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Kahlschlag in Sachsens Kommunen
Dresden und Chemnitz planen drastische Kürzungen bei Kultur, Jugend und Sozialem
Die Wildschweine im Chemnitzer Wildgatter sind schon länger weg; sie wurden 2022 wegen der Afrikanischen Schweinepest erlegt. Nun steht die beliebte Freizeiteinrichtung gänzlich zur Disposition. Ihre Schließung ist Teil eines Sparpakets, das Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) kürzlich im Stadtrat vorstellte und das »eine große Menge an Zumutungen« für die Bürger enthält, wie er freimütig einräumte. Weil im Etat für 2025/26 ein Loch in dreistelliger Millionenhöhe klafft, werden wenige Monate nach der Stadtrats- und der Landtagswahl in einem lange nicht mehr gesehenen Umfang Gebühren erhöht, Leistungen gestrichen und Zuschüsse etwa für Kultur- und Jugendprojekte gekürzt.
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So sollen nach den Vorstellungen der Verwaltung ausgerechnet in dem Jahr, in dem Chemnitz europäische Kulturhauptstadt sein wird, die Tickets für Museen teurer werden; den bisherigen kostenfreien Eintritt an einem Wochentag wird es nicht mehr geben. Bäder und Saunen werden geschlossen, Bürgerbüros am Stadtrand nicht mehr geöffnet, Stellen in der Stadtverwaltung gestrichen. Die Elternbeiträge für die Kinderbetreuung und der Unterricht in der Musikschule sollen ebenso teurer werden wie das Parken oder die Garagenpacht. Auch bei Bus und Bahn soll das Angebot ausgedünnt werden. Schulze spricht von »harten Einschnitten«. Ob diese in der vorgeschlagenen Form umgesetzt werden, soll der Stadtrat noch vor Weihnachten entscheiden.
Chemnitz ist längst kein Einzelfall. In der Landeshauptstadt Dresden stellte FDP-Oberbürgermeister Dirk Hilbert vergangene Woche einen Etatentwurf für die nächsten zwei Jahre vor, der eine beispiellose »Liste der Grausamkeiten« enthält. Demnach müssen etwa renommierte Kultureinrichtungen wie das Deutsche Hygiene-Museum oder das Festspielhaus Hellerau mit deutlich weniger Geld auskommen, obwohl die Parkgebühren, der Grundsteuersatz und die Elternbeiträge in den Kitas angehoben werden und die Sanierung des Fernsehturms infrage gestellt wird.
Darüber hinaus werden auch in Dresden die städtischen Zuschüsse für Sozial-, Jugend- und Kulturprojekte massiv gestrichen. In der Folge sind Jugend- und Familienhäuser in ihrer Existenz gefährdet, Beratungsstellen für Migranten, Senioren oder Alleinerziehende müssen absehbar schließen. Dietrich Bauer, Landeschef der Diakonie Sachsen, spricht von einem »absolut falschen Signal« und sieht bereits den »sozialen Frieden massiv in Gefahr«. Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht von einer »Verstümmelung der sozialen Infrastruktur bis zur Grenze der Unwirksamkeit«. Er geht davon aus, dass allein bei der Jugendhilfe 30 Prozent der bisherigen Ressourcen wegfielen. Viele Träger seien in ihrer Existenz bedroht. »Offenbar«, heißt es in einer Erklärung, würden »von der Stadt nicht nur die eingeschränkte Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, sondern auch Insolvenzen von freien Trägern billigend in Kauf genommen«.
Die Rathauschefs sehen grundsätzlich keine Alternative zu dem drastischen Sparkurs. Die Finanzen von Chemnitz wie von vielen anderen Kommunen befänden sich »unter Wasser«, sagte Schulze. Er verweist wie viele seiner Kollegen darauf, dass Städten und Gemeinden von Bund und Ländern immer neue Aufgaben übertragen würden, ohne dass es dafür ausreichende finanzielle Kompensation gebe. Die Kosten für Pflichtaufgaben etwa im Sozialbereich und für das Personal steigen, gleichzeitig dürfen selbst Investitionen nicht durch Kredite finanziert werden. Mit welchen Zuweisungen die Kommunen 2025 rechnen können, ist offen, weil es bisher weder im Bund noch im Land beschlossene Haushalte gibt. Da im Bund der Wahlkampf begonnen hat und im Freistaat absehbar eine Minderheitsregierung mühsam um Stimmen werben muss, ist mit beschlossenen Etats auch nicht so bald zu rechnen.
»Sollten Städte und Kommunen ihre freiwilligen Leistungen herunterfahren oder streichen, sehen wir den sozialen Frieden massiv in Gefahr.«
Dietrich Bauer Diakonie Sachsen
Unwidersprochen bleiben die drakonischen Sparpläne nicht. In Chemnitz hat sich im Kultur- und Jugendhilfebereich eine »Allianz für Substanz« gegründet, die Widerstand organisieren will. In Dresden gab es am Rand der Stadtratssitzung, auf der Hilbert den Etat vorstellte, eine Protestkundgebung mit über 1000 Teilnehmern, die von einem ruppigen Polizeieinsatz überschattet wurde. Nicht nur die Linke warnt, was man jetzt etwa im Jugendbereich kürze, werde später »das Doppelte bis Dreifache« kosten. Der Rathauschef dämpft indes bereits Hoffnungen auf eventuelle Nachbesserungen. »Jede vermeintliche Wohltat«, sagte Hilbert, »wird an anderer Stelle Löcher reißen.«
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