Der 1. FC Union überrennt den BVB

Mit einer Energieleistung holt Union Berlin einen verdienten Sieg gegen Borussia Dortmund

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 6 Min.
Union Berlins Benedict Hollerbach holte den Elfmeter zum 1:0 heraus, der zum Ende einer historischen Torlos-Serie führte.
Union Berlins Benedict Hollerbach holte den Elfmeter zum 1:0 heraus, der zum Ende einer historischen Torlos-Serie führte.

Nach dem Spiel war sich Union-Trainer Bo Svensson sicher: »Das war die beste Halbzeit, die wir bisher gespielt haben.« Kein Wunder angesichts eines ersten Durchgangs, in dem die Fußballer aus Köpenick nicht nur die gefährliche Offensivabteilung von Borussia Dortmund komplett kalt stellten, sondern sich für die gute Defensivarbeit auch noch mit eigenen Toren belohnten. »Wir haben das umgesetzt, was gefordert war, haben sowohl mit als auch gegen den Ball sehr intensiv und mutig gespielt«, zeigte sich der Däne nach Abpfiff hochzufrieden.

Dabei hatte sich Svensson für das Duell mit dem BVB, der noch unter der Woche in der Champions League eine 7:1-Gala gegen Celtic Glasgow gefeiert hatte, ein paar Überraschungen überlegt. Im Mittelfeld kam Union-Eigengewächs Aljoscha Kemlein zu seinem Debüt in der Startelf. Dazu begann Yorbe Vertessen für Stoßstürmer Jordan, der in den letzten zwei Partien gestartet war.

Zusammen mit Benedict Hollerbach und Jeong Woo-Yeong bildete Vertessen die offensive Dreierreihe der Unioner, die den BVB von Beginn an überraschend hoch anlief. Auch dahinter deckten die Köpenicker ihre Gegenspieler bis weit in deren Hälfte hinein. Der Spielaufbau des BVB konnte sich so nie richtig entfalten. Stattdessen erzwangen die Eisernen durch ihr aggressives Pressing viele frühe Ballverluste.

Folgerichtig kam Union auch zu den ersten Abschlüssen. Ex-Dortmunder Tom Rothe zielte nach einem Einwurf von rechts in der 8. Minute nur knapp am Tor vorbei. Zwei Minuten später kam Benedict Hollerbach nach einer Flanke im Strafraum völlig frei zum Kopfball, setzte diesen aber deutlich neben den Kasten von Gregor Kobel.

Dortmund wirkte in der Anfangsphase überfordert von der Intensität und hohen Verteidigungslinie der Berliner. »Wir reisen viel. Du bist müde. Es ist einfach schwierig, dass du alle drei Tage hundert Prozent performst«, versuchte sich BVB-Torhüter Kobel nach dem Spiel an einer Erklärung für den schwachen Auftritt seiner Mannschaft. Der Schweizer Keeper gab aber auch zu, dass man nicht erwartet hatte, dass Union so angriffslustig verteidigen würde.

In der Abwehr gingen die Köpenicker für diesen Ansatz ein hohes Risiko ein. Kevin Voigt lieferte sich dort oft ein Eins-gegen-eins-Duell mit BVB-Stürmer Serhou Guirassy. Schon in der 15. Minute sah Unions Abwehrchef nach einem harten Einsteigen gegen den Torjäger die gelbe Karte. Ein Foul, das Dortmunds Trainer Nuri Şahin nach dem Spiel als klaren Platzverweis einstufte, aber auch nicht als Ausrede für die schlechte Leistung seines Teams gelten lassen wollte.

Weil auch der VAR nicht einschritt, durfte Vogt weiterspielen und Unions mutige Taktik machte sich wenig später bezahlt. Startelf-Debütant Kemlein, der seine Anfangsnervosität schnell ablegen konnte, gewann in der 23. Minute im Mittelfeld den Ball. Mit einem weiten Pass schickte der 20-Jährige Benedict Hollerbach über links. Der schnelle Offensivallrounder konnte in den Strafraum ziehen und war dort von BVB-Verteidiger Nico Schlotterbeck nur mit einem ausgestreckten Bein zu stoppen. Schiedsrichter Tobias Reichel zögerte nur kurz und zeigte dann auf den Punkt.

