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Taube oder Falke? US-Außenpolitik unter Trump

Bereits während seiner ersten Amtszeit brachte der US-Präsident die Vereinigten Staaten mehrfach an den Rand eines Krieges

  • Julia Gledhill
  • Lesedauer: 8 Min.
Auch gegenüber Migrant*innen will Trump massiv vorgehen und die US-Grenzen ausbauen – was zu Protesten führt.
Auch gegenüber Migrant*innen will Trump massiv vorgehen und die US-Grenzen ausbauen – was zu Protesten führt.

Donald Trumps erneuter Wahlsieg bewies, dass sein Erfolg 2016 keine Anomalie gewesen war, und dass eine militärisch zurückhaltende Außenpolitik bei beachtlichen Teilen der US-amerikanischen Öffentlichkeit Anklang findet. Doch ein ernsthafter Blick auf seine Agenda lässt deutliche Zweifel daran aufkommen, dass Trump und seine Gefolgsleute dieses Versprechen wirklich einlösen werden – und ob seine Außenpolitik die Gefahr von Konflikten wirklich verringern oder der Öffentlichkeit, geschweige denn dem Rest der Welt, tatsächlich Vorteile bringen wird. Um besser zu verstehen, wohin sich die US-Außenpolitik unter Trump entwickeln könnte, ist es wichtig zu verstehen, woher sie kommt.

»America First«

Trump hatte in seinem Wahlkampf 2016 »America First« und das Ende aller Kriege versprochen. Letztendlich aber schrammte er nur haarscharf daran vorbei, einen neuen Krieg vom Zaun zu brechen. Der designierte Präsident ist, wie seine Bilanz zeigt, alles andere als gegen Krieg.

In seiner ersten Amtszeit ging der nicht enden wollende »Krieg gegen den Terror« weiter. Nach dem Vorbild Barack Obamas ordnete Trump im Ausland mörderische Angriffe an. Sie stellen die Fortsetzung der US-amerikanischen »9/11-Kriege« dar, fallen der Bevölkerung aber weniger auf, weil dabei keine Bodentruppen eingesetzt werden. Trump eskalierte die Angriffe und sorgte gleichzeitig dafür, dass sie kaum mehr nachzuvollziehen waren.

Äußerst kritisch zeigte er sich gegenüber Verbündeten, die von US-amerikanischen Sicherheitsgarantien profitieren, während er autoritäre Staatschefs wie Russlands Wladimir Putin oder Nordkoreas Kim Jong-un wiederholt lobte. Trotz seiner früheren Kritik am Nato-Bündnis begrüßte er dessen Erweiterung durch die Aufnahme von Montenegro und Nordmazedonien.

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Handelspolitisch unternahm Trump wenig, um China von Überproduktion und Dumping-Exporten abzuhalten. Dagegen trieb er die Preise für US-amerikanische Verbraucher*innen in die Höhe. Trumps Handelskrieg gegen China – den Joe Biden fortführte – könnte den Niedergang der USA auf der internationalen Bühne sogar beschleunigt haben. Tatsächlich sorgt Handelsprotektionismus, wenn auch unbeabsichtigt, für einen wirtschaftlichen Bedeutungsverlust. Alles in allem treibt der US-Protektionismus das Land in die Isolation, weil er seine wirtschaftliche Stärke aufs Spiel setzt. Dagegen kommt er China als globaler Produktionsmacht und führendem Kreditgeber in Asien zugute.

Was die Atompolitik angeht, nahm Trump das Risiko eines Krieges mit Nordkorea in Kauf, als er den nordkoreanischen Führer Kim Jong-un auf Twitter verhöhnte. Unter Trump stiegen die Vereinigten Staaten aus dem Iran-Atomabkommen aus. Dieser Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) war von der Obama-Regierung ausgehandelt worden, um dem Iran Atomwaffen zu verwehren. Statt mit dem Land einen »besseren Deal« auszuhandeln, brachte Trump den Iran in greifbare Nähe von Atomwaffen. Seine Amtszeit beendete er mit einer Anordnung, die ohne Zustimmung des Kongresses erfolgte und einem Krieg gegen den Iran gleichkam: den tödlichen Anschlag auf den zweitmächtigsten Mann des Landes, Qasem Soleimani.

