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Bangladesch stellt sich neu auf

Reformkommissionen legen Konzepte für Neugestaltung vor

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.
Nobelpreisträger Muhammad Yunus (M), als er seine Residenz verlässt, um an der Vereidigungszeremonie für die Leitung einer Übergangsregierung teilzunehmen.
Nobelpreisträger Muhammad Yunus (M), als er seine Residenz verlässt, um an der Vereidigungszeremonie für die Leitung einer Übergangsregierung teilzunehmen.

Muhammad Yunus spricht von einem weiteren »historischen Datum«. Der 84-jährige Mikrokredite-Pionier, Friedensnobelpreisträger, amtiert seit fünf Monaten als »Chefberater« und Interims-Regierungschef von Bangladesch. Mit historischem Datum meint er den 15. Januar. Dort legten ihm vier der eingesetzten Reformkommissionen ihre Vorschläge für Verfassungs- und Wahlrechtsänderungen vor. Erkennbar ist darin unter anderem das Anliegen, aus einem Regierungssystem vorwiegend der alten Männer eine moderne Demokratie für alle zu machen. Vor allem die Rolle der beim Umsturz im Vorjahr voranschreitenden Jugend soll gestärkt werden. Zudem sollen eine Machtkonzentration in den Händen einer einzelnen Person verfassungsrechtlich unmöglich gemacht und die Rechte der Opposition geschützt werden. Auch ein neuer, umfangreicher Grundrechte-Katalog mit Verfassungsrang wäre ein großer Wurf, sollte er tatsächlich so durchgehen.

Mehr als 15 Jahre am Stück hatte Sheikh Hasina regiert, als sie im August 2024 von den massiven Straßenprotesten zum Abtreten und zur Flucht ins benachbarte Indien gezwungen wurde. Spätestens die jüngsten Wahlen vor einem Jahr galten endgültig als Farce. Die Frau, die als eine der großen Hoffnungen des Globalen Südens begonnen und internationale Anerkennung gewonnen hatte, regierte zuletzt als »Eiserne Lady« von Dhaka im Stil einer Königin mit harter Hand, jeden Widerspruch unterbindend.

Künftig soll etwa die Amtszeit des Regierungschefs auf zwei Legislaturperioden begrenzt werden – und niemand danach ins Präsidentenamt wechseln können. Überhaupt wird für die Kür des Staatsoberhauptes vorgegeben, es müsse sich um eine geachtete, kompetente Persönlichkeit handeln, die in der Lage sei, wirklich überparteilich zu wirken. Damit will man verhindern, dass der Premier eine ihm loyale »Marionette« ins nominell höchste politische Amt hievt. Wird der entsprechende Passus beschlossen, wird dem Regierungschef zudem fortan die Befugnis entzogen, wichtige Positionen im Staatsapparat selbstherrlich zu besetzen. Explizit vorschreiben möchten die Kommissionen auch, dass die Ämter von Regierungschef, Partei- und Parlamentsvorsitz personell getrennt werden. Niemand dürfe sie in Personalunion ausüben. Damit nicht genug: Ein Novum wäre für die Volksrepublik Bangladesch auch ein Zweikammerparlament, wie es etwa auch Indien und Pakistan haben. Das Unterhaus mit dann 400 Abgeordneten würde direkt gewählt, 100 Sitze in einem ergänzenden Senat von Parteivertretern gemäß dem Stimmenanteil bei der Wahl besetzt werden. Der Präsident erhielte das Recht, fünf weitere, parteiungebundene Vertreter zu ernennen. Für den Senat würde eine Frauenquote von 30 Prozent gelten, das passive Wahlalter von bisher 25 auf 21 Jahre abgesenkt werden. Und eben weil die Jugend 2024 so eine tragende Rolle spielte, wundert auch ein weiterer Punkt nicht: Die Parteien müssten per Vorgabe »mindestens zehn Prozent« ihrer Wahlkandidaten aus der jungen Generation aufstellen. Zudem will die Kommission zur Wahlrechtsreform es für neue Parteien auch einfacher machen, sich registrieren zu lassen.

Völlig neu wäre, sollte sich dies final durchsetzen lassen, ein Grundrechte-Katalog. Der Anspruch auf gesicherte Ernährung, Bekleidung, Bildungszugang, aber auch Wahlrecht und sogar Internet wäre dann sogar prinzipiell einklagbar. Über das Reformpaket wird nun die Interimsregierung in ihrer Gesamtheit weiter beraten.

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