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Ägypten formalisiert die Abschiebung

Kairos neue Asylgesetzgebung macht fragwürdige Praktiken zum Standard

  • Sofian Naceur
  • Lesedauer: 4 Min.
Kriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Sudan sind in Ägypten dem Risiko von Massenabschiebungen ausgesetzt.
Kriegsflüchtlinge aus dem benachbarten Sudan sind in Ägypten dem Risiko von Massenabschiebungen ausgesetzt.

Nach drei Jahren Spekulationen und intransparenter Vorbereitungen kommt Schwung in den Gesetzgebungsprozess für ein Asylgesetz in Ägypten. Der Ende Oktober vom parlamentarischen Ausschuss für Verteidigung und nationale Sicherheit gebilligte Entwurf muss noch vom Parlament verabschiedet und von Staatspräsident Abdel Fattah Al-Sisi ratifiziert werden. Doch die bekannt gewordenen Details des Gesetzes machen unmissverständlich klar, dass es der Regierung mit dem Vorstoß keineswegs um die Einführung eines Regelwerks im Sinne geflüchteter Menschen geht, das internationalen Konventionen entspräche. Mit dem Gesetz wird vielmehr die von ägyptischen Behörden angewandte Inhaftierungs- und Abschiebepraxis gegen Geflüchtete formalisiert, während der Staat seine Kontrolle über den Status von im Land lebenden Geflüchteten ausweiten will – unmittelbar unterstützt von der EU-Asylagentur EUAA.

Ägyptens Regierung hatte bereits 2023 einen Entwurf für eine solche Verordnung ausarbeiten lassen, den Text selbst allerdings unter Verschluss behalten – bis vor wenigen Tagen. Das Gesetz sieht die Einrichtung eines Ständigen Komitees für Flüchtlingsangelegenheiten vor, bei dem Geflüchtete künftig Asyl beantragen können. Bisher war es nicht der ägyptische Staat, sondern einzig das Ägypten-Büro des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, das Geflüchteten den Flüchtlingsstatus zusprach, entsprechende Ausweise ausstellte und die Notversorgung von Flüchtlingen übernahm.

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Der nun auf dem Tisch liebende Text überträgt Asylanerkennungsverfahren vom UNHCR an Ägyptens Regierung. Diese gewährt Geflüchteten mit dem Gesetz zwar erstmals das Recht auf Bildung, Arbeit und die Ausstellung von Reisedokumenten. Das Gesetz scheint allerdings Sicherheitserwägungen Vorrang vor dem Flüchtlingsschutz einzuräumen und damit das Asylrecht zu untergraben, erklärt der Direktor der Menschenrechtsgruppe Egyptian Commission for Rights and Freedom (ECRF), Mohamed Lotfy, gegenüber »nd«. »Der Text enthält eine weit gefasste Bestimmung über ›Handlungen, die die nationale Sicherheit oder öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnten‹. Diese vagen Formulierungen räumen dem neu einzurichtenden Komitee einen übermäßigen Ermessensspielraum ein, der willkürlichen Ablehnungen von Asylanträgen Tür und Tor öffnet«, so Lotfy.

Freie Bahn für Abschiebungen

In einem Positionspapier fordert ECRF daher die Entfernung sämtlicher unpräziser Begriffe, die die Rechte Geflüchteter einschränken könnten sowie eine Überprüfung des Textes auf seine Vereinbarkeit mit der Genfer Flüchtlingshilfekonvention von 1951, die Ägyptens Regierung 1981 unterzeichnet hat. Zentral ist diese Forderung vor allem im Hinblick auf jene Passagen des Textes, die mit vagen Verweisen auf Ägyptens nationale Sicherheit Inhaftierungen und Abschiebungen von Geflüchteten legitimieren und formell in ägyptischem Recht verankern.

Seit Jahren verfolgen ägyptische Behörden eine teils willkürliche, teils systematische Inhaftierungs- und Abschiebepolitik gegen Geflüchtete. Menschen mit oder ohne UNHCR-Status werden dabei oft so lange interniert, bis sie einwilligen, sich auf eigene Kosten abschieben zu lassen. Seit Beginn des blutigen Krieges im Sudan im April 2023 sollen rund eine Million Menschen aus dem Nachbarland nach Ägypten geflohen sein. Kurz nach Kriegsbeginn verschärften ägyptische Behörden den Umgang mit sudanesischen Flüchtlingen und führen seither regelmäßig gegen internationales Recht verstoßende Massenabschiebungen in den Sudan durch. Allein im September 2023 sollen rund 3000 Menschen in das im Chaos versinkende Land ausgewiesen worden sein.

Für die EU und ihre Mitgliedstaaten ist der fortschreitende Gesetzgebungsprozess in Ägypten derweil ein klarer Erfolg, versucht Brüssel doch schon seit Jahren Regierungen in Nordafrika zu überreden, Asylgesetze zu verabschieden. Solche würden es EU-Staaten erlauben, irregulär in die EU eingereiste Menschen dorthin abzuschieben und Asylprozeduren auszulagern. In Tunesien war 2017 mit Unterstützung der EU ein Asylgesetz entworfen worden. Dieser Entwurf wurde dort aber nie dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt und schlummert seither in der Schublade. Die EU-Asylagentur EUAA führt dabei schon seit 2019 Trainings für ägyptische Offizielle durch und berät die Regierung in Asylfragen, habe aber keinen Zugang zum Gesetzgebungsprozess des Asylgesetzes gehabt, so die EUAA in einer Antwort auf eine Presseanfrage.

Kairo will Gegenleistung von Brüssel

In Ägypten könnte nun tatsächlich ein solcher Präzedenzfall geschaffen werden, hat das Sisi-Regime doch ein evidentes Interesse daran, das UNHCR als Entscheidungsinstanz über den Status von im Land lebenden Geflüchteten auszuschalten. Ägypten hält sich mit der ausstehenden Abstimmung im Parlament und der Ratifikation durch Präsident Al-Sisi allerdings noch alle Optionen offen, Gegenleistungen aus Brüssel zu fordern oder den Prozess zu verschleppen, sollten die EU-Hilfen dem Regime nicht reichen.

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