Fast Food Kette in Berlin – Transfeindlichkeit: I’m lovin’ it

McDonald’s landet wegen eines diskriminierenden Vorfalls in einer Berliner Filiale vor dem Arbeitsgericht

  • Hannah Blumberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Klägerin Kylie Divon (l.) neben ihrer Anwältin
Die Klägerin Kylie Divon (l.) neben ihrer Anwältin

Mit der wertegeleiteten Unternehmenspolitik ist es so eine Sache. Was öffentlichkeitswirksam als tief verwurzelte Überzeugung kundgetan wird, kann je nach Zielgruppe oder Zeitgeist gerne überarbeitet werden. So verabschiedete sich McDonald’s trotz aller vergangenen woken Kampagnen in den USA kürzlich von den Richtlinien für Vielfalt, Gleichbehandlung und Inklusion. In Deutschland sieht sich der Konzern mit Vorwürfen konfrontiert, die so gar nicht dem eigenen Image entsprechen. Vor dem Arbeitsgericht Berlin verklagte eine Frau McDonald’s Deutschland wegen Diskriminierung. Die Verhandlung endet mit einem Vergleich: Die Klägerin erhält eine Abfindung von 16 500 Euro, das Arbeitsverhältnis wird »aus betrieblichen Gründen« beendet.

Die Klägerin Kylie Divon arbeitet seit November 2019 für das Unternehmen. Ob seit Beginn der Beschäftigung ihre Identität als Transfrau bekannt war, ist unklar. Spätestens im Sommer 2023 nach einer Operation sei es aber bekannt gewesen, erklärt Kylies Anwältin. Als Kylie dann im Dezember die Damenumkleide betreten wollte, soll sie von einer Kollegin gefragt worden sein, was sie dort wolle. Die Aussage, egal, wie Kylie »oben« aussehe, »unten« sei sie immer noch »so« soll mit einer Geste unterstrichen worden sein. Als Kylie daraufhin ein Gespräch mit Vorgesetzten gesucht habe, sei man dem Vorwurf der Diskriminierung mit Unverständnis begegnet, immerhin handle es sich bei Kylie ja biologisch um einen Mann.

McDonald’s bestreitet die Vorwürfe. Der Konzern selbst beruft sich auf verschiedene Angebote, die man der Klägerin gemacht habe, wie etwa die Nutzung eines Raumes hinter den Frauenkabinen oder den Zugang nach vorherigem Klopfen. Öffentlichkeitswirksamere Vorschläge gab es auch, etwa den Dreh eines Werbevideos mit Kylie oder eine Spende an eine queere Organisation, wie die Anwältin des Unternehmens sagt.

Streitpunkte in der Verhandlung sind einerseits der Begriff Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und andererseits die Kenntnis um Kylies Identität. »Ohne die Kenntnis eines Diskriminierungsmerkmals ist eine Diskriminierung schwierig«, sagt die Richterin. Die Anwältin von McDonald’s erklärt, die Klägerin habe nur gesagt, dass sie mit Kylie angesprochen werden wolle. Dass in den Gesprächen während des Vorfalls und danach eindeutig die Identität der Klägerin als Frau zur Debatte stand, bestreitet das Unternehmen. Das akzeptiert Kylies Anwältin genauso wenig, wie die Rechtfertigung, die Belange anderer Mitarbeiter*innen berücksichtigen zu müssen. »Welches Interesse soll denn hier überwiegen?«, fragt sie.

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Kylies Anwältin sagt: »Sie ist eine Frau und sie wird behandelt, als wäre sie keine Frau. Und das organisatorisch.« Die Richterin erwidert, dass die Rechtslage außerhalb von europäischem Recht bezüglich der Vergleichbarkeit mit cis-Frauen (Bei Cis-Menschen stimmt die Geschlechtsidentität mit dem biologischen Geschlecht überein, Anm. d. Red.) unklar sei.

Zur Enttäuschung von Kylie und ihrer Anwältin findet keine Anerkennung der Vorfälle statt. Die Anwältin von McDonald’s fordert, dass mit dem geschlossenen Vergleich das Thema vom Tisch ist. »Wir bleiben dabei, es lag keine Diskriminierung vor.« Rechtlich ist der Fall zu Ende. Aber dafür garantieren, dass der Fall nicht mehr diskutiert werde, könne sie angesichts eines Saals voller Pressevertreter*innen nicht, sagt Kylies Anwältin.

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