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Spaniens Justiz führt ein politisches Eigenleben

Die Kriegsführung mit juristischen Mitteln ist im Königreich weitverbreitet

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.
Spaniens damalige Umweltministerin Teresa Ribera im Parlament in Spanien. Wegen ihres Wechsels in die EU-Kommission hat sie ihr Amt zur Verfügung gestellt. Die spanische Rechte will sie wegen den Flutfolgen in Valencia juristisch belangen.
Spaniens damalige Umweltministerin Teresa Ribera im Parlament in Spanien. Wegen ihres Wechsels in die EU-Kommission hat sie ihr Amt zur Verfügung gestellt. Die spanische Rechte will sie wegen den Flutfolgen in Valencia juristisch belangen.

Es war ein Paukenschlag, als sich der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez im April zurückzog, »Lawfare« anprangerte und über einen Rücktritt nachdachte. Das, was als Kriegsführung mit juristischen Mitteln bezeichnet wird, um politische Gegner kaltzustellen, hatte seine Familie erreicht. Seine Frau Begoña Gómez wird über ein zweifelhaftes Verfahren der Korruption und Einflussnahme beschuldigt.

Auch Sánchez’ sozialdemokratische Parteifreundin Teresa Ribera ist unter Beschuss. Die designierte Vizepräsidentin der neuen EU-Kommission wird von der rechten Opposition beschuldigt, als damalige Umweltministerin für tödliche Folgen der Flutkatastrophe in Valencia im Oktober verantwortlich zu sein. Das ist ein Ablenkungsmanöver der rechten Volkspartei (PP), denn die entscheidenden Kompetenzen lagen beim PP-Regionalpräsidenten Carlos Mazón. Der hatte die Alarmstufe Rot des Wetterdiensts ignoriert und erst gewarnt, als weite Teile längst überflutet waren.

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Die PP zeigt sich als schlechte Verliererin

Die PP missbraucht die Katastrophe von Valencia beim Versuch, die sozialdemokratische Sánchez-Regierung zu stürzen und kann dabei mit Schützenhilfe aus der Justiz rechnen. PP-Chef Alberto Núñez Feijoo verwindet es nicht, dass seine Partei bei den Parlamentswahlen 2023 zwar stärkste Kraft wurde, aber über die rechtsradikale Vox hinaus keine Unterstützer fand und deshalb keine Regierung bilden konnte.

Ribera wird nun EU-Wettbewerbskommissarin und Vizepräsidentin der Kommission. Ihr Stuhl wackelt aber schon vor ihrer Ernennung. In einer Schmierenkomödie wurde gerade mit der konservativen EVP-Fraktion vereinbart, dass die bisherige spanische Vizepräsidentin zurücktreten müsse, sollte es ein Strafverfahren gegen sie geben. Ihr Schicksal liegt also in der Hand von Richtern. Nun können rechtsextreme Organisationen wie die Pseudo-Gewerkschaft »Manos Limpias« (Saubere Hände) Behauptungen aufstellen, mit denen ein Richter Ermittlungen beginnt, wie im Fall der Sánchez-Ehefrau Gómez. Die Vorwürfe gegen sie, das hatte sogar Manos Limpias eingeräumt, basieren allein auf Berichten in rechten Medien, die für Fake-News bekannt waren.

Im Fall Ribera setzt sich der Richter Juan Carlos Peinado in seinem politischen Vorgehen sogar über den Obersten Gerichtshof hinweg. Der hatte längst als Doktrin aufgestellt, dass Medienberichte »die Einleitung eines Strafverfahrens« nicht rechtfertigen, »wenn es keine zugänglichen und stichhaltigen Beweise« gibt. Peinados Vorgehen dürfte die Blaupause für den weiteren Feldzug gegen Ribera und Sánchez sein.

Boye verfügt über eine solide Verteidigung

Das politisierte Eigenleben von Teilen der spanischen Justiz ist nicht neu. So musste das Land gerade am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg einräumen, dass ein Amnestiegesetz vom Obersten Gerichtshof nicht angewendet wird. Damit sollen katalanische Aktivisten und Politiker wegen der Vorgänge um das Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017 straffrei gestellt werden. Weil es nicht umgesetzt wird, kann der katalanische Präsident Carles Puigdemont noch nicht aus dem belgischen Exil heimkehren. Derweil musste schon ein willkürlicher Terrorismusvorwurf gegen Puigdemont kassiert werden. Doch Richter Joaquín Aguirre wirft ihm nun Hochverrat in einer angeblichen Russland-Verschwörung vor. Dabei wurden ihm weitere »Ermittlungen« von der übergeordneten Kammer längst untersagt, die eine »vollständige Inaktivität über sechs Monate« verfügte. Er macht aber über einen neu eröffneten Verfahrensteil einfach weiter. In mitgeschnittenen Gesprächen hatte er sein Ziel erklärt: Er wolle das »Grab« der Regierung sein.

Puigdemonts Anwalt ist Gonzalo Boye. Der ist mittlerweile auch Lawfare-Ziel, da er dafür gesorgt hatte, dass Exilanten weder von Deutschland, Belgien, Großbritannien oder der Schweiz an Spanien ausgeliefert wurden. Boye sitzt heute selbst in Madrid auf der Anklagebank des Sondergerichts »Audiencia Nacional« wegen angeblicher Geldwäsche für einen Drogenboss. »Ich bin einer Anklage auf Basis von Spekulationen von Polizei und Staatsanwaltschaft ausgesetzt«, erklärt Boye gegenüber »nd«. Es ist verstörend, dass für die Anschuldigung ein von Kolumbien wegen Mordes gesuchter Drogenhändler in Spanien freigelassen wurde. Der hatte nach einem Besuch von Polizisten im Gefängnis plötzlich Anschuldigungen gegen Boye über ein angebliches Treffen in dessen Büro erhoben, die Boye mit Handydaten widerlegen konnte. Die angeblichen Teilnehmer hielten sich in Brasilien oder Andalusien auf. »Wir haben eine solide Verteidigung aufgebaut«, erklärt Boye. Der Chef der Polizeieinheit, die mit »gefälschten Beweisen und Berichten« auch gegen ihn vorgegangen ist, wurde kürzlich festgenommen. »In seiner Wohnung wurden Millionen Euro aus dem Drogenhandel gefunden«, fügt Boye an.

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