Karl Liebknecht jetzt im Fußballstadion

Im Strandbad entferntes Relief des Politikers findet neuen Platz beim SV Babelsberg 03

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Babelsberg-Ultras mit Karl-Liebknecht-Fahnen im Karl-Liebknecht-Stadion
Babelsberg-Ultras mit Karl-Liebknecht-Fahnen im Karl-Liebknecht-Stadion

Am Sonntagvormittag werden wie an jedem zweiten Sonntag im Jahr wieder Tausende Menschen zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde ziehen. Sie werden rote Nelken an den Gräbern der im Januar 1919 ermordeten KPD-Gründer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg niederlegen. Am Sonntagnachmittag wird Liebknecht dann in Potsdam-Babelsberg auf eine ganz besondere Weise geehrt.

Am Strandbad Babelsberg befand sich beim dort ansässigen Segelsportverein über Jahrzehnte hinweg ein Karl-Liebknecht-Relief. Es ist nicht sicher, aber anzunehmen, dass es geschaffen wurde, als das früher an dieser Stelle untergebrachte Ausbildungszentrum der DDR-Gesellschaft für Sport und Technik (GST) am 14. Februar 1976 den Ehrennamen »Karl Liebknecht« verliehen bekam.

Weil das Strandbad umgebaut und verkleinert wurde, brauchte die nicht unter Denkmalschutz stehende kleine Reliefplatte eine neue Heimat. Die hat es vor einigen Wochen im Eingangsbereich des Karl-Liebknecht-Stadions gefunden, wo der Fußballverein SV Babelsberg 03 seine Heimspiele austrägt. Am Sonntag um 14 Uhr soll das Relief offiziell und feierlich eingeweiht werden. Der Verein hat sich gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt »Rotes Nowawes« darum gekümmert. Das Relief wurde abgenommen und gesichert, im Sommer 2023 von Restaurator Florian Pohlmann aufgearbeitet und dann im November 2024 am Stadion aufgestellt. Für den Sockel und alles andere, was dafür notwendig war, sorgte der SV Babelsberg 03 »in Eigenleistung«, wie der für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Vorstand Thoralf Höntze dem »nd« erklärt. Weshalb dieses Engagement? »Wir sehen uns den Werten Liebknechts und Luxemburgs verpflichtet und verstehen uns explizit als antifaschistischer Fußballverein.«

Der SV Babelsberg 03, der in der vierten Liga kickt, hat eine linksalternative Fanszene, wie man sie in Deutschland sonst nur vom FC St. Pauli kennt. Seine bei den Ultras von »Filmstadt Inferno 99« aktiven Anhänger verwendeten als ihr Erkennungszeichen ursprünglich die Trickfilmfigur des Sandmanns, wechselten aber zum Konterfei von Karl Liebknecht. Fahnen mit seinem Gesicht werden im Stadion geschwenkt.

In Potsdam ist Karl Liebknecht mindestens 23 Mal öffentlich aufgetreten. Hier kandidierte er mehrfach für den Reichstag und gewann den Wahlkreis 1912 für die SPD. Das war sensationell, da man damals vom Kaiserwahlkreis sprach. Kaiser Wilhelm II. wohnte in der alten Residenzstadt der Hohenzollern, konkret im Neuen Palais im Schlosspark Sanssouci. Doch während das Osthavelland samt dem erst 1920 nach Berlin eingemeindeten Spandau zu Liebknechts Wahlkreis gehörte, verhielt es sich mit Babelsberg anders. Heute ein Ortsteil von Potsdam, hieß es 1912 noch Nowawes und war eine eigenständige Stadt.

Anders als in Potsdam war die Arbeiterbewegung in Nowawes sehr stark. Daher auch die Bezeichnung »rotes Nowawes«. Es gehörte zum Wahlkreis Teltow-Beeskow, den 1912 nicht ganz so sensationell der Sozialdemokrat Fritz Zubeil gewann. Zubeil ist übrigens wie Karl Liebknecht und dessen Vater Wilhelm in der Gedenkstätte der Sozialisten beigesetzt. Den Sieg Liebknechts auf der anderen Seite der Havel sollen die Arbeiter von Nowawes 1912 gefeiert haben, als wäre er ihr eigener, hat die Geschichtswerkstatt recherchiert.

Überliefert ist für Nowawes nur ein einziger öffentlicher Auftritt von Karl Liebknecht. Er sprach am 23. Februar 1910 in der seinetwegen überfüllten Gastwirtschaft »Singers Volksgarten« vor 2000 Männern und Frauen und sagte ihnen: »Der Kampf des Proletariats um das freie Wahlrecht hat gerade erst begonnen.« »Singers Volksgarten« hatte seine Adresse an der Priesterstraße, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Karl-Liebknecht-Straße umbenannt wurde und bis heute so heißt. An dieser Straße steht auch das 1976 eingeweihte Karl-Liebknecht-Stadion.

Zu den Fans des SV Babelsberg 03 zählt die Ex-Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré (Linke), die bei der Bundestagswahl am 23. Februar in Potsdam antritt – direkt gegen den für die Aufrüstung der Bundeswehr eintretenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Die 35-jährige Vandré sagt: »Karl Liebknecht, aber auch Rosa Luxemburg haben mich seit meinen ersten politischen Aktivitäten geprägt. Ihr unermüdlicher Kampf gegen Krieg, Armut und Unterdrückung ist deshalb so beeindruckend, weil sie dem Zeitgeist trotzten und ihren Überzeugungen treu blieben.«

»Wir sehen uns den Werten Liebknechts und Luxemburgs verpflichtet und verstehen uns explizit als antifaschistischer Fußballverein.«

Thoralf Höntze Vorstand
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