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Havanna nähert sich Seoul an

Nordkorea verfolgt die Neuausrichtung Kubas mit Argusaugen

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 4 Min.
Claudio Raúl Monzón Baeza, erster kubanischer Botschafter in Südkorea, Präsdent Choi Sang-mok und Außenminister Cho Tae-yul (v. l. n. r.)
Claudio Raúl Monzón Baeza, erster kubanischer Botschafter in Südkorea, Präsdent Choi Sang-mok und Außenminister Cho Tae-yul (v. l. n. r.)

Es war eine Überraschung: Südkorea und Kuba hatten Mitte Februar vergangenen Jahres die Aufnahme diplomatischer Beziehungen bekannt gegeben. Für Nordkorea stellte der Schritt einen diplomatischen Rückschlag dar. Den nordkoreanischen Botschafter in Havanna kostete die Annäherung Kubas an Südkorea mutmaßlich das Amt, auch wenn weder Kuba noch Nordkorea etwas über die Gründe für den Abzug des Botschafters sagten. Der Zeitpunkt Mitte März 2024 aber lässt einen stillen Protest Pjöngjangs vermuten.

Im September empfing Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel den neuen nordkoreanischen Botschafter in Havanna, Han Su-chol, der eine Botschaft von Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un überbrachte, in der dieser die Bedeutung der Beziehungen zwischen beiden Ländern betonte. Nordkorea betrachtet Kuba als Bruderstaat. Pjöngjang unterhält seit 1960 eine Botschaft in Havanna und umgekehrt.

Annäherung zwischen Kuba und Südkorea macht Sinn

Südkorea und Kuba dagegen hatten ihre Beziehungen nach der kubanischen Revolution abgebrochen. »Kuba hat eine sehr große symbolische Bedeutung für Nordkorea, weil es seine Operationsbasis in Amerika ist«, sagte ein ungenannter südkoreanischer Diplomat gegenüber BBC, »und deshalb hat Pjöngjang die kubanische Regierung immer unter Druck gesetzt, sich von Seoul fernzuhalten«.

Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Kuba und Südkorea kommt auf den ersten Blick überraschend. Bei genauerem Hinsehen macht der Schritt für beide Seiten durchaus Sinn. Denn die enge Freundschaft zwischen Havanna und Pjöngjang steht im Gegensatz zum praktisch nicht vorhandenen wirtschaftlichen und kommerziellen Austausch. Zwischen Kuba und Südkorea gibt es dagegen einen zunehmenden kulturellen Austausch. So fand in Seoul ein kubanisches Filmfestival statt; in Kuba wiederum hat südkoreanischer K-Pop Tausende jugendliche Fans, und südkoreanische Serien wie »Squid Game« (auf Spanisch: »El juego del calamar«) erfreuen sich großer Beliebtheit.

Von den neuen Beziehungen zu Südkorea erhofft sich Havanna vor allem Impulse für die Wirtschaft. Kuba leidet unter einer schweren Krise mit Versorgungsengpässen und häufigen Stromausfällen. Der Handel zwischen beiden Ländern bewegt sich zwar auf einem sehr bescheidenen Niveau, aber auf Kubas Straßen sieht man Hyundai- und Kia-Autos, und in den wenigen Geschäften für Haushaltsgeräte werden südkoreanische Marken wie Samsung, LG oder Daewoo angeboten. Auch Samsung-Smartphones sind weitverbreitet.

Auch in Seoul erhofft man sich wirtschaftliche Impulse. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Südkorea und Kuba nach 65 Jahren könnte sich positiv auf die Wirtschaft auswirken, erklärte das südkoreanische Präsidialamt im Februar 2024 und verwies auf Kubas Ressourcenreichtum. »Kuba verfügt über beträchtliche Bodenschätze für die Herstellung von Elektrofahrzeugen, wie Kobalt und Nickel.« Auf der anderen Seite sind einige der weltweit größten Hersteller von Batterien für E-Autos in Südkorea ansässig. Das südkoreanische Präsidialamt versicherte, Unternehmen zu unterstützen, die am Eintritt in den kubanischen Markt in Bereichen wie Grundbedarf, Haushaltsgeräte und Maschinen interessiert sind.

Botschaftseröffnung verläuft nicht nach Plan

Ferner wies Seoul auf potenzielle Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten im Energiesektor hin, wo Kuba auf den Ausbau erneuerbarer Energien setzt. Medizin und Biotechnologie sind weitere Bereiche, in denen die südkoreanische Regierung Potenzial für Kooperationen sieht. »Kuba ist ein unerschlossener Markt«, so das Präsidialamt, auf dem »der direkte Handel aufgrund der US-Sanktionen noch sehr begrenzt ist, aber wir werden die Gelegenheit der Aufnahme formeller diplomatischer Beziehungen nutzen, um die Grundlagen für eine schrittweise Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu schaffen«.

Die für Ende 2024 geplante Eröffnung der südkoreanischen Botschaft in Havanna verzögert sich dagegen. Unter anderem hätten häufige Stromausfälle und Treibstoffmangel die logistischen Abläufe in Kuba erheblich behindert, schreibt die südkoreanische »Korea Times«. Laut der Nachrichtenagentur Yonhap plant Südkorea die Eröffnung seiner Botschaft in Havanna bis zum Ende der ersten Jahreshälfte.

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