Wiederauflage des Duells von 2023

Ecuadors Präsident Daniel Noboa hat nur die linke Luisa González zu fürchten

  • Knut Henkel, Quito
  • Lesedauer: 4 Min.
Hofft auf Neuauflage: Ecuadors Präsident Daniel Noboa (Mitte), begleitet von seiner Frau Lavinia Valbonesi bei seiner Amtseinführung 2023
Hofft auf Neuauflage: Ecuadors Präsident Daniel Noboa (Mitte), begleitet von seiner Frau Lavinia Valbonesi bei seiner Amtseinführung 2023

César Ricaurte, Direktor der Medienstiftung Fundamedios, kann sich an ein derartiges Niveau an Polarisierung nicht entsinnen. »Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Daniel Noboa und der Kandidatin der Bürgerrevolution Lusia González«, so der Medienexperte. Die 14 weiteren Kandidat*innen können nur mit wenigen Prozenten bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Februar rechnen, meint Ricaurte.

Die Polarisierung ist aus Sicht des Journalisten alles andere als ein positives Vorzeichen, denn schließlich steht Ecuador vor enormen Herausforderungen. »Die oder der Präsident(in) muss nicht nur die immense Kriminalität rund um die mehr als 20 Kokain-Kartelle eindämmen, sondern auch das Stromnetz des Landes modernisieren, die Wirtschaft ankurbeln und für Perspektiven sorgen«, zählt Ricaurte auf und legt die Stirn wenig optimistisch in Falten. Zwei dieser Mammutaufgaben, der Bekämpfung der Kartelle und der ökonomischen Rezession, hat sich Daniel Noboa bereits in den vergangenen 14 Monaten gestellt – mit durchwachsenem Erfolg.

Noboa wurde im August 2023 überraschend zum Präsidenten gewählt, nachdem mit Fernando Villavicencio der Kandidat im Wahlkampf erschossen wurde, der am ehesten ein Konzept gegen die omnipräsente Korruption und die je nach Quelle 24 bis 26 in Ecuador agierenden Kartelle vorweisen konnte. Für den 37-jährigen Sohn des Bananen-Milliardärs Álvaro Noboa sprach aus Sicht vieler Wähler*innen, dass er in den letzten Wochen des Wahlkampfs auf die harte Linie gesetzt und angekündigt hatte, das Militär gegen die Kartelle in Marsch zu setzen. Das dürfte dem Unternehmer, der seine Ausbildung an Elite-Universitäten in den USA absolviert hat, 2023 die nötigen Stimmen gebracht haben.

Bereits 2023 war die Präsenz von Noboa und seiner Ehefrau, der Influencerin Lavinia Valbonesi, in Tiktok, Instagram und Co. für den Wahlerfolg maßgeblich. »Die kurzen, banalen Spots haben dem modisch gut beratenen Paar enorme Reichweite und viele Stimmen gebracht«, so Juan Cuvi. Das dürfte sich auch bei den Wahlen am kommenden Sonntag wiederholen, denn das Jet-Set-Ehepaar generiert mit ihrer ausgebufften Medienstrategie Millionen an Klicks. »Da werden neue Schuhe präsentiert, ein Tattoo oder die Reise zur Vereidigung von Donald Trump angekündigt, und das kommt bei den jüngeren Generationen an«, erklärt der 66-jährige Soziologe, der Mitglied der Nationalen Anti-Korruptionskommission ist.

Cuvi ist ein Gegner dieser »Banalisierung der Politik«, hat aber wenig Hoffnung, dass Gegenkandidatin Luisa González dem omnipräsenten Noboa den Rang an den Urnen wird ablaufen können. Der hat im Wahlkampf gebetsmühlenartig auf seinen größten Erfolg in den vergangenen 14 Monaten verwiesen: den Rückgang der Mordquote um 15 Prozent. »Die ist real«, sagt Kriminalexperte Fernando Carrión. Allerdings verweist der Wissenschaftler auch darauf, dass das Militär in Ecuador seit dem 9. Januar 2024 alle Freiheiten genießt. »Es kann ohne polizeiliche Begleitung Menschen festnehmen, ist offiziell für die Kontrolle der 36 Haftanstalten verantwortlich, obwohl es dafür gar nicht ausgebildet ist.« Das hat laut Menschenrechtsorganisationen zu mehr Toten hinter Gittern, aber auch zu mehr Übergriffen durch das Militär geführt.

Die Sonderbefugnisse für das Militär sorgen zwar für Kritik und Unmut in der Gesellschaft, aber es ist fraglich, ob Luisa González, die Kandidatin der Bürgerrevolution von Ex-Präsident Rafael Correa (2007-2017), davon profitieren kann. Ein überzeugendes Konzept, um Kartellen und Korruption den Boden zu entziehen, hat sie nicht in petto. Die 47-jährige Juristin gilt als Vertraute von Ex-Präsident Correa, der im belgischen Exil lebt. Sie setzt auf eine konventionelle Wirtschaftspolitik mit sozialer Abfederung und lässt keine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass sie und nicht ihr politischer Mentor Rafael Correa regieren werde. Genau diese Frage und damit auch die der potenziellen Rückkehr des umstritten wegen Korruption in Abwesenheit zu acht Jahren Haft verurteilten Correa ist in Ecuador ein Politikum, dass das Land polarisiert. Zwar verfügt der Correísmo – wie die Bürgerrevolution auch genannt wird – in den einfachen Bevölkerungskreisen über viel Rückhalt, aber unklar ist, wie das hoch verschuldete Ecuador die sozialen Sicherheitssysteme, die Errungenschaft der Regierungszeit Correas, künftig finanzieren will. Ein Dilemma für González, die in den Umfragen wenige Tagen vor den Wahlen rund zehn Prozentpunkte hinter dem konservativen und zu einer neoliberalen Sparpolitik neigenden Noboa lag.

Hinter Luisa González folgen weit abgeschlagen Andrea González, Umweltaktivistin und Kandidatin der Partei der patriotischen Gesellschaft, mit rund fünf Prozent der Stimmen und Leonidas Itza. Itza, Kandidat der indigenen Partei Pachakutik, kommt nur auf 2,4 Prozent der Stimmen und landet weit unter den Erwartungen. Sollten die in Ecuador nicht sonderlich zuverlässigen Umfragen eintreten und es nicht dazu kommen, dass Noboa oder González im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, stände ein zweiter Wahlgang am 13. April an.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.