Neujahrsempfang der DFL: Der Fußball übt sich in Sonntagsreden

Beim Streit um die Verteilung der Fernsehgelder und bei der Umlage der Polizeikosten zeigt sich die tiefe Kluft zwischen Oben und Unten

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.
Chance nicht genutzt: Hans-Joachim Watzke
Chance nicht genutzt: Hans-Joachim Watzke

Als sich die illustre Gästeschar am Donnerstagabend aus dem Gesellschaftshaus im Frankfurter Palmengarten wieder auf den Heimweg machte, fragte sich mancher, was von diesem Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga (DFL) hängen bleiben würde. Einig waren sich Stammbesucher dieses Stelldicheins, dass insbesondere Hans-Joachim Watzke als Aufsichtsratsvorsitzender bei der 16. Auflage eine Chance hatte verstreichen lassen.

In seiner oberflächlichen Rede vor 400 Zuhörern aus Sport, Politik, Gesellschaft und Medien kamen keinerlei Zukunftspläne oder Visionen zur Sprache. Der Vorstandsboss von Borussia Dortmund führte die gelungene Heim-EM und die internationalen Erfolge an, insbesondere den Einzug seines kriselnden BVB ins Champions-League-Finale, um 2024 als ein »gutes Jahr für den deutschen Fußball« zu preisen. Das hätte jeder ohne Redevorlage hinbekommen. Warum aber nicht mal die vielen Herausforderungen thematisieren? Gesellschaftlich und sportlich gibt es doch genügend.

Ein Vakuum, das anschließend auch die DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel nicht zu füllen wussten. Okay, Merkel betonte, dass die Bundesliga hinsichtlich der internationalen Medienerlöse die derzeit am stärksten wachsende europäische Topliga nach der Premier League sei. Lenz verweist auf die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit unter den 36 Lizenzvereinen. Aber ein programmatischer Schwerpunkt fehlte.

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Der langjährige DFL-Boss Christian Seifert hatte gerade diese Veranstaltung genutzt, um den Ligaverband strategisch zu positionieren – hatte dem DFB, Uefa oder Fifa mal die Leviten gelesen oder auch der Liga selbst, wenn das internationale Abschneiden nicht passte. Auch die zeitweise richtig schlechte Nachwuchsarbeit in Deutschland kam hier früher mal klar zur Sprache. Oft genug bekam auch die Politik ihr Fett weg vom spitzzüngigen Seifert, der inzwischen für die Streaming-Plattform Dyn arbeitet.

Immerhin den politischen Schlenker versuchte Watzke, als der 65-Jährige vor der Bundestagswahl in seiner Eigenschaft als Bürger empfahl, mehr auf den Wähler einzugehen. Man dürfe den »moralischen Zeigefinger nicht pausenlos« benutzen und nicht »immer nur das Instrument der Belehrung und der Bevormundung« einsetzen, dann würden auch jene Menschen wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückkehren, die man verloren habe.

Klang nicht verkehrt, doch besser wäre es, wenn seine eigene Institution ein gutes Vorbild wäre. Ist die DFL aber gerade nicht. Exemplarisch zeigt sich das beim Streit um eine andere Verteilung der Fernsehgelder, um das große Ungleichgewicht in der Liga vielleicht ein bisschen aufzuheben. Insbesondere kleinere Klubs haben den Vorschlag unterbreitet, künftig internationale Erlöse von rund 200 bis 300 Millionen Euro nach demselben Schlüssel zu verteilen wie die nationalen Einnahmen von 1,121 Milliarden Euro.

Das Geld aus der Auslandsvermarktung fließt aktuell in größten Teilen an die internationalen Starter, obwohl die Europapokal-Teilnehmer ja große Summen von der Uefa einsacken – und bald noch ein fetter Batzen durch die Klub-WM für Bayern und den BVB obendrauf kommt. Watzke lobte zwar die »sehr konstruktive Diskussion« auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung, doch Sitzungsteilnehmer berichteten von einer Kontroverse, bei der keine Verständigung möglich sei. Im Grunde sei die Debatte für die Tonne gewesen, war zu hören.

Der Ligaverband gleicht einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der die mächtigen Klubs ihre Interessen durchbringen. Im neunköpfigen Präsidium setzen Sprecher Watzke und Finanzfachmann Michael Diederich (FC Bayern) den Ton, gemeinsam mit Axel Hellmann (Eintracht Frankfurt) und Oliver Leki (SC Freiburg), beide vorübergehend interimsmäßig während des gescheiterten Investorenprozesses an der Spitze. Ilja Kaenzig (VfL Bochum) machte das sehr deutlich: »Ich wäre sofort bei einer Umverteilung dabei, aber das ist nicht kompromissfähig. Die Diskussion war überragend, aber der Film wiederholt sich.«

Da gibt sich ein Liga-Manager nicht der Illusionen hin, dass die Großen bei stagnierenden Einnahmen zu Kompromissen bereit sind, wenn Ende Januar entschieden wird, wie die Medienerlöse die nächsten vier Jahre verteilt werden. Dem Vernehmen nach wird wohl demnächst die Verteilungssäule »Interesse«, nach der bislang ohnehin nur drei Prozent der TV-Gelder fließen, geringfügig erhöht.

Doch an grundsätzlichen Unterschieden – und damit am Status quo – wird nicht gerüttelt: Bayern München kassiert aktuell rund 97,5 Millionen Euro aus nationaler und internationaler Vermarktung, Werder Bremen hingegen nur knapp 47 Millionen Euro und Holstein Kiel sogar nur 32,7 Millionen Euro. Die zweite Liga bekommt 20 Prozent der Einnahmen – ein höherer Anteil steht dem Vernehmen nach nicht auf der Agenda.

Dazu passt, dass ebenso bei den Polizeikosten keine Solidarität zustande kommt, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Umlage bei Risikospielen auf die DFL bzw. die Vereine für rechtens erklärt hat. Watzkes lapidarer Kommentar am Rande der Veranstaltung: »Wir können nicht immer alles gleichmachen.« Ein Solidarfonds könnte betroffene Klubs wie Werder Bremen entlasten. In anderen Bundesländern laufen Debatten, ob die Praxis aus Bremen übernommen werden soll. Das Bild ist bisher uneinheitlich.

Jan-Christian Dreesen als Vorstandsvorsitzender des FC Bayern setzt ganz darauf, dass das Bundesland Bayern nicht dem Beispiel Bremens folgt – und streute noch eine Spitze an den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ein, der den Rechtsstreit am vergangenen Dienstag gewonnen hatte: »Grundsätzlich wäre es schön, wenn der Stadtstaat Bremen sich nicht zehn Jahren an den Polizeikosten abgearbeitet hätte, sondern auch andere Themen vorangebracht hätte.«

Immerhin nichts zu meckern hat Dreesen daran, dass Bayer Leverkusen dem Rekordmeister einmal die Schale abspenstig gemacht hat und auch aktuell wieder nahe auf die Pelle gerückt ist: »Es ist fantastisch für die Fans, dass es mehrere Kandidaten auf die Meisterschaft gibt. Auch der FC Bayern muss sich mehr anstrengen.«

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