Unter dem Präsidenten Trump kündigten die USA darüber hinaus den historischen Vertrag über atomare Mittelstreckensysteme (Intermediate-Range Nuclear Forces Treaty) auf. Unterzeichnet hatten ihn 1987 Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow. Er sollte der Stationierung bestimmter Raketen Grenzen setzen. Die unter Obama begonnenen Pläne zur Modernisierung der drei Elemente der nuklearen Triade verfolgte Trump mit Nachdruck weiter – eine strategisch überflüssige und grobe Verschwendung staatlicher Ressourcen.

Trump stimmt manchen Aspekten militärischer Besonnenheit rhetorisch zu. Doch er ist, wie seine Bilanz zeigt, weit davon entfernt, außenpolitisch auf die Bremse zu treten. Denn angesichts einer sicherheitspolitischen Herausforderung würde dies bedeuten, militärische Gewalteinsätze konsequent abzulehnen und gleichzeitig die diplomatischen Kapazitäten zu erhöhen. Trump ließ jedenfalls in seiner ersten Amtszeit das Außenministerium ausbluten, während er den Haushalt für das Pentagon aufstockte und die USA an den Rand eines Krieges mit dem Iran und Nordkorea brachte.

Trump 2.0

Ohne den geringsten Zweifel wird die zweite Trump-Regierung ungeheure Summen in den nationalen Sicherheitsstaat stecken – wie alle anderen Regierungen in der jüngeren Geschichte auch. Auf seiner Wahlkampfwebseite von 2024 prahlte Trump, er habe in seiner ersten Amtszeit »die US-Militärmacht vollständig wiederaufgebaut und Amerika global zu solcher Stärke verholfen, dass überall auf der Welt der Frieden ausbrach und wir Frieden durch Stärke hatten«. Das Mantra »Frieden durch Stärke« hatte Trump aus der Reagan-Ära übernommen. Er beschwor es wiederholt, und viele Republikaner haben es sich zu eigen gemacht. Mit diesem Schlagwort versuchen sie, hochriskante Vorhaben wie die Ausgabenerhöhung für nationale Sicherheit um Billionen von Dollar in den kommenden zehn Jahren zu rechtfertigen.

Vizepräsident JD Vance ist im Großen und Ganzen ein Falke: Er befürwortet die vollumfängliche Unterstützung Israels, eine militärische Intervention in Mexiko, eine harte Linie gegenüber dem Iran und einen militärisch orientierten Ansatz zur Eindämmung Chinas. Allerdings war Vance auch einer der lautstärksten Kritiker der Ukraine-Politik der Biden-Regierung. Er hob hervor, dass es der Ukraine an personellen Ressourcen fehle, um eine entscheidende Wende im Krieg herbeizuführen. Mit diesem Argument versuchen Befürworter*innen einer militärischen Zurückhaltung auf die rasche Beendigung des Kriegs zu drängen, auch wenn sie gleichzeitig den Schrecken der russischen Invasion in der Ukraine und das Recht des Landes auf Souveränität anerkennen.

Der Abgeordnete Mike Waltz, Trumps Wunschkandidat für das Amt des nationalen Sicherheitsberaters, sprach sich gegen den von der Biden-Regierung genehmigten Einsatz von Raketen aus US-Produktion durch das ukrainische Militär für Angriffe auf russisches Territorium aus. Gegenüber dem Iran vertreten sowohl Waltz als auch Senator Marco Rubio – Trumps Nominierung für den Posten des Außenministers – jedoch eine ausgesprochen harte Linie.

Rubio wird auch gegenüber zentral- und südamerikanischen Ländern eine kompromisslose Haltung einnehmen. Rubio sei sehr stark »antikubanisch, antinicaraguanisch und antivenezolanisch« eingestellt, lautet eine Expertenmeinung. Zudem kritisierte Rubio den kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro und den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva scharf. Im Hinblick auf Mexiko hat Rubio signalisiert, dass er nichts gegen die Entsendung von US-Truppen in das Land zur Bekämpfung der Drogenkartelle einzuwenden habe.

