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Ende der Ampel: Scholz Vertrauter Kukies neuer Finanzminister
Scholz bricht mit Lindner / Wissing bleibt Verkehrsminister / Vertrauensfrage im Januar
Berlin. Die Ampel-Koalition ist zerbrochen. Nach einem erbitterten Richtungsstreit vor allem über den künftigen Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) an, Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus dem Kabinett zu entlassen. Die Wählerinnen und Wähler können sich nun im März auf vorgezogene Neuwahlen einstellen. Der Bruch der Koalition kommt kurz nach dem Sieg des republikanischen Kandidaten Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen.
Am Donnerstagmorgen wurde bekannt, dass Jörg Kukies Nachfolger von Lindner wird. Der Sozialdemokrat Kukies ist derzeit Staatssekretär im Kanzleramt und gilt als einer der wichtigsten Berater von Kanzler Scholz. Er ist sein Mann für Wirtschaft und Finanzen und verhandelt für ihn die Abschlussdokumente der G7- und G20-Gipfel.
Scholz will Vertrauensfrage stellen
Der Bundestag solle am 15. Januar über eine Vertrauensfrage abstimmen, sagte Scholz in Berlin. Erwartet wird, dass er diese verliert. In diesem Fall kann der Kanzler den Bundespräsidenten bitten, den Bundestag aufzulösen. Scholz sagte, der Bundestag könne den Weg für vorgezogene Neuwahlen freimachen. Diese könnten spätestens Ende März stattfinden.
Scholz machte Lindner schwere Vorwürfe. Dem FDP-Politiker gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. »Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.«
Scholz wollte mit Blick auch auf die Folgen des Ukraine-Kriegs ein Aussetzen der Schuldenbremse. Das lehnte die FDP ab. Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. »Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.« Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. »So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich.«
Der entlassene Finanzminister Christian Lindner warf dagegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor, den Bruch der Ampel-Koalition gezielt herbeigeführt zu haben. SPD und Grüne hätten seine Vorschläge für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Deutschlands nicht einmal als Beratungsgrundlage akzeptiert. Schließlich habe Scholz ultimativ von ihm verlangt, die Schuldenbremse des Grundgesetzes auszusetzen, sagte Lindner. »Dem konnte ich nicht zustimmen, weil ich damit meinen Amtseid verletzt hätte. Deshalb hat der Bundeskanzler in der Sitzung des Koalitionsausschusses am heutigen Abend die Zusammenarbeit mit mir und der FDP aufgekündigt.« Die FDP teilte am späten Abend mit, dass sie alle Minister aus der Bundesregierung zurückzieht – neben Linder sind das Marco Buschmann (Justiz), Bettina Stark-Watzinger (Bildung) und Volker Wissing (Verkehr). Damit beendet sie das Dreierbündnis der Ampel-Koalition endgültig.
Wie am Donnerstagmorgen bekannt wurde, bleibt Wissing im Amt und verlässt seine Partei. Scholz habe ihn am Mittwochabend gefragt, ob er bereit sei, sein Ministeramt »unter den neuen Bedingungen fortzuführen«, erklärte Wissing am Donnerstagmorgen in Berlin. »Ich habe darüber nachgedacht und dies gegenüber Herrn Bundeskanzler Scholz bejaht.« Mit dieser Entscheidung wolle er aber »keine Belastung für meine Partei sein«, fügte Wissing hinzu – daher habe er Bundesparteichef Christian Lindner »meinen Austritt aus der FDP mitgeteilt«. Er wolle in keine andere Partei eintreten und sich auch nicht von den »Grundwerten« der FDP distanzieren.
Ringen um Lösungen scheitert
In mehreren Runden hatte Scholz in den vergangenen Tagen mit Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Auswegen aus der Krise gesucht. Lindner hatte in einem Papier vor dem Hintergrund der Konjunkturflaute eine zum Teil völlige Neuausrichtung der Ampel-Politik gefordert. In dem Papier wird etwa als Sofortmaßnahme die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener gefordert, ein sofortiger Stopp aller neuen Regulierungen sowie ein Kurswechsel in der Klimapolitik. Dagegen gab es großen Widerstand bei SPD und Grünen. Weiter ging es darum, wie ein Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft werden kann.
Lindner hatte schon vor einiger Zeit den »Herbst der Entscheidungen« für die Koalition ausgerufen, die seit Ende 2021 amtiert. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der eigentlich am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll.
Vizekanzler Habeck bedauerte den Bruch der Ampel-Koalition. Er betonte vor dem Kanzleramt, »dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt«. Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. »Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen«, sagte Habeck. Die Entlassung von Lindner sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen.
Scholz will auf Merz zugehen
Scholz will Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. »Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen«, sagte der Kanzler. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, »die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung«, sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: »Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen.« Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das »vielleicht dringender denn je«. Agenturen/nd
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