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Was folgte, war das Ende einer historischen Serie. Denn mit Kevin Vogt trat der Spieler zum Elfmeter an, der in der Geschichte der Bundesliga am längsten auf ein eigenes Tor warten musste. Der 33-jährige Innenverteidiger traf zuletzt vor fast zehn Jahren – vor 3640 Tagen um ganz genau zu sein – im Trikot des 1. FC Köln. Gegner war damals natürlich auch der BVB. Vielleicht war auch deswegen am Samstag kein Hauch von Unsicherheit bei Vogt zu spüren. Konzentriert setzte er den Elfmeter halbhoch neben den rechten Pfosten und bekam nach dem Spiel Lob von Trainer Svensson für sein akribisches Elfmetertraining: »Kevin hat das immer geübt. Ich weiß nicht, ob er sich auch ein bisschen präsentieren wollte, um mich zu überzeugen.«

Auch nach der Führung schalteten die Eisernen keinen Gang zurück und belohnten sich kurz vor dem Pausenpfiff mit dem 2:0. Nach einer Ecke für die Eisernen konnte Dortmund nicht richtig klären. Der Ball landete schließlich bei Vertessen an der Strafraumgrenze. Der Belgier zog Volley ab und traf durch das Gewühl im Strafraum ins linke Eck. BVB-Keeper Kobel konnte den Schuss erst spät sehen und war erneut chancenlos.

In der zweiten Halbzeit wurde das Spiel dann deutlich offener. Union versuchte zwar weiterhin, den BVB hoch zu pressen und hatte durch Vertessens Fernschuss die erste Möglichkeit im zweiten Durchgang. Doch Dortmund konnte sich immer häufiger aus dem Druck der Berliner befreien. In der 55. Minute leitete Julian Brandt den Ball klug zu Maximilian Beier in den Strafraum weiter. Doch der BVB-Neuzugang scheiterte aus halbrechter Position freistehend am starken Union-Keeper Frederik Rönnow.

In der 60. Minute nahm Union-Trainer Svensson dann den gelb-rot gefährdeten Kevin Vogt vom Platz. Ohne ihren Abwehrchef musste sich die Union-Verteidigung neu sortieren und das nutzte der BVB sofort aus. Brandt steckte den Ball auf links zu Ex-Unioner Julian Ryerson durch. Der Norweger dribbelte in den Strafraum, legte sich den Ball auf seinen starken rechten Fuß und schloss platziert ins lange Eck ab.

»In der zweiten Halbzeit haben wir gewusst, dass es mit der Intensität für uns schwer wird und es ist auch schwer geworden«, gab Svensson nach dem Spiel zu. Der Union-Trainer reagierte in der 67. Minute erneut, brachte mit Schäfer, Skarke und Jordan drei frische Kräfte und stellte auf ein defensiveres 5-3-2-System um. Auf der anderen Seite wechselte BVB-Trainer Şahin immer mehr Offensivkräfte ein.

Doch die Eisernen überstanden die Drangphase der Dortmunder. Es dauerte bis zur 86. Minute, bis der BVB mit einer durchgerutschen Flanke von Ryerson noch einmal gefährlich wurde. In der Nachspielzeit köpften die Union-Verteidiger Diogo Leite und Danilho Doekhi dann jede hohe Hereingabe weg und als auch der letzte Freistoß der Dortmunder in den Handschuhen von Frederik Rönnow landete, durften sich die Köpenicker über das erste dicke Ausrufezeichen der noch jungen Saison freuen.

Nach dem Sieg gegen den BVB haben die Köpenicker nach sechs Spielen jetzt elf Punkte auf dem Konto. In der Tabelle kletterte man dadurch vorbei an den Dortmundern auf Platz sechs. Der feierliche Abschluss für eine Woche, in der Union den Ausbau des eigenen Stadions angekündigt hat. 40 000 Fans sollen zukünftig zu den Heimspielen an der Wuhle kommen können. Die Umbauarbeiten sollen 2025 beginnen. Die Zukunft, sie sieht aktuell wieder rosig aus an der Alten Försterei.

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