- Berlin
- Asyl
Syrer in der Heimat nicht sicher
Brandenburgs Landtag lehnt vorschnelle Abschiebungen ab
Nach AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt tritt am Freitagnachmittag der SPD-Abgeordnete Uwe Adler an das Rednerpult des brandenburgischen Landtags. Adlers erster Satz ins Mikrofon: »Es ist kalt an diesem Ort. Hier muss jemand ohne Herz und Empathie gestanden haben.«
AfD-Politiker Berndt hatte an diesem Mikrofon zuvor einen Antrag seiner Fraktion vorgestellt, wonach sich die Landesregierung »mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln« für einen sofortigen Aufnahmestopp für syrische Asylbewerber einsetzen soll. Ihre Heimat soll demnach zu einem sicheren Herkunftsland erklärt, der Familiennachzug umgehend ausgesetzt werden. Schlussendlich sollen Syrer abgeschoben werden.
Für die AfD ist die Gelegenheit für solche Forderungen günstig. Für Syrer sei durch den Sturz des Staatspräsidenten Baschar Al-Assad der Fluchtgrund entfallen. Eine Kehrtwende in der Asylpolitik sollten die anderen Parteien auch aus purem Eigennutz vollziehen, meint Fraktionschef Berndt. Er warnt mit Blick auf künftige Wahlen: »Ohne Remigration wird es im Osten in absehbarer Zeit absolute Mehrheiten für die AfD geben.«
Die Koalitionsfraktionen SPD und BSW sowie die oppositionelle CDU lehnen den AfD-Antrag nach einer Stunde und 17 Minuten Debatte ab. Syrien habe sich zwar gerade vom Assad-Clan befreit, sagt Adler. (Vor Baschar Al-Assad war von 1970 bis 2000 dessen Vater Hafiz Staatschef.) Doch Adler unterstreicht: »Frieden und Stabilität sind in Syrien lange noch nicht garantiert.«
Der Abgeordnete Rainer Genilke (CDU) ist überzeugt, dass viele Syrer in ihre Heimat zurückkehren wollen und es auch tun werden. Aber so schnell werde das nicht gehen, denkt er.
»Syrien kommt mutmaßlich vom Regen in die Traufe«, befürchtet BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. Er hat vor seiner Zeit als Abgeordneter Flüchtlinge als Rechtsanwalt in Asylverfahren vertreten. Syrien sei von den Assads mit harter Hand regiert worden, aber immerhin seien diese Machthaber tolerant gegenüber Minderheiten gewesen, sagt Lüders. Dagegen habe im Krieg die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Kurden, Jesiden und Christen verfolgt. Jetzt sei eine »bunte Mischung« islamistischer Milizen am Ruder, Frauen seien schon aus dem Justizsystem verbannt, und womöglich werde die Scharia eingeführt. »Vielleicht droht eine neue Flüchtlingswelle«, warnt Lüders.
Gut integrierte Syrer, die ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst verdienen und eine Niederlassungserlaubnis haben, sollten nicht mit undifferenzierten Debatten verunsichert werden, findet der BSW-Politiker. Alle anderen müssten sich allerdings darauf einstellen, dass ihr Schutzstatus überprüft wird. Jubel über Assads Sturz sei in gewisser Hinsicht verständlich. Wer aber den Sieg der Islamisten feiere, der sollte ausgewiesen werden, der habe hier nichts verloren.
Vor zehn Jahren lebten in Brandenburg lediglich 212 Syrer. Inzwischen sind es 21 400. Seit 2011 sind 1751 Landsleute eingebürgert worden.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.