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Ukraine: Bedrohung für Atomanlagen gestiegen
Kiew fordert Druck auf Moskau, IAEA verspricht mehr Kontrollen
Die ukrainische Energiebehörde Energoatom fand deutliche Worte. In den vergangenen Wochen seien mehr als 70 Drohnen und über 30 Marschflugkörper in der Nähe ukrainischer Kernkraftwerke gesichtet worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Von keinem Staat der Welt sei jemals zuvor eine derartige Bedrohung für Atomanlagen ausgegangen, so die Atombehörde. »Nicht nur für die Ukraine, sondern für den gesamten Kontinent.« Gleichzeitig appelliert Energoatom an die internationale Gemeinschaft, Druck auf Russland auszuüben, um die Gefährdung ukrainischer Atomkraftwerke zu beenden.
Sollte Russland die zehn Umspannwerke angreifen, die Atomenergie ins Netz einspeisen, könne es zu einem totalen Stromausfall kommen, befürchtet Olexandr Chartschenko, Direktor des Zentrums für Energieforschung. Die Umspannwerke, zitiert ihn die ukrainische »Forbes«-Ausgabe, seien in keiner Weise vor einem möglichen Beschuss geschützt. Neben einem Blackout könnte die Zerstörung auch zu einem Strahlenunfall führen, warnt Energieminister Hermann Haluschtschenko.
IAEA weitet Überwachungsmission aus
Am 12. September besuchten Fachleute der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA eine Umspannstation, die AKW-Strom führt und kürzlich bei einem Luftangriff beschädigt worden war. Dieser Besuch, so Energoatom auf Telegram, markiere den Beginn der praktischen Umsetzung der Vereinbarungen, die bei einem Gespräch zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi getroffen wurden. Am Freitag hatte Grossi die Ausweitung der Überwachungsmission in der Ukraine angekündigt.
Grossi: Situation immer prekärer
Man werde, so Grossi, in Zukunft auch die sicherheitsrelevante Infrastruktur der ukrainischen Atomwirtschaft beobachten. »Die Bewertung des Zustands von Umspannwerken ist ein wichtiges neues Element unserer Arbeit in der Ukraine, da die Sicherheit des Betriebs von Kernkraftwerken von einer stabilen Netzanbindung abhängt.« Und gerade in diesem Bereich sei die Situation in den vergangenen Wochen und Monaten »immer prekärer geworden«.
Immer wieder, sagt Grossi, hörten die vor Ort präsenten Mitarbeiter der IAEA militärische Aktivitäten unweit einiger Standorte. »Auch im dritten Jahr dieses tragischen Krieges sind die Gefahren für die nukleare Sicherheit immer noch allzu real. Wir sind entschlossen, unsere Anstrengungen fortzusetzen, um einen nuklearen Unfall zu verhindern«, so Grossi. Gleichzeitig stellte er fest, dass seinem Team der Zutritt zu dem westlichen Teil der Turbinenhallen im russisch besetzten AKW Saporischschja erneut verweigert worden sei.
Russland wirft Ukraine AKW-Beschuss vor
Russland seinerseits beschuldigt auch die Ukraine regelmäßig, das AKW Saporschschja zu beschießen. Und in mindestens einem Fall gibt die Ukraine dies auch zu. In einem Video zeigt die ukrainische Armee am 22. Juli 2022, wie sie sich »filigran an den Positionen der russischen Okkupanten unweit des AKW Saporischschja abgearbeitet hat.« Im Video ist zu erkennen, dass die ukrainischen Geschosse gut 500 Meter neben den Reaktoren einschlagen. Am 7. April 2024 berichtete IAEA-Chef Grossi zudem von drei Luftangriffen auf die Strukturen einer Reaktorschutzhülle.
Atomenergie ist in der Ukraine der wichtigste Energieträger. Die Hälfte des Stroms im Land wird in Atomkraftwerken produziert. Und Kiew will die nukleare Energiegewinnung ausbauen. Im April unterzeichneten Energoatom-Chef Petro Kotin, und der Vorsitzende der US-amerikanischen Holtec, Kris Singh, ein Rahmenabkommen über den Transfer von Holtec-Technologie zur Herstellung von Komponenten von »Small Modular Reactors« in der Ukraine.
Solche Minikraftwerke gibt es bereits beim Kriegsgegner Russland. Dort versorgt das schwimmende AKW Akademik Lomonossow seit Mai 2020 die Hafenstadt Pewek und angrenzende Bergwerke in der Region Tschukotka im äußersten Nordosten des Landes mit Strom und Wärme.
Energoatom und Holtec wollen noch mehr: Sie haben auch den Bau einer ukrainischen Produktionsstätte für Komponenten eines Trockenlagers für abgebrannte Brennelemente vereinbart. Mit diesem Abkommen, schreibt Energoatom, werde man nach dem Krieg die Wirtschaft ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und ein regionales Technologiezentrum für das US-Unternehmen werden. Die Ukraine, meint Energoatom, sei dabei, ein »Hub für Nukleartechnologien für ganz Europa« zu werden. Im April wurde bereits der Grundstein für die Erweiterung des AKW Chmelnyzkyj gelegt. Partner beim Projekt ist der US-Konzern Westinghouse.
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