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»Remigration«: AfD verabschiedet extrem rechtes Wahlprogramm
Auf ihrem Parteitag in Riesa hat die AfD ihr Programm für die Bundestagswahl verabschiedet und Alice Weidel als Kanzlerkandidatin bestätigt
Riesa. Die AfD hat Parteichefin Alice Weidel zur ersten Kanzlerkandidatin der Parteigeschichte gewählt. Nach ihrer einstimmigen Kür auf dem Bundesparteitag in Riesa gab die 45-Jährige eine Regierungsbeteiligung der AfD als Ziel aus – und stellte in einer von scharfer Rhetorik geprägten Rede einen radikalen Kurswechsel in der deutschen Politik in Aussicht. Mit großer Mehrheit nahm der Parteitag die Forderung nach »Remigration«, also Massenabschiebungen von Migranten ins Wahlprogramm aus. Begleitet wurde das Delegiertentreffen von massiven Protesten.
Weidel nannte in ihrer Rede Maßnahmen, die sie mit ihrer Partei in den ersten 100 Tagen umsetzen wolle, wenn sie an die Macht kommen sollte. Sie kündigte für diesen Fall an, die deutschen Grenzen »dicht« zu machen und »Rückführungen in großem Stil« zu organisieren. Die Botschaft werde sein: »Die deutschen Grenzen sind dicht.« Deutschland werde auch aus dem gemeinsamen EU-Asylsystem aussteigen.
In ihrer Rede machte sich die Kanzlerkandidatin ausdrücklich auch den umstrittenen Begriff »Remigration« zu eigen: »Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration«, sagte Weidel unter dem Jubel der Delegierten. Diese stimmten daraufhin mit großer Mehrheit dafür, die Forderung danach im Wahlprogramm zu verankern. Das Programm der in Teilen als rechtsextremistisch eingestuften Partei sieht in vielen Bereichen einen grundlegenden Politikwechsel Deutschlands vor.
Kernthema des Wahlprogramms ist die Migrationspolitik, die die AfD massiv verschärfen will. Flüchtlinge sollen an der Grenze in Gewahrsamszentren gestoppt und Asylverfahren ins Ausland verlagert werden. In Aussicht gestellt wird eine »umfassende Rückführungsoffensive«, wie es euphemistisch heißt. Sozialleistungen für Asylbewerber will die AfD in Sachleistungen umwandeln und Leistungen für Ausreisepflichtige »auf ein menschenwürdiges Existenzminimum« senken.
Der umstrittene Begriff »Remigration« war im ursprünglichen Entwurf nicht vorgesehen, wurde per Änderungsantrag vom Parteitag aber noch in das abschließende Wahlprogramm eingefügt. Neben dem Plädoyer dafür schärften die Delegierten den migrationspolitischen Teil des Programmentwurfs noch an anderen Stellen nach. So strichen sie den Passus, dass anerkannte Asylbewerber nach zehn Jahren ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland erhalten sollten. Ebenfalls ersatzlos gestrichen wurde die Aussage, dass die AfD die Aufnahme europäischer Arbeitskräfte im Zuge der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit begrüßt.
Ausländische Bürger in Deutschland sollen stattdessen nur dann Anspruch auf Bürgergeld haben, wenn sie zehn Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren – im ursprünglichen Entwurf lag die Frist bei fünf Jahren. Gegen Missbrauch beim Bürgergeld will die AfD »resolut« vorgehen.
Außenpolitisch plädiert die Partei für ein Deutschland, das gute Beziehungen zu anderen Staaten auf der Welt hat – ohne Abstufung nennt sie dabei die USA, Russland und China. Sie bekennt sich zur Nato-Mitgliedschaft »bis zum Aufbau eines unabhängigen und handlungsfähigen europäischen Militärbündnisses«. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland wird abgelehnt, ebenso wie Wirtschaftssanktionen gegen Russland, beides Forderungen, die Russland selbst seit Jahren stellt. Zudem scheiterte der Antrag auf eine Änderung des Wahlprogramms, die Russland klar für den Angriff auf die Ukraine kritisiert hätte. Dagegen wurde ein Antrag befürwortet, der die Wiedereinführung der Wehrpflicht vorsieht.
Die AfD fordert den Ausstieg Deutschlands aus dem Euro und der Europäischen Union. Eine nationale Währung müsse wiedereingeführt werden – »gegebenenfalls unter paralleler Beibehaltung des Euro«. Gesellschaftspolitisch plädiert die AfD für ein traditionelles Familienbild. Der Parteitag ließ die Familien-Definition explizit als Einheit von Vater, Mutter, Kind hinzufügen. Außerdem spricht sich das Programm gegen einen angeblichen »Trans-Gender-Hype«, »Frühsexualisierung« und eine »woke Gesellschaft« aus.
Die Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), soll durch eine neue Organisation ersetzt werden. Mit notwendiger Zweidrittelmehrheit entschied der AfD-Parteitag in Riesa eine entsprechende Änderung der eigenen Satzung. Der JA-Bundesvorsitzende Hannes Gnauck hatte für diesen Schritt geworben. Agenturen/nd
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