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Holpriger Start der SPD-BSW-Koalition

Ministerpräsident Woidke braucht zweiten Wahlgang, hat dann aber auch Stimmen aus der Opposition

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.
Dann doch: Dietmar Woidke bleibt Ministerpräsident.
Dann doch: Dietmar Woidke bleibt Ministerpräsident.

Er schwöre, seine ganze Kraft dem Wohle der Menschen des Landes Brandenburg zu widmen, das ihm übertragene Amt nach bestem Wissen und Können unparteiisch zu verwalten, Verfassung und Gesetz zu wahren und zu verteidigen, Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Diesen Eid leistete Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Mittwoch. Da Woidke evangelischen Glaubens ist, fügte er noch die Formel hinzu, die wahlweise auch weggelassen werden darf: »So wahr mir Gott helfe.« Er tat es zum bereits vierten Mal.

2013 hatte Woidke während einer laufenden Legislaturperiode den damaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) abgelöst. Die nächsten beiden Vereidigungen folgten nach den Landtagswahlen 2014 und 2019. Bis vor fünf Jahren regierte Woidke mit der Linken, dann mit CDU und Grünen, jetzt macht er es mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

2019 hatte sich Woidke gegen eine mögliche Koalition mit Grünen und Linke entschieden, weil diese Konstellation im Landtag lediglich eine Mehrheit von zwei Stimmen gehabt hätte. Jetzt blieb dem Ministerpräsidenten gar nichts anders übrig, als sich mit dem BSW einzulassen. Denn nach der Landtagswahl vom 22. September gab es keine andere Variante, an der AfD vorbei eine Regierung zu bilden. SPD und BSW haben jedoch zusammen rechnerisch auch nur eine Mehrheit von zwei Stimmen.

Prompt gab es jetzt Schwierigkeiten. Im ersten Wahlgang musste Woidke etwas erleben, was bisher seit 1990 weder den SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe und Matthias Platzeck noch Woidke selbst widerfahren war: Er fiel im ersten Wahlgang durch. Mit 43 Stimmen bei 40 Gegen- und zwei ungültigen Stimmen hatte der 63-Jährige nur eine relative Mehrheit bekommen. Eine solche hätte zur Not im dritten Wahlgang gereicht. In den ersten beiden Wahlgängen benötigt der Ministerpräsident in Brandenburg die absolute Mehrheit von 45 der insgesamt 88 Landtagsabgeordneten, die aber am Mittwoch nicht alle anwesend waren. Vier der 30 AfD-Abgeordneten hatten sich für den Sitzungstag ganz oder zeitweise abgemeldet.

Der BSW-Abgeordnete Sven Hornauf hatte im Vorfeld angekündigt, er könne Woidke nicht wählen, wenn dieser die geplante Stationierung des Raketenabwehrsystems Arrow 3 am Fliegerhorst Holzdorf befürworte. Darüber hinaus gab es Hinweise, dass noch mindestens eine weitere Person aus der BSW-Fraktion Bauchschmerzen wegen der Aufrüstung in Holzdorf habe. Nun fehlten der Koalition am Mittwoch im ersten Wahlgang sogar drei Stimmen.

Doch im zweiten Wahlgang lief es für Woidke mehr als glatt. In geheimer Wahl gab es keine ungültigen Stimmen mehr, dafür eine Enthaltung, nur noch 36 Nein-, aber 50 Ja-Stimmen. Insgesamt hatten im zweiten Wahlgang 87 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben, im ersten Wahlgang waren es nur 85. Selbst wenn im zweiten Anlauf alle SPD- und BSW-Abgeordneten diszipliniert Woidke angekreuzt haben sollten, muss er darüber hinaus noch vier Stimmen von Abgeordneten der Opposition erhalten haben – also von der CDU oder der AfD.

Als Landtagspräsidentin Ulrike Liedke (SPD) das Ergebnis des zweiten Wahlgangs verkündete und die überraschende Zahl von 50 Ja-Stimmen, brandete bei SPD und BSW tosender Applaus auf. Liedke unterbrach ihn dann nach einer Weile mit der Bemerkung, sie wolle das Ergebnis zu Ende verkünden. Sie nannte noch die 36 Nein-Stimmen und die eine Enthaltung.

