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Union Berlin verliert und moniert das »Skandalspiel«-Urteil
Der 1. FC Heidenheim verdirbt Steffen Baumgart sein Trainerdebüt bei den Köpenickern
20 Minuten vor dem Anpfiff schallte es im kleinen, aber feinen Stadion des 1. FC Heidenheim aus dem Gästeblock »Auswärtssieg, Auswärtssieg«. Die 1850 mitgereisten Anhänger des 1. FC Union Berlin versuchten ihrer Mannschaft und sich selbst Mut zu machen. Der auch während der kampfbetonten 90 Minuten nicht nachlassende Support der Anhänger aus der Hauptstadt führte aber nicht zum Ende der Negativserie der Köpenicker. Durch die verdiente 0:2-Niederlage zum Auftakt nach der kurzen Winterpause sind die Eisernen nunmehr seit neun Bundesligaspielen ohne dreifachen Punktgewinn.
Heidenheim, das im Gegensatz zu Union noch in ein Wintertrainingslager nach Spanien gereist war, durfte nach zehn sieglosen Anläufen und zuletzt sieben Bundesligapleiten am Stück wieder einen Sieg bejubeln. »Wir haben eine sehr gute erste Viertelstunde gespielt. Dann passierte das, was im Fußball vorkommen kann, dass du ein Kontertor kriegst«, analysierte Unions neuer Coach Steffen Baumgart nach dem Spiel. »Mit der späteren roten Karte veränderte sich das Spiel komplett. Dann läuft man nicht nur dem einen Mann hinterher, sondern auch ein bisschen der Situation gerade.«
Das Baumgart-Debüt misslingt
Mit Spannung war das Debüt des neuen Union-Trainers erwartet worden, der vor allem die Offensivschwäche unter Vorgänger Bo Svensson beheben soll. Baumgart trug zwar im Gegensatz zu seinen vorherigen Stationen beim Hamburger SV, 1. FC Köln und SC Paderborn bei winterlichen Temperaturen kein kurzes T-Shirt. Aber auch mit Pullover und Weste fegte der 53-Jährige wie gewohnt durch die Coachingzone, um seine Mannschaft anzutreiben.
Baumgart war sieben Wochen nach seinem Aus beim Zweitligisten HSV gleich wieder auf Betriebstemperatur. Das galt zunächst auch für seine Elf, die wie von ihm angekündigt in der Abwehr mit einer Viererkette antrat. Ohne den bisherigen Abwehrchef Kevin Vogt, der zunächst auf der Bank Platz nehmen musste, legten die Eisernen einen sehr ordentlichen Start hin. Hätte Stoßstürmer Jordan Siebatcheu in der Anfangsphase nicht nur die Latte (8.) getroffen, vielleicht wäre das Spiel anders verlaufen. Doch im Abstiegskampf wurden in den spielentscheidenden Situationen vor allem die Fehler der Gäste eiskalt bestraft.
Den ersten ernstzunehmenden Angriff krönte der gerade vom FC Bayern München ausgeliehene Verteidiger Frans Krätzig nach einem Konter in der 17. Minute mit seinem ersten Bundesligator zum 1:0. Das steckte Union noch relativ gut weg. Doch als 20 Minuten später Unions Abwehrmann Tom Rothe nach einem Stockfehler und anschließender Notbremse gegen Sirlord Conteh die Rote Karte sah, kam das einer praktischen Vorentscheidung gleich. »Es war ein sehr unglücklicher Spielverlauf. Man kann uns nicht vorwerfen, dass wir nicht alles versucht hätten, den Ausgleich zu machen. Es war jedoch schwierig mit einem Mann weniger«, sagte Unions Kapitän Christopher Trimmel.
Heidenheims Neuzugänge überzeugen
Heidenheims seit 2007 im Amt befindlicher Langzeit-Trainer Frank Schmidt monierte, dass seine Mannschaft bis zur 83. Minute brauchte, um tatsächlich den Deckel draufzumachen. Erst dann hatte der eingewechselte Adrian Beck mit dem Treffer zum 2:0-Endstand die Entscheidung herbeigeführt. Zuvor hatte Union-Schlussmann Alexander Schwolow, der erneut den am Ellenbogen verletzten Stammkeeper Frederik Rönnow passabel vertrat, einen Schuss von Heidenheims Winterneuzugang Budu Zivzivadze stark abgewehrt.
Auch ohne eigenen Treffer konnte der vom Karlsruher SC im Januar geholte Zweitliga-Topscorer Zivzivadze gleich überzeugen. Wie Krätzig erlebte er die vorherige Heidenheimer Talfahrt nicht mit. »Diese Positivität und Energie haben sie der Mannschaft zur Verfügung gestellt«, zeigte sich Schmidt zufrieden mit der Leistung seiner neuen Spieler. Bei Union gibt es bisher keine Neuverpflichtungen, obwohl diese gerade im Angriff dringend angebracht erscheinen. Den vor dem DFB-Sportgericht erlittenen Punktverlust aus dem »Skandalspiel« gegen den VfL Bochum mit eingerechnet, beträgt der Vorsprung auf Relegationsplatz 16 nur noch drei Zähler.
Kein Wunder, dass sich Union in Heidenheim hinsichtlich der angekündigten Berufung auch am DFB abarbeitete. Präsident Dirk Zingler ließ keine TV-Kamera aus, um die Argumente seines Vereins publik zu machen. Zingler kritisierte den DFB, den DFB-Kontrollausschussvorsitzenden Anton Nachreiner und die Bochumer Vereinsführung. »Wir werden natürlich durch alle Instanzen gehen. Ich glaube, dass der DFB gegen seine eigene Rechtsordnung verstößt. Wenn es ein Fehler des Schiedsrichters gewesen ist, bleibt nur eine Entscheidung: Dann muss das Spiel wiederholt werden«, erklärte Zingler.
Ärger über das »Skandalspiel«-Urteil
Die Begegnung des 14. Spieltages wurde mit 2:0 für Bochum gewertet, weil VfL-Keeper Patrick Drewes nach Ansicht des Sportgerichts durch den Wurf eines Feuerzeuges am Kopf verletzt wurde und nicht weiterspielen konnte. Das Spiel wurde zwar noch zu Ende gebracht. Der DFB urteilte aber, dass es hätte abgebrochen werden müssen. »Wir dürfen doch nicht zulassen, dass Aktionen von einzelnen Idioten auf dem Rang dazu führen, dass wir unser Spiel unter- oder abbrechen. Dass was Herr Nachreiner will, ist ein falsches Instrument, dem zu begegnen«, monierte der Union-Präsident.
Unterschwellig wirft Union den Bochumern um Drewes auch Schauspielerei vor. »Und da soll sich bitte Bochum an die Nase fassen, da haben sie nicht fair gespielt«, meinte Zingler. Die schwierige Lage könnte Union in den nächsten Tagen aber auch auf dem Platz verbessern, wenn in den aufeinander folgenden Heimspielen am Mittwochabend gegen den FC Augsburg und am Sonntag gegen den 1. FSV Mainz 05 gepunktet wird.
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