Bangladeschs gefallenes Cricket-Idol

Nach dem Umsturz der autoritären Regierung ist Shakib Al-Hasan in seiner Heimat kein Superstar mehr

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 5 Min.
Cricket-Superstar Shakib Al-Hasan galt in Bangladesch lange als eine Art lebendes nationales Heiligtum.
Cricket-Superstar Shakib Al-Hasan galt in Bangladesch lange als eine Art lebendes nationales Heiligtum.

Es ist noch nicht lange her, da war der Name Shakib Al-Hasan vor allem mit positiven Dingen verbunden. Der 37-Jährige aus Bangladesch ist immerhin der beste Cricketspieler, den sein Land je hervorgebracht hat. Sportjournalisten in Bangladesch teilen die Historie des Crickets, dem mit Abstand beliebtesten Sport des Landes, in die Zeit vor und jene nach Al-Hasan ein. Manchmal wird er deshalb auch als »Jesus des bangladeschischen Crickets« bezeichnet. Er hat eine neue Zeitrechnung begründet.

Doch wenn man den Namen heute hört, sorgt er im südasiatischen Land für gereizte Blicke, manchmal sogar für Wut. Im August machten Bilder die Runde, auf dem ein übergroßes Werbeposter des Superstars mit Graffiti übersprayt wird. Ein viel gesehener Tweet kommentiert: »Ehemalige Ikonen Bangladeschs sind am Boden, da sie sich auf der falschen Seite der Proteste wiederfinden.« Die indische Zeitung »Times of India« nannte Al-Hasan einen »unter Beschuss geratenen Cricket-Champion«. Was ist los?

Anfang August mündeten wochenlange Proteste im 175-Millionen-Einwohner-Land in die Flucht der Premierministerin Sheikh Hasina, die bis dahin über eineinhalb Jahrzehnte autoritär regiert hatte. Die Protestierenden hatten gefordert, dass Jobs im öffentlichen Sektor künftig auf fairere Weise vergeben werden. Große Unzufriedenheit hatte aber schon länger bestanden – wegen ausufernder Korruption im Land, der harten Hand der Regierung gegenüber kritischen Stimmen sowie hoher Lebenshaltungskosten.

Anfangs reagierten Polizei und Militär gewalttätig gegen die Demonstranten. Erst als die Premierministerin das Land plötzlich per Helikopter ins benachbarte Indien verlassen hatte, stellte sich das Militär auf die Seite der Protestbewegung. Oberbefehlshaber Waker-uz-Zaman kündigte die Aufarbeitung aller Verbrechen an, ernannte zudem den Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus zum Vorsitzenden einer Übergangsregierung. Der wiederum hat versprochen, bald Wahlen einleiten zu wollen.

Einiges deutet darauf hin, dass in Bangladesch demnächst bessere Tage anbrechen. Aber inwieweit das auf den Sport zutrifft und damit auf die größten Idole des Landes, ist ungewiss. Denn während im Land Chaos ausbrach und immer mehr Prominente Partei für die Protestierenden ergriffen, blieben die Cricketstars stumm. »Sie haben sich nicht mit uns solidarisiert«, klagt Sohanur Rahman, ein 27-jähriger Umweltaktivist, der im Juli unter Lebensgefahr auf die Straße ging, um für die Demokratie zu kämpfen.

Rahman sagt etwas, was dieser Tage häufig zu hören ist: »Die Leute verehren Shakib nicht mehr.« Und das klingt nahezu unglaublich. Als Kapitän der Nationalmannschaft Bangladeschs und Star-Spieler in verschiedenen Topklubs hat Al-Hasan seine Heimat in den 17 Jahren seiner Profikarriere weltweit als große Cricketnation bekannt gemacht. Kaum ein Kind, eine Frau oder einen Mann kennt den Namen Shakib Al-Hasan nicht. Er ist eine Art lebendes nationales Heiligtum.