Trumps Kandidat für das Amt des Verteidigungsministers, Pete Hegseth, wiederum interessiert sich anscheinend vorrangig für kulturelle Fragen, die er »woke« nennt. Allerdings schrieb Hegseth, kein General in den Vereinigten Staaten solle »innerhalb von zehn Jahren nach seinem Ruhestand in der Rüstungsindustrie arbeiten dürfen« – ein mutiger Vorschlag, der die Karenzzeit für Pentagon-Beamte, die nach dem Ausscheiden aus dem Beruf wie durch eine Drehtür in die Wirtschaft abwandern, erheblich verlängern würde. Ansonsten gibt es in Bezug auf Hegseth wenig Grund für Optimismus. Um die größte US-Regierungsbehörde zu leiten, fehlt ihm die Erfahrung.

Elbridge Colby, der »Ideenmann« der Republikaner-Partei, ist Trumps Kandidat für den Posten des für Politik zuständigen Staatssekretärs im Pentagon. Zwar wirkt er im Vergleich zu anderen Beamten, die Trump für den Bereich nationale Sicherheit nominiert hat, eher zurückhaltend – insbesondere, weil er einen Krieg mit dem Iran ablehnt. Aber er ist ein Befürworter der US-Dominanz im Indopazifik und teilt insofern den maximalistischen Ansatz zur Eindämmung Chinas, der das Risiko eines Konflikts mit dem Land birgt.

In den Wochen vor seiner Amtseinführung sorgte der designierte Präsident für Spannungen mit den Nachbarn. Trump schlug die Annexion Kanadas durch die USA und die Umbenennung des Golfs von Mexiko in »Golf von Amerika« vor, was beide Länder sofort ablehnten. Darüber hinaus verlangte Trump die Übernahme der Kontrolle über den Panamakanal sowie den Kauf von Grönland, wobei er den Einsatz militärischer Gewalt nicht ausschloss. Diese Äußerungen spiegeln unmissverständlich wider, mit welchen Ambitionen er seine Sicht von »America First« in der Weltpolitik durchsetzen will.

Noch ist nicht alle Hoffnung verloren

Sowohl Trumps Bilanz als auch sein Gefolge von Loyalisten deuten darauf hin, dass er sich erneut dem Militarismus verschreiben wird, und das zum Nachteil der Vereinigten Staaten und der Welt. Trotz einiger personeller Überschneidungen mit den Kreisen, die für militärische Mäßigung plädieren, bleibt die Trump-Regierung wie zuvor in Schlüsselfragen der nationalen Sicherheit, die das Potenzial haben, globale Konflikte hervorzurufen oder anzuheizen, bei einem harten Kurs. Es gibt Leute wie Vance, die die territoriale Expansion Israels unterstützen. Andere könnten militärische Maßnahmen gegen den Iran oder sogar Mexiko entfachen. In Bezug auf China nehmen Colby, Rubio und Waltz eine ultraharte Haltung ein und drängen auf ein aggressiveres Vorgehen.

Aber noch ist nicht alle Hoffnung verloren. Wer militärische Zurückhaltung befürwortet, ist historisch im Nachhinein immer wieder bestätigt worden. Auch in Trumps zweiter Amtszeit lässt sich Druck aufbauen, der zu einer rationaleren Außenpolitik führen könnte. Die US-Amerikaner*innen stimmten zwar für Trumps Rückkehr ins Weiße Haus. Aber andererseits sind Kongressmitglieder, die dem nationalen Sicherheitsstaat und seinen Trägern kritisch gegenüberstehen, nicht abgewählt worden. Tatsächlich ist das Wahlergebnis von 2024 auch dem Versäumnis der Biden-Regierung geschuldet. Sie sah über die Forderungen nach einer vernünftigeren Außenpolitik hinweg – einer Politik, die auf den Prinzipien militärischer Besonnenheit basiert.

Julia Gledhill ist Research Associate am Stimson Center in Washington DC. Die ungekürzte Fassung ihrer Analyse ist veröffentlicht auf: www.rosalux.de/international

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