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  • Obszönes Verhalten gegenüber Frauen

»Catcalling« ist keine Bagatelle

Für Lorenz Bode braucht es eine geänderte Rechtsprechung, um öbszöne Gesten gegenüber Frauen zu unterbinden

  • Lorenz Bode
  • Lesedauer: 3 Min.
Obszönes Verhalten gegenüber Frauen – »Catcalling« ist keine Bagatelle

Neuerdings wird in der Politik wieder über die Strafbarkeit des sogenannten Catcallings diskutiert. Catcalling bezeichnet sexuelle Belästigungen ohne körperlichen Kontakt, etwa das Hinterherrufen von Obszönitäten oder Pfiffe und Gesten. Betroffen sind fast immer junge Frauen. Der Tatort liegt in den meisten Fällen im öffentlichen Raum, und die Täter sind beinahe ausschließlich Männer. Zuletzt hatte sich die niedersächsische Landesregierung mit einem Gesetzentwurf dafür eingesetzt, diese Form der Belästigung als neuen Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufzunehmen.

Ein Fall passt nahtlos in dieses Muster und hat großes Aufsehen erregt: Im November 2016 verfolgte ein 65-jähriger Mann auf offener Straße ein elfjähriges Mädchen und bedrängte sie mit den Worten, er wolle »ihre Muschi anfassen«. Das Landgericht Rostock wertete diese Tat unter anderem als Beleidigung. Der Bundesgerichtshof war indes anderer Meinung: Eine Beleidigung sei nicht gegeben, da die Äußerung keinen ehrverletzenden Charakter aufweise. Die Verurteilung wurde aufgehoben.

Genau darin liegt die Krux: Wir brauchen in puncto Catcalling nicht zwingend einen neuen, eigenen Straftatbestand. Wir brauchen vor allem eine Änderung der Rechtsprechung. Denn eine Strafbarkeit von Catcalling scheidet – von Extremfällen mal abgesehen – schon deshalb aus, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine sexuell motivierte Äußerung des Täters allein regelmäßig nicht ausreicht, um als Beleidigung zu gelten.

Lorenz Bode

Lorenz Bode, Jahrgang 1989, ist Staatsanwalt und lebt in Magdeburg. Er gibt hier ausschließlich seine Privatmeinung wieder.

Diese restriktive Auslegung ist jedoch keineswegs zwingend. Sie wirkt vielmehr antiquiert. Man kann und sollte das anders sehen. Teilweise geschieht das auch schon, siehe das Landgericht Rostock im obigen Beispiel.

Flankierend könnte man eine Änderung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren erwägen. Und zwar dahingehend, dass man den Staatsanwaltschaften bundesweit aufgibt, in Catcalling-Fällen, bei denen es um Beleidigung nach Paragraf 185 Strafgesetzbuch geht, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung – stets – zu bejahen; eine Verweisung auf den Privatklageweg wäre somit ausgeschlossen.

Klar ist, dass unser Strafrecht nicht als Mittel dient, eine bestimmte Sexualmoral vorzuschreiben. Aber gerade deshalb erscheint es mir sinnvoller, auf die Staatsanwaltschaften und Gerichte zu setzen sowie darauf, dass das Phänomen Catcalling insbesondere mit den bestehenden Mitteln des Beleidigungsstrafrechts bekämpft wird. Ein neuer Straftatbestand dagegen dürfte mit Blick auf seine verfassungsgemäße Ausgestaltung Probleme aufwerfen. Vor allem in Sachen Bestimmtheitsgebot. Denn es wird schwer, tatbestandlich eine Grenze zu ziehen zwischen straffreien Taktlosigkeiten und strafbarem Herabwürdigen. Die braucht es aber. Gerade für den Laien als Rechtsanwender. Auch für ihn sollte jederzeit klar erkennbar sein, ob ein Verhalten als strafbar gilt oder nicht.

So oder so: Catcalling ist keine Bagatelle, sondern ein Fall für das Strafrecht. Das gilt umso mehr, als die Opfer von Catcalling bisweilen sogar unter körperlichen Folgen (etwa Schlafstörungen) leiden, wie eine Befragung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen gezeigt hat.

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