Am Dienstag waren noch andere Erwartungen geäußert worden. Da hatte einerseits BSW-Fraktionschef Robert Crumbach geäußert: »Ich gehe davon aus, dass Herr Woidke morgen im ersten Wahlgang gewählt wird.« Andererseits hatte CDU-Fraktionschef Jan Redmann angekündigt: »Wir unterstützen diese Koalition nicht und werden auch im dritten Wahlgang Herrn Woidke nicht wählen.«

Davon rückte Redmann am Mittwoch keineswegs ab. Er kann es nicht sicher wissen, da die Wahl geheim erfolgt. Doch Redmann beteuerte: »Aus der CDU gab es keine Zustimmung für diese Koalition.« Dietmar Woidke sei also nach Thomas Kemmerich (FDP) in Thüringen im März 2020 der zweite Ministerpräsident, der mit Stimmen der AfD ins Amt komme. Dies sei an Scheinheiligkeit nicht zu übertreffen. »Vor der Landtagswahl hat sich die SPD noch als Bollwerk gegen die AfD inszeniert, und heute macht sie mit dieser Partei einen Kuhhandel um Stimmen«, sagte Redmann.

»Dietmar Woidke ist dann wohl von Nazis der AfD mitgewählt worden«, vermutete der Linke-Landesvorsitzende Sebastian Walter. Zumindest könne Woidke dies nicht ausschließen. »Darauf kann man keine gute Politik für Brandenburg aufbauen. Stabilität und Sicherheit gehen so nicht«, schätzte Walter ein. Er bekräftigte seine Vorhersage vom Wochenende, dass die Koalition aus SPD und BSW keine fünf Jahre durchhalten werde. »Der Anfang der Koalition war schon der Anfang vom Ende«, meinte Walter mit Blick auf die holprige Wahl des Ministerpräsidenten. Bei allen möglichen Themen könnten SPD und BSW wieder Schwierigkeiten haben, eine Mehrheit im Landtag zusammenzubringen.

Sebastian Walter selbst wurde am Samstag bei einem Landesparteitag in Schönefeld mit 63 Prozent der Stimmen als Linke-Landesvorsitzender bestätigt. Sein mäßiges Ergebnis erklärt sich aus der schweren Niederlage der Linken bei der Landtagswahl im September, bei der er als Spitzenkandidat antrat. Mit knapp drei Prozent verpasste die Partei den Wiedereinzug ins Parlament.

»Die holprige Wahl mit nur einer knappen Mehrheit zeigt deutlich, wie fragil die politische Lage in Brandenburg ist«, kommentierte Hanna Große Holtrup. Sie ist Landesvorsitzende der Grünen auf Abruf. Denn nachdem die Grünen mit nur 4,1 Prozent der Stimmen ebenfalls aus dem Landtag geflogen sind, hat der komplette Vorstand erklärt, nur noch bis März im Amt zu bleiben. Große Holtrup sagte am Mittwoch: »Es wird in den nächsten fünf Jahren keine klare, stabile Regierung geben, sondern eine Koalition, die von Misstrauen und widersprüchlichen Interessen geprägt ist.« Eine Regierung, die auf den Stimmen des BSW basiere, das für eine russland-freundliche Haltung und populistische Parolen bekannt sei, werfe ernste Zweifel an der Richtung dieser Koalition auf.

»Das BSW hält Wort. Es ist eine große Ehre und Verantwortung für uns als junge Partei, nun die Geschicke des Bundeslandes mitzubestimmen«, sagte der Landesvorsitzende Robert Crumbach. Er war der Zweite, der Woidke im Landtag einen Blumenstrauß überreichte, nachdem dieser um 11.02 Uhr erklärt hatte: »Ich nehme die Wahl an.« Crumbach, der eine lange Vergangenheit in der SPD hat, wird nun auch ganz persönlich Verantwortung übernehmen. Woidke ernannte ihn am Mittwoch umgehend zum Finanzminister und machte ihn darüber hinaus zum stellvertretenden Ministerpräsidenten.

Zur Wiederwahl Woidkes gratulierten per Pressemitteilung zuerst die Handwerkskammern, dicht gefolgt von der Vereinigung der Unternehmensverbände, deren Präsident Stefan Moschko erklärte: »Heute und in den kommenden fünf Jahren ist es wichtig, dass die Koalition aus SPD und BSW Stabilität und Handlungsfähigkeit demonstriert.« Fast gleichlautend äußerte sich 40 Minuten später Katarzyna Urbanczyk-Siwek. Die Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau meinte: »Wichtig ist, dass die neue Landesregierung aus SPD und BSW stabil agiert und sich ohne ideologische Scheuklappen den Herausforderungen widmet, vor denen das Land steht.«

Anschließend gratulierten die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Gewerkschaftsbund DGB. Während die Unternehmer auf einen Bürokratieabbau hoffen, freuen sich die Gewerkschaften auf eine Regelung, die Tariflöhne zur Bedingung für öffentliche Aufträge und Fördermittel machen soll. Beides versprechen SPD und BSW in ihrem am Dienstag unterschriebenen Koalitionsvertrag.

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