präsident Macron als »inakzeptablen antidemokratischen Gewaltakt« verurteilt. In diesem Zusammenhang wiederholte er die Drohung, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Zugleich hat LFI alle links eingestellten Franzosen für den 7. September zu Demonstrationen im ganzen Land »gegen Macrons Staatsstreich« aufgerufen.

Macron will Linke spalten

Dass Macron die Kommunisten, die Sozialisten und die Grünen »im nationalen Interesse« auffordert, auf Distanz zu LFI und Mélenchon zu gehen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den anderen demokratischen Parteien zu suchen, weist der PS-Vorsitzende Faure als Versuch zurück, die Linke zu spalten und zu schwächen. »Wir lassen uns aber nicht von Macron zu Komplizen seiner Intrigen machen«, betont Faure. Die Generalsekretärin der Partei der Grünen, Marine Tondelier, schätzt, dass Macron versuche, den Linken ihren Wahlsieg zu stehlen und das Ergebnis zu seinen Gunsten zu korrigieren. Fabien Roussel, der Nationalsekretär der Kommunistischen Partei, wirft Macron vor, er gebärde sich anmaßend, als sei er »Präsident, Regierungschef und Parteivorsitzender in einem«. Die KP beteilige sich nicht weiter an sogenannten Konsultationen, die »in Wirklichkeit nur dazu dienen, die bereits einsam gefassten Beschlüsse des Präsidenten im Nachhinein zu legitimieren«.

Gegenwärtig befindet sich Frankreich nach Einschätzung von Beobachtern in einer politischen Sackgasse. Dabei drängt die Zeit, denn dem Gesetz nach muss die Regierung dem Parlament bis zum 1. Oktober den Entwurf des Haushalts für das nächste Jahr zur Beratung und Abstimmung vorlegen. Um diese Krisensituation aufzulösen, fordert die Fraktionsvorsitzende des Rassemblement national, Marine Le Pen, eine Sondersitzung der Nationalversammlung.

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