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Für Yoon wird es eng

Südkoreas Opposition bringt Amtsenthebung des Präsidenten auf den Weg

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Am 4. Dezember 2024 fordern die Menschen in Seoul den Rücktritt des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol, nachdem er kurzzeitig das Kriegsrecht verhängt hatte. Die Opposition hat daraufhin einen Antrag auf Amtsenthebung gestellt.
Am 4. Dezember 2024 fordern die Menschen in Seoul den Rücktritt des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol, nachdem er kurzzeitig das Kriegsrecht verhängt hatte. Die Opposition hat daraufhin einen Antrag auf Amtsenthebung gestellt.

Es waren Szenen, die kaum jemand in Südkorea für möglich gehalten hatte: Zuerst war da der Präsident, der am Dienstagabend völlig überraschend das Kriegsrecht ausrief, die parlamentarische Opposition der Kollaboration mit dem verfeindeten Nordkorea bezichtigte. Dann blockierte das Militär das Parlamentsgebäude. Kurze Zeit später aber stimmten Abgeordnete trotzdem einstimmig dafür, das Kriegsrecht wieder aufheben zu lassen. Und dann, inmitten großer Straßenproteste, gab der Präsident doch noch klein bei.

Es dürfte geraume Zeit vergehen, bis das, was zwischen Dienstagabend und Mittwoch im ostasiatischen Land geschah, vollends verstanden sein wird. Denn Südkorea – nach Jahrzehnten unter Militärregierung seit 1987 eine Demokratie – schien erneut in eine Diktatur überführt zu werden. Doch Rechtspopulist Yoon Suk-yeol, der seit Frühjahr 2022 auf oft kompromisslose Weise regiert, fehlte offenbar der Rückhalt, den er für eine Durchsetzung des Kriegsrechts gebraucht hätte.

Yoon hält nichts von Kompromissen

Angespannt ist die politische Lage in Südkorea schon länger – innen- wie außenpolitisch. Jenseits der Staatsgrenzen ist da der Ein-Parteien-Staat Nordkorea, der seit Kurzem mit Russland einen potenten Sicherheitspartner hat und gegenüber Südkorea noch vollmundiger auftritt als früher schon. Diktator Kim Jong-un hat seinem Militär zuletzt verkündet, man solle für einen Krieg bereit sein. Aber der eher arme, hochgerüstete Staat nördlich der Grenze ist längst nicht der einzige Quell von Nervosität in Südkorea. Ein anderer ist Yoon Suk-yeol selbst. Nachdem er 2022 hauchdünn die Wahl zum Präsidenten gewonnen hatte, ist er immer wieder wie ein Mann aufgetreten, der nicht verstanden hat, dass Politik in einer Demokratie auch aus Kompromissen besteht. Fragerunden mit Medien schaffte er ab, nachdem ihm die Fragen zu kritisch wurden. Politische Widersacher ließ der Ex-Generalstaatsanwalt verfolgen.

Die Beliebtheitswerte für Yoon sind auch wegen dieses Stils schlecht: Am Montag, dem Tag vor der Ausrufung des Kriegsrechts, zeigten Daten des Umfrageinstituts Realmeter, dass nur 25 Prozent der Menschen in Südkorea zufrieden mit der Arbeit des Präsidenten waren. Denn Yoon regiert nicht nur kompromisslos, sondern auch eher erfolglos: Auf den Politikfeldern Gesundheit, Wirtschaft und Nordkorea hat er jeweils mehr Probleme geschaffen als gelöst, sagen seine Kritiker. Und von denen gibt es immer mehr.

Binnen Stunden waren in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Straßen in Seoul mit Tausenden Protestierenden gefüllt. Zu einem Großteil waren es jene Menschen, die seit Amtsantritt immer wieder den Rücktritt Yoons gefordert hatten. Aber nun waren die Yoon-Gegner viel mehr. Selbst Han Dong-hoon, Chef der konservativen People’s Power Party, der auch Yoon angehört, hatte sich gegen seinen Präsidenten gestellt. Er würde gegen das Kriegsrecht arbeiten, hatte Han erklärt.

Der Mut und die Wut vieler Menschen war beeindruckend. Bilder zeigten, wie eine Protestierende in den Gewehrlauf eines Soldaten griff. In Südkorea, das seit dem dreijährigen, letztlich nur durch einen Waffenstillstand beigelegten Koreakrieg (1950–1953) formal im Kriegszustand verharrt, hat praktisch jeder Mann Militärdienst absolviert. Kämpfen könnten sie alle. Und am Dienstag schienen sie bereit, ihre Demokratie zu verteidigen.

Amtsenthebung oder Rücktritt?

Die Menschen in Südkorea haben dies immer wieder getan. Das ostasiatische Land, das nach dem japanischen Kolonialismus bis 1945 bis 1987 eine Diktatur war, ist eine politisch hochsensible Gesellschaft. Viele Themen, ob Gesundheitsreform, Arbeitsrecht oder Importzölle, rufen große Mengen auf die Straßen, wo dann protestiert wird. Im Jahr 2017 wurde die konservative Präsidentin Park Geun-hye nach einer Korruptionsaffäre ihres Amtes enthoben. Begonnen hatte dies mit Straßenprotesten.

Ein ähnliches Schicksal könnte nun Yoon Suk-yeol ereilen. Am Mittwoch haben mehrere Oppositionsparteien gemeinsam einen Antrag auf Amtsenthebung eingereicht. Schon am Donnerstag könnte es zur Abstimmung kommen, bei der es von 300 Abgeordneten zwei Drittel der Stimmen bräuchte. Seit einer Parlamentswahl im April verfügt die Opposition bereits über 190 der Sitze.

Mehrere Beobachter gehen aber davon aus, dass Yoon nach der Blamage vom Mittwoch – die das sehr kurzlebige Kriegsrecht letztlich für ihn bedeutet – ohnehin nur noch zwei Optionen bleiben: Amtsenthebung oder Rücktritt. Schließlich wird die Opposition, deren Stimmen Yoon bei vielen politischen Themen benötigt, kaum noch zur Zusammenarbeit mit dem Präsidenten bereit sein.

Jean Yhee, Politikwissenschaftler und Leiter des Thinktanks Institut Politik+Kultur, das in Seoul und Berlin beheimatet ist, sagte am Mittwoch: »Ob und wie lange der Präsident Yoon im Amt bleiben kann, ohne einen zweiten Putsch zu wagen, ist jetzt eine dringende Frage. Deutschland und die internationale Gesellschaft müssen sich für die Demokratie des Landes klar positionieren, um unnötige Opfer und Eskalation zu vermeiden.«

Theoretisch würde Yoons Amtszeit noch bis 2027 laufen. Dass dieser Mann mit der Rücknahme des von ihm kurz zuvor ausgerufenen Kriegsrechts nun noch zur Tagesordnung zurückkehren kann, glaubt im Land kaum jemand. Zumal Yoon die Tagesordnung ja eigentlich selbst nicht mehr wollte.

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