Parteien in Brandenburg: Wenn Glatze, dann Scholz – oder Merz

In Brandenburg nominieren SPD und CDU ihre Bundestagskandidaten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Die kleine und die große Glatze: Kanzler Scholz und Ministerpräsident Woidke im Kongresshotel Potsdam
Die kleine und die große Glatze: Kanzler Scholz und Ministerpräsident Woidke im Kongresshotel Potsdam

Olaf Scholz (SPD) ist Bundeskanzler und möchte es bleiben. Er kommt am Samstag persönlich nach Potsdam ins Kongresshotel. Schließlich tritt Scholz am 23. Februar hier im Wahlkreis als Direktkandidat an und schließlich lässt er sich von Brandenburgs SPD wie schon 2021 wieder als Spitzenkandidat auf die Landesliste setzen.

»Olaf ist nicht der Entertainer, aber dafür hat er uns«, sagt die scheidende Bundestagsabgeordnete Sylvia Lehmann in einer launigen Begrüßung der Delegierten. Der Kanzler hat das Image eines spröden Typen, obwohl bei ihm manchmal ein trockener Humor aufblitzt. Gemessen an seinem Ruf verkauft er sich noch ziemlich gut im Kongresshotel. Seine Rede dort ist gar nicht mal so langweilig.

Mit 70 Jahren tritt die Bundestagsabgeordnete Lehmann nach 15 Jahren im Landtag und fünf Jahren im Bundestag nicht wieder an. Sie schwärmt, Scholz könne alle Gesetze erklären. Das ist allerdings wenig verwunderlich: Er ist ausgebildeter Jurist und hat früher als Rechtsanwalt gearbeitet. Das könnte der 66-Jährige wieder tun oder in Rente gehen, wenn er die Wahl im Februar verliert. Aber das ist nicht der Plan.

»Wir kämpfen gemeinsam und wir gewinnen gemeinsam«, verspricht Brandenburgs Ministerpräsident und SPD-Landesvorsitzender Dietmar Woidke. »Es ist eine Bundestagswahl, die noch nicht entschieden ist«, äußert Woidke im Brustton der Überzeugung. Auch Olaf Scholz gibt sich zuversichtlich. Schließlich, daran erinnert Scholz, habe er auch schon bei der Bundestagswahl 2021 »entgegen aller Umfragen« gesiegt.

Die große und unerwartete Herausforderung sei dann gewesen, dass Russland im Februar 2022 die Ukraine überfallen habe. Scholz meint: »Wir haben richtig darauf reagiert.« Während die CDU den Verteidigungshaushalt früher gekürzt habe, werde mit der SPD aufgerüstet. Außerdem seien allein 30 Milliarden Euro für Waffenlieferungen in die Ukraine mobilisiert worden. Doch nun seien alle Ecken nach Geld ausgeleuchtet, erzählt Scholz. Ab jetzt müsste man sich entscheiden, ob man wegen der Ukraine nicht mehr genug Geld für Straßen, das Gesundheitswesen und die Rente zur Verfügung hätte – oder es werden Kredite aufgenommen, um beides zu stemmen. Das ist der Vorschlag von Scholz: kein Entweder-Oder, sondern die sogenannte Schuldenbremse in ihrer bisherigen Form abschaffen.

»Deutschland ist das Land, das am meisten für die Ukraine tut«, betont der Noch-Kanzler. Es sei aber immer auch richtig, besonnen zu bleiben, leitet er über zu einem Andererseits: Er halte es nach wie vor für einen Fehler, wenn die Ukraine weit ins russische Hinterland schießen würde. Er habe mit dem künftigen US-Präsidenten Donald Trump schon darüber gesprochen, wie eine Friedenslösung aussehen könnte, verrät Scholz. Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach Einschätzung des Bundeskanzlers keines seiner Kriegsziele erreicht. Die Nato habe mit Schweden und Finnland zwei neue Mitglieder und die Ukraine habe »eine sehr starke Demokratie« und eine starke Armee.

