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BSW-Spitzenkandidatur in Bernau: Plötzlich Demokratie

Vizeparteichefin Friederike Benda wird Spitzenkandidatin in Brandenburg – hat aber einen Mitbewerber

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Landkreis Oberhavel aufgewachsen: BSW-Bundestagskandidatin Friederike Benda
Im Landkreis Oberhavel aufgewachsen: BSW-Bundestagskandidatin Friederike Benda

Die Forschungsgruppe Wahlen sieht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bundesweit nur noch bei fünf Prozent. Damit muss sich die junge Partei strecken, um bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht den Einzug ins Parlament zu verpassen. Doch den Brandenburger BSW-Landesvorsitzenden Robert Crumbach scheint das Umfrageergebnis nicht nervös zu machen. Er sei ganz sicher, »dass wir im nächsten Bundestag sein werden«, sagt er. »Wir werden mit 7,5 bis 8 Prozent in den Bundestag einziehen, weil wir so hervorragende Kandidaten haben wie Friederike Benda«, erklärte er am Samstag in Bernau.

In der Rotunde der Grundschule am Blumenhag stellt der Landesverband seine Liste für die Bundestagswahl auf. Mit 29 von 31 Stimmen wird die stellvertretende Bundesvorsitzende Friederike Benda als Spitzenkandidatin nominiert. Die 37-Jährige ist im benachbarten Landkreis Oberhavel aufgewachsen und wohnt dort mittlerweile wieder.

Es gibt eine Enthaltung und eine Stimme für den Mitbewerber Reinhart Zarneckow, der überraschend gegen Benda antritt. Der 81-Jährige war von 1990 bis 1999 SPD-Landtagsabgeordneter und ist 2023 wegen der seiner Meinung nach falschen Ostpolitik ausgetreten. Im Landtag saß Zarneckow einst in dem Untersuchungsausschuss, der sich mit Stasi-Vorwürfen gegen den damaligen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) befasste. Zarneckow galt als einer, der Stolpe gegen die Anschuldigungen verteidigte. Der Ministerpräsident konnte im Amt bleiben.

»Wir werden mit 7,5 bis 8 Prozent in den Bundestag einziehen, weil wir so hervorragende Kandidaten haben wie Friederike Benda.«

Robert Crumbach BSW-Landesvorsitzender

Es brauche weniger Schalmeien und mehr Fanfare im Wahlkampf, begründet Zarneckow am Samstag seine Bewerbung, lobt in seiner Vorstellungrede aber auch die Rede von Friederike Benda. Umgekehrt spendet diese ihm Beifall, und beide versichern, politisch keine Differenzen zu haben. Niemand macht Zarneckow einen Vorwurf wegen seiner Kandidatur. Im Gegenteil. »So kommt ein bisschen Leben in die Bude«, meint der Landtagsabgeordnete André von Ossowski. Er bescheinigt dem 81-Jährigen: »Du bist ein toller Typ!« So könne auch niemand mehr behaupten, beim BSW laufe die Nominierung immer genau so ab, wie von der Führung vorgegeben – ohne jegliche Kampfabstimmung. Zarneckow selbst wirft zustimmend ein: »Keine Kaderpartei!« Der 81-Jährige sagt übrigens auch, im Wahlkampf müssten die politischen Gegner »markiert« werden, und das seien CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP. Die AfD habe er vergessen zu nennen, fällt seinen Parteifreunden auf. Aber das bleibt eine Randnotiz.

Gewählt wird die Liste dann allerdings genau so, wie vom Vorstand vorgeschlagen, mit Landesgeschäftsführer Stefan Roth auf Platz zwei (30 Stimmen und eine Enthaltung), mit Elke Grabowski, Oliver Schulz, Elke Löwe und Till Sickert. Dabei muss sich Schulz jedoch gegen eine Mitbewerberin durchsetzen, die nicht von der Führung empfohlen ist und sich überraschend meldet. Elke Grabowski ist ehrenamtliche Bürgermeisterin im uckermärkischen Milmersdorf, Oliver Schulz Dozent an der Hochschule der Polizei, Elke Löwe Landschaftsarchitektin und Till Sickert Grundschullehrer.

In der Berliner Linken heißt es, Friederike Benda sei einst, als sie noch bei den Sozialisten war, gegen jegliche Regierungsbeteiligung gewesen – nun hat jedoch sie in Brandenburg die Koalition von SPD und BSW mit ausgehandelt. Darauf angesprochen sagt Benda dem »nd«, sie sei in der Linken niemals prinzipiell gegen Regierungsbeteiligungen gewesen, sondern immer gegen konkrete Koalitionen, insbesondere in Berlin, weil diese schlecht verhandelt gewesen seien.

»Es tut auch manchmal weh, Verantwortung zu tragen. Es ist aber besser, als keine Verantwortung zu haben«, meint der BSW-Landesvorsitzende Crumbach. Er ist der neue Finanzminister Brandenburgs und muss sich in dieser Funktion zwischendurch auch mal ausklinken für eine Videoschalte, in der besprochen werden sollte, wie Brandenburg auf den Terroranschlag vom Freitag in Magdeburg reagiert. Wegen des Anschlags sei die BSW-Sozialministerin Britta Müller in Bernau heute nicht dabei, erklärt Crumbach. Sie hatte bislang die Pflegekasse der AOK von Sachsen-Anhalt geleitet und einer ihrer dortigen Mitarbeiter sei bei dem Anschlag verletzt worden. Deshalb sei sie zum Gedenkgottesdienst nach Magdeburg gereist, berichtet Crumbach. Ihm zufolge werden einige Anschlagsopfer im Klinikum Brandenburg/Havel behandelt, und die brandenburgische Polizei hilft im Nachbarbundesland.

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