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Dresden: Selbst die kaputte Brücke ist kein Staudamm

Sachsen bleibt von Flutkatastrophe verschont. Der seit 2002 verbesserte Hochwasserschutz bewährt sich

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Trümmerteile der vorige Woche teilweise eingestürzten Carolabrücke verschärfen die Hochwasserlage in Dresden entgegen anfänglichen Befürchtungen nicht
Die Trümmerteile der vorige Woche teilweise eingestürzten Carolabrücke verschärfen die Hochwasserlage in Dresden entgegen anfänglichen Befürchtungen nicht

Breit und träge strömt die Elbe durch Dresden. Auch die Trümmer der eingestürzten Carolabrücke sind für den angeschwollenen Fluss kein Hindernis. Dieser führt nach den enormen Regenfällen vom Wochenende über Sachsen und vor allem in Tschechien zwar ein kräftiges Hochwasser; an diesem Mittwoch soll mit einem Pegel von knapp über sechs Meter der Höchststand erreicht sein, was der zweithöchsten Warnstufe 3 entspricht. Nach dem Kollaps der Brücke vergangenen Mittwoch war spekuliert worden, diese könne wie ein künstlicher Staudamm wirken. Bis zum Wochenende waren gefährdete Brückensegmente deshalb unter enormem Zeitdruck gesprengt und ihre Reste mit zahlreichen Baggern beräumt worden. Die Teile, die jetzt noch in den Fluss hängen, stellen aber kein Problem dar: Der Wasserstand werde dadurch nicht beeinflusst, hieß es aus dem Dresdner Umweltamt.

Auch generell wird Sachsen das aktuelle Hochwasser aller Voraussicht nach glimpflich überstehen, sagt Wolfram Günther, der grüne Umweltminister des Freistaats. Katastrophale Bilder, wie es sie in Dresden und vielen anderen sächsischen Städten nach der Jahrhundertflut von 2002 zu sehen gab und wie sie uns derzeit aus Polen und Tschechien erreichen, sind nicht zu befürchten. Zwar wolle er »noch keine Entwarnung« geben, sagte Günther, die Lage bleibe dynamisch. Aber derzeit sieht es so aus, »als ob wir noch nicht einmal ein blaues Auge davontragen«.

»Man muss es in den Mund nehmen: Das sind Folgen des Klimawandels.«

Wolfram Günther Umweltminister

Ein Grund dafür ist schlicht Glück. In Ostsachsen und dem Osterzgebirge hat es am Wochenende innerhalb von 96 Stunden zwischen 60 und 160 Liter je Quadratmeter geregnet – und nicht 220 bis 300 wie im tschechischen Iser- und Riesengebirge. Zeitweilig sahen die Vorhersagen auch für den Freistaat übel aus, dann aber regnete sich das vom Mittelmeer herangezogene Vb-Tief weiter östlich ab. »Das hätte auch bei uns herunterkommen können«, sagte Günther und fügte an, Glück sei »ein relativer Begriff«, weil unter der Verlagerung des Regengebietes nun die Menschen in Polen und Tschechien schwer leiden.

In der Folge erreichte die Lausitzer Neiße zwar kurzzeitig die Warnstufe 3; in Görlitz habe man kurz davor gestanden, den Katastrophenalarm auszulösen, sagte Kristina Rieth vom Landeshochwasserzentrum. Generell aber habe sich die Lage dort und am Oberlauf der Spree in der Oberlausitz »im Rahmen bewegt«, fügte sie hinzu. Inzwischen fallen dort die Wasserstände wieder. An der Elbe stiegen sie am Dienstag noch. Ab Mittwoch werde ein »lang gestreckter« Scheitel erwartet. Danach rechne man bis Ende des Monats mit einer »anhaltenden Hochwassersituation«, sagte Rieth. Grund dafür ist, dass in Tschechien die Rückhaltebecken der Moldau-Kaskade, die Prag vor Hochwasser schützt, kontrolliert abgelassen würden. Die Situation an der Moldau, die im Böhmerwald entspringt und in Melnik in die Elbe mündet, habe auf Sachsen größeren Einfluss als die an deren Oberlauf, sagte Günther. Dass im Einzugsgebiet der Moldau der Regen am Samstag zeitweise aufgehört habe, mildere jetzt die Probleme.

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Diese wären nach Günthers Einschätzung indes auch unter den jetzigen Bedingungen weit größer, wenn Sachsen nicht nach dem extremen Hochwasser von 2002 mit Pegelständen von 9,40 Metern in Dresden massiv in den Flutschutz investiert hätte. Es seien Deiche gebaut und ertüchtigt, mobile Schutzanlagen in Städten angeschafft, Polder sowie Rückhaltebecken gebaut und Flussauen renaturiert worden. Insgesamt seien im Freistaat 3,3 Milliarden Euro investiert worden. Schon bei dem Hochwasser 2013 hätten die Maßnahmen rund 450 Millionen Euro an Schäden verhindert, sagte Günther. In Situationen wie der derzeitigen profitierten Bürger, Kommunen und Einsatzkräfte zudem von dem enorm verbesserten Frühwarnsystem. Insgesamt, sagte der Minister, habe man »2002 unter Schmerzen gelernt«, sich auf Hochwasser einzustellen.

Allerdings sei diese Aufgabe nicht abgeschlossen. Extremwetterlagen wie die vom vergangenen Wochenende würden zunehmen, sagte Günther und wies darauf hin, dass Sachsen seit Weihnachten 2023 drei Hochwasserlagen erlebt habe. »Man muss es in den Mund nehmen«, sagte der Grünen-Politiker: »Das sind Folgen des Klimawandels.« Als Konsequenz müssten die Schutzmaßnahmen noch weiter verbessert werden. »Wir werden weiter investieren«, betonte der Minister: »Das kann so nicht bleiben.« Allerdings ist es derzeit unwahrscheinlich, dass die Grünen der nächsten sächsischen Koalition angehören.

Angesichts der vergleichsweise entspannten Lage im eigenen Bundesland hat Sachsen den Nachbarn Hilfe angeboten. Konkret richtet sich die Offerte an die polnische Wojewodschaft Niederschlesien, die tschechischen Regionen Liberec und Usti nad Labem und an Niederösterreich. Man sehe »die Nachrichten über die verheerenden Überschwemmungen in den Regionen mit großer Bestürzung und Anteilnahme«, erklärte CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer. Aus Niederschlesien gibt es bereits eine Antwort. Dort sollten Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, mit Schlafsäcken und anderen Hilfsgüten unterstützt werden. Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) aus Sachsen engagiert sich in den Flutregionen der Nachbarländer und ruft dafür zu Spenden auf.

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