Zu wenig Drama in der Bundesliga der Frauen

Die höchste Spielklasse der Fußballerinnen wächst, doch Experten wünschen sich noch mehr Spektakel

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 5 Min.
Leipzigs Vanessa Fudalla (M.) nimmt es am zehnten Spieltag gleich mit vier Spielerinnen von Bayer Leverkusen auf.
Leipzigs Vanessa Fudalla (M.) nimmt es am zehnten Spieltag gleich mit vier Spielerinnen von Bayer Leverkusen auf.

Natürlich ist Nia Künzer bei allen wichtigen Ereignissen des deutschen Fußballs zugegen. Beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Leipzig gehörte die Sportdirektorin des DFB ebenso zur illustren Gästeschar wie beim Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga. Dort suchte auch Oliver Mintzlaff das Gespräch mit der Weltmeisterin von 2003, weil der Red-Bull-Boss explizit bei den Frauen noch viel Entwicklungspotenzial sieht – auch für RB Leipzig.

Weniger als zwei Millionen Euro investiert der Brauseklub bislang in sein Bundesliga-Team, das in der Tabelle aktuell auf Platz sechs liegt. Dass Leipzig bei den Frauen nicht graues Mittelmaß bleiben will, sondern nach mehr Aufmerksamkeit, mehr Zuschauern und besseren Bedingungen strebt, versteht sich von selbst. Mintzlaff sieht es als Verpflichtung an, den Fußballkosmos von Red Bull mittelfristig nicht nur auf die Männer auszurichten.

Vorerst keine eigene Liga-Gesellschaft

Wenn die Frauen-Bundesliga an diesem Wochenende endgültig aus dem Winterschlaf erwacht, hat sich hinter den Kulissen einiges getan: Wie es aussieht, wollen Vereine und Verband zunächst gemeinsam die Weiterentwicklung vorantreiben. Darüber herrschte Konsens, nachdem auch Jan-Christian Dreesen, Vorstandschef vom FC Bayern, beim letzten Treffen zwischen DFB und Klubs vor Weihnachten erschienen war. Selbst der Meister will auf Dauer keinen defizitären Betrieb seiner Fußballerinnen. Dafür war ein von den Vereinen bezahlter Prüfauftrag an die englische Agentur Portas gegangen, die Liga vielleicht sogar in einer eigenen Gesellschaft aus dem DFB herauszulösen. Dem Vernehmen nach wird es dazu aber vorerst nicht kommen.

»Wenn wir die Frauen-Bundesliga privatisieren, wäre das der völlig falsche Weg«, sagte Karsten Ritter-Lang, Präsident von Turbine Potsdam, auf dem »1. Women’s Football Meet Up« in Frankfurt am Main. Jasmina Čović, Gründerin einer Beratungsagentur für Fußballprofis, hatte den Austausch organisiert, bei dem auch DFB-Vertreter offen über das Thema sprachen. Man wolle den DFB-Wachstumsplan mit dem Portas-Konzept »übereinander legen und einen gemeinsamen Weg verabschieden, bei dem sich alle Stakeholder wiederfinden«, sagte Kay Dammholz, Direktor Medienrechte bei der DFB-Marketing GmbH.

Weiterhin enormer Investitionsbedarf

Dass bis heute kein Masterplan beschlossen ist, liegt auch daran, dass die Liga sehr heterogen ist. Bei der Einführung eines Mindestgehalts wären Ausbildungsklubs wie die SGS Essen oder die Aufsteiger Jena und Potsdam überfordert. Bei einer Mindestkapazität der Stadien für mehr als 5000 Zuschauer wären der Campus des FC Bayern und die Leipziger Spielstätte am Cottaweg deutlich zu klein. Außerdem besteht ein enormer Investitionsbedarf, der auf mindestens 70 Millionen Euro bis 2031 beziffert wird. Deswegen gab es auch Vorprüfungen, ob ein Investor einsteigen könnte.

Nadine Angerer, die inzwischen als Torwarttrainerin für den EM-Gastgeber Schweiz arbeitet, empfahl, dass Deutschland durchaus von den USA lernen könne, wo sie von 2015 bis 2023 für die Portland Thorns gearbeitet hatte. Dort hätten »fünf, sechs Vereine ständig mehr als 20 000 Zuschauer«, es gebe nur Profispielerinnen, dazu »arbeiten 20, 22 Leute aus dem Staff Vollzeit«. Ein neuer Fernsehvertrag bringt der National Women’s Soccer League die nächsten vier Jahre umgerechnet 225 Millionen Euro ein. Die frühere deutsche Nationaltorhüterin findet, dass sich die US-Spielerinnen viel mutiger vermarkten: »Stars wie Alex Morgan lieben es, mit den Medien zu spielen.«

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In Deutschland fließen derzeit pro Saison 5,17 Millionen Euro an Medienerlösen, die zwischen allen zwölf Klubs gleich verteilt werden. Über die Sichtbarkeit kann sich niemand beschweren. Mit DAZN und Magenta übertragen zwei Pay-TV-Partner jede Partie. Dazu kommen die Montagsspiele bei Sport1 und Highlight-Partien bei ARD und ZDF. Doch die Quoten stellen die Sender nur bedingt zufrieden. »Langfristig kann die Liga nur wachsen, wenn sie profitabel wird«, sagte Haruka Gruber, Vermarktungschef der Streamingplattform DAZN. Aus seiner Sicht ginge zurzeit noch viel mehr, wenn die Frauen sich mehr für negativ besetzte Themen öffnen würden: »Enttäuschung und Tränen werden zu wenig erzählt.«

Weniger Wohlfühloase, mehr Schattenseiten

Spekulationen wie über die Trainerentlassung beim 1. FC Köln, wo mit Britta Carlson inzwischen die ehemalige Assistentin der DFB-Frauen übernommen hat, Störgeräusche wie beim Wechsel von Lena Oberdorf vom VfL Wolfsburg zum FC Bayern, der Ärger der ehemaligen Nationaltorhüterin Merle Frohms über die Absetzung vor Olympia gehörten dazu. Grubers Rat: auch die Schattenseiten ausleuchten. In dieser Hinsicht beobachtet er noch »eine große Zurückhaltung«. Gerade das Nationalteam möchte gerne als Wohlfühloase wahrgenommen werden – obwohl es ja beispielsweise bei der WM 2023 in Australien mächtig Zoff gab.

Gruber kritisierte, damit würde sich das Produkt »selbst beschneiden«. In den USA, auch in England seien die Spielerinnen anders drauf, »was Nähe, Aktivität und Social Media angeht«. Hierzulande gelten Giulia Gwinn vom FC Bayern und Frankfurts Laura Freigang diesbezüglich als Trendsetterinnen, die allerdings die soften Inhalte in den Vordergrund stellen. Und längst nicht alle wünschen sich mehr Spektakel. Turbine-Präsident Ritter-Lang würde stattdessen lieber betonen, dass in der Bundesliga der Frauen »der ehrlichere, familienfreundlichere Fußball« geboten werde, denn: »Bei uns fliegen keine Bengalos.«

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