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Schuld ist die »Erfurter Beule«

Im Podcast »Teurer fahren« gehen zwei Journalistinnen dem Bahn-Debakel auf den Grund

  • Susanne Gietl
  • Lesedauer: 4 Min.
Sobald zwei Schneeflocken fallen, bricht bei der Bahn das Chaos aus. Wie gerne wäre man eine Taube und flöge einfach ans Ziel.
Sobald zwei Schneeflocken fallen, bricht bei der Bahn das Chaos aus. Wie gerne wäre man eine Taube und flöge einfach ans Ziel.

Im Jahr 1994 begann das »Unternehmen Zukunft« der Deutschen Bahn. Das Unternehmen richtete sich mit der Zusammenlegung von Ost und West, der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn, neu aus und ging an die Börse. Heute verbindet man eher negative Worte wie »Schienenersatzverkehr« und »Leitungsschäden« mit der Deutschen Bahn. Wie konnte es so weit kommen?

Podcast-Host Charlotte Thielemann und Joana Voss gehen in dem sechsteiligen Podcast »Teurer fahren« dieser Frage auf den Grund. Das ehemalige »Teurer wohnen«-Podcast-Team zeigt, wie Politik, Wahlkampf und die deutsche Einheit im Bahn-Sinne zusammenhängen. Dabei sprechen sie mit ehemaligen Bahnangestellten und -chefs, Tunnelbauern und Verkehrsplanern, Politikern und Fahrgastrechtlern über »die Erfurt-Beule« auf der Strecke Berlin nach München, »Stuttgart 21« und die marode Riedbahn von Frankfurt nach Mannheim. Nahezu alle wichtigen Bahnverbindungen stehen vor einer grundlegenden Sanierung – insgesamt betrifft das 41 Streckenkorridore.

Die Interviewpartner sind alle Teil eines durch ermüdende Machtkämpfe gekennzeichneten Puzzles, das sich nicht nur zulasten der Fahrgäste durch unsere Bahnlandschaft zieht.

Dass der Podcast mit einer Schlange im japanischen Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszug und den daraus folgenden skandalösen 17 Minuten Delay beginnt, ist ein schlauer Schachzug. Denn: Den im Durchschnitt 12 Sekunden verspäteten Shinkansen gibt es seit 1964. Die Bahn, wie wir sie heute kennen, erst seit 30 Jahren.

Nach diesem Einstieg suchen Thielemann und Voss ein stillgelegtes Überholgleis im hessischen Zwingenberg. Das wirkt fast ein bisschen hilflos, wenn man überlegt, dass die Bahn ganz andere Probleme hat als irgendein Gleis im Nirgendwo. »Warum rostet dieses Gleis vor sich hin?«, fragt Charlotte Thielemann, dann nimmt der Podcast Fahrt auf.

Das Investigativ-Team möchte verstehen, welche Entscheidungen die Bahn so viele Millionen gekostet haben, und nimmt sich eines der prestigeträchtigsten Projekte der Deutschen Bahn vor: die Vier-Stunden-Schnellstrecke von Berlin nach München. Thielemann fragt, warum die Bahn einen Umweg über Erfurt mitten durch den Thüringer Wald macht. Das Team lässt wie in »Teurer wohnen« Zahlen sprechen. Mit 27 Tunneln mit einer Gesamtlänge von 41 Kilometern und 37 Brücken mit einer Gesamtlänge von 12 Kilometern kostet die Strecke Berlin–München aktuell 10 Milliarden Euro. Allein der Teil durch den Thüringer Wald von Erfurt nach Nürnberg kommt auf 22 der 27 Tunnel. Der Kostenpunkt liegt laut Matthias Wissmann (CDU), dem damaligen Verkehrsminister, bei 5,8 Milliarden Euro. Ist der Bau fertig, sollen es sogar 13 Milliarden Euro sein. Es ist schon jetzt die teuerste Strecke, die jemals in Deutschland gebaut wurde.

Verkehrsplaner Martin Viereck blättert in einem Atlas: Erfurt liegt nicht auf dem Weg, sondern bedeutet einen 90 Kilometer langen Umweg. Dann berichtet Viereck über seinen Kampf für eine andere Route, die Gera und Leipzig eingebunden hätte. Die Route hätte dem Land viel Geld und den Fahrgästen viel Zeit gespart. München wäre in dreieinhalb Stunden von Berlin aus erreichbar gewesen, statt 22 Tunneln hätte Viereck nach eigener Aussage vielleicht drei Tunnel gebaut. Jeder Tunnel ist ein großer Kostenfaktor: Ein Tunnelkilometer kostet ungefähr siebenmal so viel wie ein normaler Kilometer ohne Tunnel. Warum das Projekt gestoppt und am Ende doch wie geplant umgesetzt wurde, davon erzählt der Podcast.

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Klar fokussieren sich Thielmann und Voss auf das VDE-8-Projekt (den Aus- und Neubau der Strecke zwischen Berlin und Nürnberg), wodurch ein komplexes Thema auf einen einfachen Nenner heruntergebrochen wird. Die Interviewpartner sind alle Teil eines durch ermüdende Machtkämpfe gekennzeichneten Puzzles, das sich nicht nur zulasten der Fahrgäste durch unsere Bahnlandschaft zieht.

Ein Mitarbeiter des Fahrgastverbands Pro Bahn hat die Top 5 der Verspätungsgründe zusammengetragen: Die Stellwerke sind veraltet, stammen teilweise aus der Kaiserzeit. Jede vierte Weiche ist schlecht, mangelhaft oder ungenügend. Durch Weichenstörungen kommt es massenhaft zu Verspätungen. Weitere Gründe sind falsche Anzeigen bei der Ampelführung (»Rotausleuchtung«), Kabelschäden und Oberleitungsstörungen. Der Mitarbeiter kritisiert die »Sparen und auf Verschleiß fahren«-Taktik des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn. Das »Teurer fahren«-Team hat ihn für ein Gespräch über das Bahn-Debakel angefragt. Was sich dadurch offenbart, bleibt abzuwarten.

Drei von insgesamt sechs Folgen »Teurer fahren« sind bereits verfügbar auf allen gängigen Podcast-Plattformen und in der ARD-Audiothek.

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