- Wirtschaft und Umwelt
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Castortransporte können nach Ahaus rollen
Klage abgewiesen: Hoch radioaktive Abfälle sollen in Ahaus zwischengelagert werden
Das Urteil ist ein Rückschlag für Umweltschützer und Anti-Atom-Bewegte: 152 Castorbehälter mit Atommüll aus einem ehemaligen Forschungsreaktor in Jülich dürfen laut nordrhein-westfälischem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster in das Zwischenlager Ahaus in Westfalen transportiert werden. Das Gericht wies mit dieser Entscheidung eine Klage der Stadt Ahaus und eines Anwohners ab. Eine Revision wurde nicht zugelassen, die Kläger können aber Beschwerde am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einlegen.
Bei den hoch radioaktiven Abfällen handelt es sich um rund 30 000 tennisballgroße Brennelemente-Kugeln aus dem Versuchskraftwerk der AG Versuchsreaktor Jülich (AVR). Der Meiler sollte als Modell für den Hochtemperaturreaktor in Hamm dienen. Diese damals als ganz heiße Nummer gehandelte Reaktorlinie scheiterte allerdings auf ganzer Linie. Der Jülicher Versuchsreaktor wurde 1988 nach zahlreichen Störfällen außer Betrieb genommen. Die Stilllegung des 300-Megawatt-Reaktors in Hamm erfolgte ein Jahr später.
2014 ordnete die Atomaufsicht in NRW die Räumung des Brennelemente-Lagers in Jülich an. Die beim Landeswirtschaftsministerium angesiedelte Behörde war der Auffassung, dass es schweren Erdstößen nicht standhalten würde. Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bescheinigte dem Jülicher Lager allerdings, erdbebensicher zu sein. Gleichwohl entschied sich die Bundesregierung 2022 für einen Umzug der Castoren. Der Transport nach Ahaus sei die »vorzugswürdige Option«, hieß es damals.
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Die Kläger widersprechen. Sie fordern den Verbleib der Castoren in Jülich – vorzugsweise in einer neu zu bauenden Halle –, bis die Behälter irgendwann in ein Endlager gebracht werden können. Das Zwischenlager in Ahaus sei nicht sicher. Dessen Wandstärke von nur 75 Zentimetern könne zum Beispiel einen Angriff mit Drohnen kaum überstehen. »Das Sicherheitskonzept ist aus der Zeit gefallen«, sagt Helge Bauer von der Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt. »Wir erleben im Ukraine-Krieg, welche Zerstörungskraft von modernen Lenkwaffen ausgehen kann.« In Ahaus gebe es auch keine Möglichkeit, defekte Castoren abzudichten. Die Genehmigung für das Zwischenlager läuft zudem 2036 aus. Das noch zu findende Endlager kann frühestens um die Jahrhundertwende befüllt werden.
Das OVG teilte die Sicherheitsbedenken nicht. Die von den Klägern gerügten Ermittlungsdefizite der Genehmigungsbehörde, also des BASE, lägen nicht vor, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. So habe die Behörde »auf der Grundlage entsprechender Messungen zutreffend ermittelt, welche Radioaktivität freigesetzt werden kann, wenn ein Lagerbehälter etwa aufgrund eines Flugzeugabsturzes auf das Lager undicht wird«. Die gegebenenfalls die Bevölkerung treffende radioaktive Strahlung überschreite den von der Genehmigungsbehörde zutreffend herangezogenen Grenzwert nicht. »Etwaige Anschläge auf das Lager mittels Drohnen hat die Genehmigungsbehörde zutreffend berücksichtigt.«
Der Transport soll den Planungen zufolge per Lastwagen erfolgen – und wahrscheinlich nachts. Fest steht, dass jeweils nur ein Castor pro Transporter losgeschickt werden soll. Die Verlagerung ist also ein langwieriger Prozess und wird wahrscheinlich insgesamt zwei Jahre dauern.
Wann und ob die Castoren tatsächlich nach Ahaus kommen, ist allerdings noch offen. Eine Transportgenehmigung für die Fahrt durch Nordrhein-Westfalen gibt es bislang nämlich nicht. Da ist jetzt aber die Politik gefragt. Und zwar zunächst die NRW-Landesregierung. Diese müsse endlich ihre eigene Koalitionsvereinbarung umsetzen. Danach solle der Jülicher Atommüll am Ort gelagert und nicht nach Ahaus verschoben werden. Ihrer Forderung wollen die Atomkraftgegner bei einer Demonstration in Ahaus am 15. Dezember Nachdruck verleihen.
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