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ÖRR-Reform: Ein feuchter Traum der Rechten
Leo Fischer über das Verschwinden der Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als soziale Errungenschaft
Man soll ja den Boten nicht direkt erschießen, aber manchmal spricht schon der Bote gegen den Inhalt der Nachricht. Die Tatsache, dass die Ministerpräsident*innenkonferenz sich für einen Kahlschlag beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk entschieden hat, wurde als Erstes vom konservativen »Focus« bekanntgemacht, und damit war bereits der Rahmen gesetzt: Schon seit Langem steht der »ÖRR«, wie das öffentlich-rechtliche Mediensystem im Politsprech genannt wird, im Fadenkreuz rechter Kräfte: als Organ vermeintlicher »Volkspädagogik« und »Ideologisierung«.
Das sind natürlich nur Worthülsen, in Wirklichkeit steht der viel gescholtene Öffentlich-Rechtliche immer noch gut da, was das Publikumsvertrauen angeht. Aber er ist ein Dorn im Auge derer, die den ganzen Bereich öffentlicher Information am liebsten hinter Paywalls verstecken oder der Willkür der Werbenden unterwerfen würden. Es gibt in Deutschland kein privates Nachrichtenformat, ob im Fernsehen oder anderswo, das Qualität und Anspruch der »Tagesschau« auch nur nahezukommen versucht. Stattdessen werden überall Redaktionen zusammengespart, Dutzende Regionalblätter von »Zentralredaktionen« versorgt, bei denen die Hälfte der Artikel aus dem Ticker stammt und die andere von der KI geschrieben wird. In Großbritannien hat es neben der scheinbaren Übermacht der BBC immer einen starken privaten Sektor gegeben – in den wurde allerdings auch investiert. Die Öffentlich-Rechtlichen kleinzusparen, heißt: Das, was die Privaten so zusammenmurksen, wird der neue Standard; der Müll, den Springer und »Nius« verbreiten, erhält nun eine künstliche Subvention.
Leo Fischer ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chef des Satiremagazins »Titanic«. In seiner Kolumne »Die Stimme der Vernunft« unterbreitet er der Öffentlichkeit nützliche Vorschläge. Alle Texte auf: dasnd.de/vernunft
Auch von links wurde der Öffentlich-Rechtliche oft kritisiert. Es ist wahr, dem Programm merkt man oft nicht an, dass es teurer ist als die BBC, ohne auch nur in den Horizont dieser Qualität zu kommen. Der Samstagabendkrimi der ARD ist meist eine ästhetische wie intellektuelle Bankrotterklärung. Am Eiertanz um die grundkorrupten Fußballverbände und deren Lizenzen sollten Anstalten des öffentlichen Rechts gar nicht erst teilnehmen. Kritische Politformate wie »Monitor« werden ausgedünnt, während AfD und Wagenknecht in den großen Talkshows Dauersitze haben. Die Intendant*innengehälter wie auch die Struktur der Rundfunkräte bedürfen einer grundsätzlichen Korrektur.
Das, was aber jetzt passiert, ist, wie schon bei der sogenannten Migrationsdebatte, ein weiterer feuchter Traum der Rechten, der in Erfüllung geht. Den Öffentlichen wird der Zahn gezogen, insbesondere ihr Online-Angebot soll sich ausschließlich auf ihr Fernsehprogramm beziehen, was letztlich das Ende beispielsweise von tagesschau.de als eigenständiges Nachrichtenportal bedeutet. Damit wird weiten Teilen der Bevölkerung der Zugriff auf seriösen, nahezu kostenlosen Journalismus entzogen. Völlig verloren gegangen ist die Idee, dass der öffentliche Rundfunk uns allen gehört, eine soziale Errungenschaft ist wie Wochenende oder Rente – und dass er uns jetzt zugunsten privater Profitinteressen genommen werden soll.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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