Gewesen. Denn jetzt gilt er als Verräter. Kritische Stimmen fanden das zwar schon länger. Denn als die nun geflohene Hasina im Januar bei umstrittenen Wahlen die Mehrheit erlangte, hatte sich auch Shakib Al-Hasan auf ihre Seite geschlagen. Für Hasinas Partei Awami League war er ins nationale Parlament gezogen. Anders als in Pakistan oder Indien, wo große Spieler erst nach ihrer aktiven Karriere in die Politik gingen, machte Al-Hasan es schon währenddessen.

Leo Wigger, der beim Berliner Thinktank Candid Foundation die Programme zu Südasien sowie Eurasien leitet und beim Fachmagazin »Zenith« im Redaktionsrat sitzt, erkannte die Sinnhaftigkeit der Aktion – zumindest für die Regierungspartei: »Shakib Al-Hasan ist einfach ein Star, nicht nur in Bangladesch. Und ihn politisch einzubinden, ist ein Riesen-PR-Erfolg für die Awami League von Sheikh Hasina.«

Die damalige Premierministerin soll ihrem neuen Parteikollegen vor der Wahl versichert haben: »Du musst keine Rede halten. Du musst nur sechs Runs schlagen.« Wer im Cricket den auf ihn geworfenen Ball ins Aus befördert, beschert seiner Mannschaft sechs Runs und damit wichtige Punkte. Und Shakib Al-Hasan, der zuvor mehrmals beteuert hatte, kein Interesse an Politik zu haben, machte mit. Er spielte weiter Cricket, hielt bei politischen Themen den Mund, galt aber als neuer Posterboy der Regierung.

Nur hat er wohl etwas zu viel geschwiegen – oder in den falschen Momenten. Denn aktuell wird dem Cricketstar nicht nur vorgeworfen, die Demokratiebewegung nicht unterstützt zu haben. Er hat sogar eine Anklage wegen Mordes am Hals. Während der wochenlangen Proteste kamen Hunderte Menschen ums Leben. Der Vater eines der Opfer, die auf der Straße protestierten, hat Shakib Al-Hasan und einige weitere Personen beschuldigt, die Ermordung angeordnet zu haben.

Seither wird der Fall in den Medien ausführlich diskutiert. Mehrere Cricketspieler haben auch schon drauf reagiert und ihren Mitspieler – der für die meisten jüngeren Athleten zumindest ein sportliches Vorbild ist – in Schutz genommen. Der jetzige Nationalmannschaftskapitän Bangladeschs, Najmul Hossain Shanty, bezeichnete Al-Hasan als »wichtige Ressource unseres Landes« und fuhr fort: »Er hat das Ansehen Bangladeschs in der Welt über die letzten 17 Jahre verbessert.«

Shanto will sich mittlerweile auch mit denen solidarisieren, die gegen Sheikh Hasina protestiert und diese letztlich aus dem Land gejagt haben: »Im neuen Bangladesch wollen wir alle etwas Neues sehen. Ich hoffe, dass die Dunkelheit bald dem Licht weichen wird.« Andere Spieler haben sich ähnlich geäußert. Aber ob das reicht, um das Vertrauen derer zurückzugewinnen, die den Wandel herbei protestiert haben?

Sohanur Rahman ist sich nicht sicher, wie viele im Land von den Worten der Stars überzeugt sind. »Die Cricketspieler hatten Angst, etwas gegen die alte Regierung zu sagen, solange sie noch an der Macht war.« Das verstehe er. Aber hätten diese Superstars früher die Proteste unterstützt, hätte es womöglich weniger Tote gegeben. Immerhin, sagt der Aktivist: »Vor dem Umsturz hat unsere Nationalmannschaft nicht gut gespielt. Kurz danach aber haben sie gleich mehrere Spiele gewonnen.«

Wie viel Wiedergutmachung das sein kann, bleibt unklar. Und dürfte bei einem Gerichtsprozess gegen den größten Sportler der bangladeschischen Geschichte eigentlich auch keine größere Rolle spielen.

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