Auf Listenplatz zwei hinter Scholz steht die Bundestagsabgeordnete Maja Wallstein, die sich bei der Abstimmung gegen ihre Fraktionskollegin Wiebke Papenbrock durchsetzte. Aufgestellt wurde die Liste bis Platz 20 damit dann doch genau so, wie es der Landesvorstand wünschte – und der hatte für Papenbrock den Listenplatz acht vorgesehen.

Ministerpräsident Woidke wollte noch im Sommer seinen Kanzler im Landtagswahlkampf nicht dabei haben, um sich bei der Landtagswahl am 22. September vom negativen Bundestrend der SPD absetzen zu können. »Wenn Glatze, dann Woidke« plakatierte die SPD in Anspielung auf ihren fast zwei Meter großen Ministerpräsidenten. Die kleine Glatze Olaf Scholz hätte dabei nur gestört, gab Brandenburgs SPD unumwunden zu. Die Strategie ging auf. Die SPD gewann die Landtagswahl zum achten Mal in Folge – diesmal mit 30,9 Prozent knapp vor der AfD und sehr weit vor der CDU, die mit 12,2 Prozent ihr schlechtestes jemals in Brandenburg erzieltes Ergebnis kassierte.

»Olaf ist nicht der Entertainer, aber dafür hat er uns.«

Sylvia Lehmann SPD-Bundestagsabgeordnete

Doch bei der Bundestagswahl gelten andere Regeln. Solche Wahlen hat Brandenburgs CDU im Gegensatz zu Landtagswahlen früher durchaus auch mal gewonnen. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz kommt am Freitagabend nicht persönlich nach Potsdam ins Inselhotel Hermannswerder, wo der Landesverband seine Landesliste für die Bundestagswahl aufstellt. Merz wird hier im Bundesland ja auch nicht antreten. Es wird im Inselhotel aber eine Videobotschaft von ihm eingeblendet.

»Wir können mit großer Zuversicht auf den Wahltermin vorausblicken«, sagt Merz. Drei Mal sei die CDU in der Bundesrepublik in der Opposition gewesen. Das erste Mal habe es 14 Jahre gedauert, das zweite Mal sieben Jahre – und nun könnte es weniger als vier Jahre gedauert haben, um wieder an die Macht zu kommen.

Für die Brandenburger Landesebene lässt es sich umgedreht schneller schildern. Da war die CDU von 1999 bis 2009 zehn Jahre als Juniorpartner der SPD in der Landesregierung und zuletzt noch einmal ab 2019. Nach nur fünf Jahren ist sie seit Mittwoch schon wieder Oppositionsfraktion im Landtag. Das sei ein »bitterer Tag« gewesen, bekennt der CDU-Landesvorsitzende Jan Redmann. Aber für die Bundestagswahl macht er Hoffnung. Da kann sich Brandenburgs CDU im Windschatten von Friedrich Merz »wieder nach vorn« kämpfen. »Wieder nach vorn«, das ist der Wahlkampfslogan der Bundes-CDU.

»Brandenburg ist weder SPD- noch AfD-Land«, versichert Redmann. »Chancen, Direktmandate zu gewinnen, bestehen überall im Land.« Zehn Bundestagswahlkreise gibt es in Brandenburg. 2021 gewann die SPD alle zehn. Jetzt traut die Bundestagsabgeordnete Jana Schimke ihrer CDU einen vergleichbaren Durchmarsch zu. Um Platz drei der Landesliste tritt Schimke am Freitagabend gegen die Landtagsabgeordnete Saskia Ludwig an – und verliert mit 32 zu 82 Stimmen. Auf Platz eins und zwei kommen ohne Mitbewerber die Bundestagsabgeordneten Uwe Feiler mit 103 von 125 Stimmen und Knut Abraham mit 106 Stimmen.

Keineswegs unrealistisch ist im Moment die Vorhersage, dass Kanzler Olaf Scholz den Potsdamer Wahlkreis holt und die AfD die neun anderen. Wobei CDU-Spitzenkandidat Uwe Feiler am nächsten dran ist, seinen nördlich von Berlin gelegenen Wahlkreis doch zu gewinnen. Dass Feiler am nächsten dran ist an einem Sieg im Wahlkreis, sieht der CDU-Landesvorsitzende Redmann genauso.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.