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Irres Torfestival: Frankfurt verschärft Bochums Krise

Der VfL erlebt mit der nächsten Klatsche seinen Tiefpunkt

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Überfordert: Bochums Moritz Broschinski (l.) versucht Frankfurts Nathaniel Brown vom Ball abzuschirmen.
Überfordert: Bochums Moritz Broschinski (l.) versucht Frankfurts Nathaniel Brown vom Ball abzuschirmen.

Fußballerischer Sachverstand ist den meisten Stadionbesuchern kaum abzusprechen. Mitunter reichen bereits 20 Minuten, dass die Fankurven lautstark in Sprechgesängen eine treffende Zusammenfassung abgeben. »Bochum, Bochum, zweite Liga – oh, wie ist das schön«, höhnten die stimmgewaltigen Ultras von Eintracht Frankfurt, während der prall gefüllte Gästeblock des VfL Bochum bald darauf im Stakkato kundtat: »Wir haben die Schnauze voll.«

Selten wirkte ein Bundesligaspiel in der mal wieder ausverkauften Arena im Stadtwald so einseitig. Am Ende hatten die recht ungehemmt und ungehindert ihre Spielfreude auslebenden Hessen den Revierklub mit 7:2 (4:1) vorgeführt. Insbesondere wenn die Adlerträger mit Anlauf Tempo aufnahmen, weil der Gegner törichterweise anfangs hoch pressen wollte, nahm der Grad der Überforderung für den Tabellenletzten Besorgnis erregende Ausmaße an.

Beim 1:0 von Hugo Ekitiké konnte Omar Marmoush seinem Gegenspieler Erhan Masovic einfach weglaufen (9.), beim 2:0 durch den Freistoß von Marmoush löste sich die Mauer beim Hochspringen auf (18.), dann verschluderte der kurz darauf ausgewechselte Maximilian Wittek den Ball gegen Ansgar Knauff (20.). Später hatten sich noch Nathaniel Brown (32.), Mahmoud Dahoud (61.), Can Uzun (66.) und erneut Ekitiké (69.) in die Torschützenliste eingetragen. Da vermochten Dani de Wit (35.) und Philipp Hoffmann (51.) nicht mal das Bochumer Ehrgefühl zu retten.

Interimstrainer Markus Feldhoff kündigte umgehend an, man müsse sich nach der Heimfahrt ausführlich Gedanken machen: »Weil so kann es nicht weitergehen.« Der für den entlassenen Peter Zeidler vorläufig beförderte Co-Trainer hatte nach einer Lehrstunde aus der Vorwoche gegen den FC Bayern (0:5) noch viele positive Aspekte hervorgehoben, nun redete der 50-Jährige nach diesem Offenbarungseid Klartext: »Ich kann mich nur bei jedem Fan des VfL Bochum entschuldigen für das, was wir heute angeboten haben. Ich hatte vor dem Spiel davon gesprochen, dass wir einen Leistungsnachweis erbringen wollen, dass wir in der Liga konkurrenzfähig sind.« Davon sei man »meilenweit entfernt« gewesen.

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Weshalb der eingewechselte Gerrit Holtmann bereits in der Halbzeitpause zu den erzürnten Anhängern ging, deren Frustfaktor in Frankfurt einen neuen Höhepunkt erreichte. »Ich bin freiwillig dahin, da ich den Austausch gesucht habe«, erklärte Holtmann bei Sky. »Ich weiß, dass es schwer ist, positiv zu bleiben.« An einem Spieltag, an dem beide Aufsteiger ihre ersten Siege feierten, rutschte der VfL immer tiefer in den Schlamassel. Mittelstürmer Hoffmann meinte: »So eine Leistung ist einfach nicht erstligareif.« Man hat zwar in der Vorsaison mit einem Kraftakt in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf den Abstieg verhindert, aber im Sommer erkennbar an Substanz verloren. Deshalb hat ja auch Sportdirektor Marc Lettau seinen Job verloren.

Noch in keinem Pflichtspiel ist die Eintracht auf so wenig Widerstand wie bei diesem Schützenfest getroffen. Selbst im Pokalspiel bei Eintracht Braunschweig (4:1) und auch zuletzt gegen Rigas FS (1:0) in der Europa League fiel das Toreschießen nicht so leicht. Der in bestechender Form befindliche Marmoush übertrumpfte mit seinem zehnten Saisontreffer nach neun Spieltagen mal eben Eintracht-Ikone Anthony Yeboah. »Wenn wir so weiter arbeiten und bodenständig bleiben, können wir sehr viel erreichen«, sagte der Ägypter. In seinem Windschatten beeindruckten auch jene jungen Nachrücker, denen Eintracht-Trainer Dino Toppmöller wohl auch in Erwartung einer nicht ganz so anspruchsvollen Aufgabe vertraut hatte.

Es sollte kein Risiko sein, US-Boy Nnamdi Collins, 20, den deutschen U21-Nationalspieler Brown, 21, und den Franzosen Jean-Matteo Bahoya, 19, in die Startelf zu stellen. Später kam mit Uzun, 18, noch ein Toptalent hinzu, das die Eintracht für zehn Millionen Euro Ablöse vom 1. FC Nürnberg gegen große Konkurrenz verpflichtet hatte. Die Rasselbande überzeugte auf Anhieb. Brown wie Uzun gelang jeweils der Premierentreffer im Oberhaus, wofür sich ein aus Nürnberger Zeiten eingeübter Jubel der Jungspunde anbot. Linksverteidiger Brown berichtete vom »schönsten Tag« in seinem Leben: »Ja, es ist ein Kindheitstraum: Erstes Bundesliga-Tor in so einem Stadion, bei so einem Verein, mit so einer Mannschaft!«

Im Hochgefühl plauderten die beiden gleich noch aus, dass eine kuriose Wette laufe. Brown glaubt nämlich nicht, dass der Kumpel Uzun bis zu seinem 19. Geburtstag am 11. November den Führerschein in den Händen hält. »Er hat immer noch keinen. Ich glaube, das wird nichts mehr. Die Wette geht an mich.«

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