Amazon-Tower in Berlin: Eine Stadt für Konzerne

Ein breites Bündnis in Friedrichshain kämpft gegen den Ausverkauf der Stadt an Amazon und Co.

  • Laura Meng
  • Lesedauer: 5 Min.
Bei stadtpolitischen Initiativen unbeliebt: der Amazon Tower
Bei stadtpolitischen Initiativen unbeliebt: der Amazon Tower

Kalt ragt die eckige, verspiegelte Glasfassade über die sonst eher vom Leben gezeichnete Architektur rund um die Warschauer Brücke in Friedrichshain. Edge East Side Tower wird der Turm genannt, in den sich vor allem der Großkonzern Amazon eingemietet hat – oder eben kurz Amazon Tower. Ein Bündnis aus klima-, stadt- und mietpolitischen Initiativen kämpft gegen den Einzug des Unternehmens in Friedrichshain und hatte zuletzt für vergangenen Samstag zu einer Demonstration aufgerufen.

Kim Smith ist Teil des Bündnisses und hat mit »nd« darüber gesprochen, warum Amazon im Kiez nicht gewollt ist. Gründe gibt es viele: die Arbeitsbedingungen zum Beispiel und die Klimabilanz des Unternehmens. Am offensichtlichsten ist hier in Berlin jedoch die Kritik an der Gentrifizierung. Während der Wohnungsmarkt immer enger wird und Menschen sich die Mieten in ihren Kiezen nicht mehr leisten können, wird in Friedrichshain ein neuer Büroturm errichtet. Dabei stehen in Berlin knapp sechs Prozent der Büroflächen leer. »Warum baut man noch einen Turm? Gerade vor dem Hintergrund der Wohnungskrise. Zieht halt einfach in andere bestehende Büros«, sagt Smith.

»Unser Kritikpunkt ist, dass nachgewiesenermaßen große Immobilienentwicklungen krass zu Gentrifizierung beitragen, weil die Bodenpreise und die Mieten sich erhöhen, weil das Angebot sich anpasst.« Dies macht natürlich auch etwas mit der Umgebung rund um den Turm. Auf der einen Seite ist der Kiez noch geprägt von Restaurants, kleinen Läden und Bars, von Treiben und Nachtleben – auch wenn das Straßenbild natürlich seit Jahren von Tourist*innen durchzogen ist und die Ladenmieten hier horrend sind. Daneben das RAW-Gelände, ein den Ruf Berlins prägendes Party-Areal, für das es inzwischen neue Bebauungspläne gibt. Auf der anderen Seite der Warschauer Brücke sieht die Umgebung deutlich anders aus: Die East Side Mall, daneben die Uber-Arena, viele versiegelte Flächen und neben dem Zalando-Verwaltungsgebäude, dem ersten Hochhaus hier in der Ecke, nun auch der Amazon Tower.

Die Firmen wissen, dass die Gegend angesagt ist und kommen bewusst hierher. »Der Stadtteil ist jetzt nicht deswegen cool, weil Zalando hier ist, sondern weil Menschen, die hier wohnen, das jahrelang zu einem attraktiven Ort gemacht haben«, sagt Smith. Hier herrsche aber eine Stadtentwicklung vor, die nicht für Menschen gemacht ist, sondern für Konzerne. Diese Konzerne profitierten zwar aktuell von der Attraktivität des Kiezes, würden diese jedoch langfristig zerstören. »Und am Ende des Tages führt das zu einer sozialen Verdrängung und verändert generell den Charakter des Kiezes.«

Die Entwicklung der Stadt wirke sich in erster Linie auf ihre Bewohner*innen aus. Das seien auch die Menschen, die im Turm arbeiten und arbeiten werden. Smith sagt, dass Amazon bereits jetzt 3400 Mitarbeitende in Berlin beschäftige. Davon werde ein Großteil in den Turm umziehen.

»Dann geht es immer so weiter, bis hier eine Hochhaussiedlung entsteht.«

Kim Smith Demonstrations-Bündnis

Neben der Gentrifizierung sind die Arbeitsverhältnisse bei Amazon ein bekannter Kritikpunkt. »Wenn man krank ist, muss man Strafe zahlen. Wenn man zu lange krank ist, wird man gekündigt«, schildert Smith die Verhältnisse bei einem Logistik-Subunternehmen. »Hier ist das Legale mehrfach überzogen worden, man kann sich das gar nicht vorstellen.«

Auszeichnend für das Demonstrations-Bündnis ist, dass auch die Stimmen von Amazon-Beschäftigten vertreten sind: Interne und externe Perspektiven treffen hier zusammen. »Das sind genau die Leute, die theoretisch auch in diesem Turm arbeiten würden. Aber eben Menschen, die das kritisch sehen.«

Amazon und Zalando werden vermutlich nicht die einzigen Großkonzerne sein, die den Kiez zukünftig prägen werden. Smith sagt voraus, die Umgebung rund um die Warschauer Brücke könne in einigen Jahren ganz anders aussehen: »Dann wird der nächste Grundstückseigentümer daneben halt auch auf die Idee kommen: ›Ja warum denn hier nicht auch ein Turm?‹ Und dann geht es immer so weiter, bis hier eine Hochhaussiedlung entsteht.« Die Bebauungspläne des RAW-Geländes sehen schon ein nächstes Hochhaus in unmittelbarer Nähe zu Amazon und Zalando vor. »Das wird passieren und das sieht man ja auch jetzt schon. Das ist nichts, was dieser Turm startet, aber er vervielfältigt es«, sagt Smith. Schlussendlich führe das zu einer Stadtentwicklung, die vor allem in dieser Gegend stark an Büros orientiert sei.

Dass dies von den Anwohnenden nicht gewünscht ist, darüber ist sich Amazon im Klaren und versucht deshalb, seinem Auftritt in Friedrichshain einen gemeinnützigen Anstrich zu verleihen. »Amazon hat schon mitbekommen, dass wir demonstrieren. Die haben da eine Webseite, auf der sie Fragen beantworten und sich so darstellen, als ob sie für den Kiez und Gesellschaft etwas leisten würden. Was das dann konkret ist, wird überhaupt nicht ausgeführt«, erklärt Smith. Eine der Etagen im Turm soll nun gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt werden. Smith sieht darin jedoch keinen wirklichen Gewinn: »Das ist ein unangenehmes Abhängigkeitsverhältnis.«

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Am Abbau von Abhängigkeitsverhältnissen sind auch einige Mitarbeitende des Amazon-Konzerns interessiert. Es gebe Stimmen im Bündnis, die für eine Enteignung des Konzerns plädieren, sagt Smith. »Auch die sind daran interessiert, dass sich Amazon als Unternehmen verändert. Manche würden sogar sagen, Amazon müsste man zerschlagen oder in die Hand der Beschäftigten übergehen, weil die das besser machen würden als so eine aggressive Unternehmensführung.«

Einen Erfolg kann das Bündnis bereits verzeichnen: Der Einzug in den Tower läuft Stück für Stück und im Stillen ab. Eine große Geste zum Einzug, das traut sich Amazon scheinbar nicht. »Es gibt da keine ›Wir sind da‹-Party, sondern sie laufen ohne großes Tamtam ein. Wir wollen ein Zeichen setzen, um vor dem Einzug noch etwas zu bewegen.« Das Tamtam hat das Bündnis am Samstag selbst machen. Unterstützt von einer Zubringer-Demonstration aus Kreuzberg, die die Initiative Görli 24/7 angemeldet hat, haben sie auf den Straßen Friedrichshains gezeigt, was die Berliner*innen vom Verkauf der Stadt an Amazon und Co. halten.

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