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Tadej Pogačar sprengt die Grenzen des Sports

Die Dominanz des Slowenen hat viele, nicht unbedingt positive Folgen

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Bild der Saison: Tadej Pogačar sehen die Konkurrenten nur von hinten.
Das Bild der Saison: Tadej Pogačar sehen die Konkurrenten nur von hinten.

Tadej Pogačar hat in dieser Radsportsaison neue Maßstäbe gesetzt. Er gewann den Giro d’Italia und die Tour de France überlegen. Dann wurde er Weltmeister und holte zudem die Klassikermonumente Lüttich–Bastogne–Lüttich und die Lombardei-Rundfahrt. Das ist enorm. Es führt aber auch zum Frust bei Konkurrenten, Experten und Zuschauern. »Tadej ist in seiner momentanen Verfassung so gut wie unschlagbar. Und man weiß nie, was das nächste Jahr bringt. Vielleicht ist er da sogar noch besser«, erlaubte Radprofi Primož Roglič einen Blick in seine Seelenlage.

Im Lager von Pogačars Hauptrivalen Jonas Vingegaard ist die Stimmung nicht wesentlich optimistischer. »Pogačar ist einfach der Beste. Es liegt am Rest des Pelotons, den Rückstand zu reduzieren«, meinte Frans Maassen, sportlicher Leiter des Dänen. An ein Einholen oder gar Überholen wagt Maassen zumindest öffentlich nicht zu denken.

Langweilige Rennen

Noch drastischer drückte der ehemalige dänische Profi Michael Rasmussen die Überlegenheit Pogačars aus: »Es ist, als würde man im Fußball bei einem Elfmeter zuschauen, bei dem der Torwart fehlt und die einzige Spannung darin besteht, welche Ecke sich Messi für den Schuss aussucht«, meinte der heutige Kolumnist. »Tritt Tadej Pogačar an, traut sich niemand mehr mitzugehen. Sie kämpfen nur noch um die Plätze dahinter«, monierte der ehemalige Bergkönig der Tour. Das mache die Rennen langweilig. Rasmussen hat aber auch Mitleid mit den Berufskollegen von Pogačar: »Alles in allem sind sie mit einer Art Supermacht konfrontiert. Geht Pogačar gemeinsam mit Majka, Sivakov und Hirschi an den Start, ist der Rest machtlos«, spielte er auf die mannschaftliche Stärke von Team Emirates an.

Der Schweizer Marc Hirschi verlässt den Rennstall in Richtung des heimischen Tudor-Teams. Mit dem Ecuadorianer Jonathan Narváez kommt aber ein neuer Mann mit ebenfalls großem Motor und noch größerer Endgeschwindigkeit zu Pogačars Team. Schwächer dürfte die Unterstützung auch im kommenden Jahr nicht werden.

Finanzielle Explosion

Pogačar setzt auch in anderen Bereichen neue Maßstäbe. Laut »Gazzetta dello Sport« wurde sein Jahressalär auf 8 Millionen Euro aufgebessert – ohne Bonuszahlungen. Novum im Radsport ist die auf 200 Millionen Euro festgelegte Ablösesumme. Bei Teambudgets zwischen 20 und 50 Millionen Euro pro Jahr müsste schon ein gewaltiger Investitionsschub die Branche erschüttern, damit einer der rivalisierenden Rennställe eine derartige Summe aufbringt.

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Die Triumphe des Slowenen bedeuten gleichzeitig den Abstieg des einst dominierenden Rennstalls Ineos Grenadiers in die Bedeutungslosigkeit. In der vergangenen Saison holten die Briten nur 14 Siege. Ein Jahr zuvor waren es noch 38, zu Hochzeiten, als Chris Froome das Tempo bestimmte, wurden schon mal 43 eingefahren.

Ineos gibt auf

Der Misserfolg führte zum Austausch der Führungskräfte. Rod Ellingworth, einst zweiter Mann hinter Teamgründer David Brailsford, Steve Cummings, als »Director of Racing« erst ein Jahr im Amt, oder Xabier Artetxe als Mentor der spanischsprachigen Fraktion um den früheren Tour-Sieger Egan Bernal – sie alle verließen das Team. Die neue Führungsriege schaut nicht mehr auf das Klassement bei den großen Rundfahrten, sondern sucht das Glück in Etappenerfolgen. Die weiße Flagge ist gehisst.

Auch die Organisatoren stehen vor einem Problem. Alte Tricks gegen Langeweile durch erdrückende Dominanz dürften kaum wirken. 1930 gaben die Ausrichter des Giro d’Italia Alfredo Binda das komplette Preisgeld bereits vor dem Start, damit er nicht antritt. Binda, der den Giro zuvor dreimal in Folge gewonnen hatte, akzeptierte den Deal, holte sich aber drei Jahre später noch einen Gesamtsieg. Ähnliche Vorschläge treffen bei Pogačar angesichts seines neuen Vertrags wohl auf taube Ohren.

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