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Dong-Xuan-Center: Kleines Hanoi
Unser Kolumnist hat es endlich ins Dong-Xuan-Center in Berlin-Lichtenberg geschafft
Jeder Berliner hat sie auf seiner Agenda stehen: Orte, die man schon immer mal besuchen wollte, zu denen man es aber bislang nicht geschafft hat. Bei mir war einer dieser Orte das Dong-Xuan-Center in Lichtenberg, dieser feuchte Traum aller »Geiz ist geil«- und- »Ein Euro auf alles«-Liebhaber dieser Welt. Es ist ein Großmarkt, auf dem man alle erdenklichen asiatischen Lebensmittel, aber auch elektronische Geräte erstehen kann. Außerdem gibt es dort einige vietnamesische Restaurants.
Das Dong-Xuan-Center ist ein mythischer Ort, ähnlich wie Camelot oder Atlantis. Viele meiner Bekannten sagen, dass es das Center nicht mehr gibt. Es sei abgebrannt. Vor Kurzem oder schon vor Jahren. Tatsächlich war das Center in den vergangenen Jahren immer wieder in den Schlagzeilen wegen Bränden, die mit mangelnder Sicherheit oder mit kriminellen Machenschaften zu tun haben sollten. Es steht aber noch. Als ich in der Zeitung lese, der Asiamarkt feiere an einem Wochenende in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag, ist die Freude groß. Endlich ein Anlass, den Sonntagnachmittag anders zu verbringen als sonst. Ich fahre also bis zur Station »Landsberger Allee« und schließe mich dort einem Pulk von etwa 1000 anderen Besuchswilligen an; viele sprechen Vietnamesisch oder andere asiatische Sprachen.
Eine halbe Stunde später steige ich in einem Industriegebiet aus und stehe vor Halle 1. Ich befinde mich inmitten einer Traube von Berlinern, die diesen Nachmittag, an dem die meisten Läden geschlossen sind, für ein ungewöhnliches Shopping-Erlebnis nutzen wollen. Kurz darauf stehe ich in einem engen Gang. Links und rechts sind Geschäfte, es hat was von einem Basar, dieses »Little Hanoi«, wie es auch genannt wird. Noch besser klingt aber »Frühlingswiese«, was die eigentliche Bedeutung von Dong Xuan ist.
Für den Kauf von Nippes aller Art bin ich nicht zu haben. Ich suche diesen vietnamesischen Kaffee mit Popcorn-Note, der es mir schon seit geraumer Zeit angetan hat. Den muss es im Dong-Xuan-Center ja in Hülle und Fülle geben, mutmaße ich. Nach etwa zwei Stunden des Herumirrens kann ich feststellen: Es gibt diesen Kaffee mit Popcorn-Note, wenn auch nicht in Hülle und Fülle. Was es dagegen in verschwenderischem Ausmaß gibt, sind Friseure. Ich habe noch nie so viele Friseure auf einem Fleck gesehen und ich bezweifle, dass sie alle ihr Auskommen finden, denn Kunden habe ich an diesem Sonntagnachmittag kaum entdeckt. Gerade Besucher ohne Erfahrung mit großen Asiamärkten haben wohl nicht damit gerechnet, dass sie sich hier sonntags die Haare schneiden lassen können, und für einen spontanen Schnitt dürften die meisten nicht zu haben sein. Viele haben ihren Stammladen, und daran dürfte auch der hier sensationelle Preis von sechs Euro für einen Haarschnitt nichts ändern.
Was es ebenso häufig gibt, sind Schutzhüllen für Pässe aller Art. Egal, ob Klamottenladen, Spielzeuggeschäft oder Friseur, Schutzhüllen für Pässe gibt es überall. Natürlich auch die obligatorische Winkekatze in allen Größen und Farben. Vielleicht fahre ich dort nochmal hin – wenn der Kaffee alle ist.
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