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Tariflöhne im Krankenhaus: ja oder nein

Gewerkschaft Verdi präsentiert Versprechungen der Landtagskandidaten und will sie später daran messen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht in der Universitätsmedizin Lausitz »Carl Thiem« mit dem Arzt Tim Flasbeck.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) spricht in der Universitätsmedizin Lausitz »Carl Thiem« mit dem Arzt Tim Flasbeck.

Dass Brandenburgs Krankenhäuser auch künftig mindestens 205 Millionen Euro Zuschuss jährlich vom Land bekommen, dass keines geschlossen wird, dass es genug Personal in der Altenpflege gibt – Aaron Birnbaum (Linke), der bei der Landtagswahl am 22. September im Wahlkreis Elbe-Elster II antritt, stimmt diesen drei und fünf weiteren Forderungen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi uneingeschränkt zu. Mehr noch, denn er hat ein paar persönliche Bemerkungen hinzugefügt. »Die Forderungen sind im Prinzip lediglich das, was dringend notwendig ist, um Brandenburg auf die Höhe der Zeit zu bringen«, formuliert er. »Für mich als Sozialist gilt ohnehin: Menschen vor Profite. Diesen Kampf führe ich, ob Wahl hin oder her.«

Nachzulesen ist das auf der Internetseite wirsorgenfueralle.de. Dort dokumentiert Verdi die aus gewerkschaftlicher Sicht interessanten Positionen von sehr vielen Landtagskandidaten, ob sie nun auf der Landesliste ihrer Partei antreten oder als Direktkandidat vor Ort. Die Gewerkschaft will die Politiker später beim Wort nehmen. »Was sie vor der Wahl versprechen, müssen sie nach der Wahl einhalten«, erklärt Jana Seppelt. »Sonst wäre das ein Brandbeschleuniger für die Politikverdrossenheit«, sagt die für das Gesundheitswesen und die Bildung zuständige Fachbereichsleiterin. Verdi werde nach der Wahl die Koalitionsverhandlungen im Blick behalten und das Abstimmungsverhalten der Landtagsabgeordneten an ihren Versprechungen messen, kündigt Seppelt an.

Die Kandidaten der AfD sind nicht um Auskunft gebeten worden. »Das ist für uns keine normale Partei«, begründet Seppelt das. »Unser Grundwert ist Solidarität.« Das ist eine einheitliche Linie. Der Gewerkschaftsbund DGB hat zu seiner Runde mit den Spitzenkandidaten auch ganz bewusst nicht den AfD-Politiker Hans-Christoph Berndt eingeladen.

»Was Politiker vor der Wahl versprechen, müssen sie nach der Wahl einhalten. Sonst wäre das ein Brandbeschleuniger für die Politikverdrossenheit.«

Jana Seppelt Verdi-Fachbereichsleiterin

Um Stellungnahme gebeten hatte Verdi für seinen Check ansonsten alle Kandidaten der im Landtag vertretenen Parteien SPD, CDU, Grüne, Linke und Freie Wähler und außerdem alle Kandidaten von Parteien, die bei der Europawahl im Juni mindestens fünf Prozent der Stimmen erhalten haben. Damit kamen dann nur noch die Kandidaten des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) hinzu, aber beispielsweise nicht die der FDP.

Etwa zwei Drittel der angefragten Kandidaten haben mitgemacht. Sylvia Papendorf, die Betriebsratsvorsitzende bei der Volkssolidarität ist, hat geholfen, bei noch säumigen Kandidaten Auskünfte anzumahnen. Es gebe niemanden, der nicht mindestens sechs von acht Forderungen zustimme, heißt es. Papendorf ist aufgefallen, dass einige Kandidaten etwas versprechen, was sich so in den Wahlprogrammen ihrer Parteien leider nicht findet. Aber es ist auch keine Partei ausdrücklich dagegen, die Investitionszuschüsse für die Kliniken bei 205 Millionen Euro zu halten, obwohl diese Höhe zuletzt nur durch Sonderzahlungen von 95 Millionen Euro erreicht wurde.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Allerdings spreche die CDU in ihrem Wahlprogramm nur von auskömmlicher Finanzierung und bleibe damit unkonkret, bedauert Jana Seppelt. Die Idee, gute Arbeitsbedingungen in den Kliniken mit extra Geld aus einem speziellen Fonds zu honorieren, lehnten die CDU-Kandidaten nach Angaben von Verdi durchweg ab. Seppelt vermutet, dass dem eine Absprache untereinander zugrunde liege. Fakt ist, dass nach wie vor nur die Beschäftigten des kommunalen Ernst-von-Bergmann-Klinikums in Potsdam und des ebenfalls städtischen Universitätsklinikums von Brandenburg/Havel den Tariflohn für den öffentlichen Dienst erhalten. Die Stadt Potsdam zahle dafür drauf und anders könne es auch nicht funktionieren, sagt Seppelt.

Übrigens sprechen sich Verdi zufolge alle CDU-Kandidaten für eine Willkommenskultur aus und sämtliche BSW-Kandidaten haben sich zu dieser Frage nicht geäußert, weshalb die Gewerkschaft dies wie vorher angekündigt als Nein wertete. »Das finden wir erstaunlich«, sagt Seppelt. Immerhin habe die Gewerkschaft nicht etwa offene Grenzen für alle Flüchtlinge verlangt, sondern lediglich, die Menschen, die bereits da sind, gut zu integrieren. Insbesondere für die Pflege, die unter Personalmangel leidet, sei das eigentlich unverzichtbar. »Es gibt die Situation, dass in der Altenpflege unglaublich viele Menschen in einer Dauerbelastung arbeiten.«

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